Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fischer, Emil: Gedächtnisrede auf Jacobus Henricus van’t Hoff. Berlin, 1911.

Bild:
<< vorherige Seite


Gedächtnisrede auf Jacobus Henricus van't Hof. 11


der weiteren Entwicklung dieser Theorie, wenn auch aus der Ferne, so
doch mit aufrichtiger Freude, gefolgt, obschon gelegentlicher Mißbrauch
derselben von seiten allzu eifriger Anhänger zum Widerspruch reizen konnte.
Die Verbreitung der neuen Lehre ist außerordentlich gefördert worden
durch die 1887 gegründete Zeitschrift für physikalische Chemie, die unter
der Leitung von Wilhelm Ostwald und der dauernden Mitwirkung
van't Hoffs bald der Sammelpunkt für alle Arbeiten auf diesem Gebiete
wurde. Enthielt doch schon ihr erster Band die ausführliche Darlegung
der Lösungstheorie durch van't Hoff und die erste zusammenfassende
Darstellung der elektrolytischen Dissoziationstheorie von Arrhenius.
Die zunächst nur für Flüssigkeiten geltende Betrachtung konnte von
van't Hoff schließlich auch auf die Mischungen fester Körper und auf die
in festen Substanzen absorbierten Gase übertragen werden. So entstand
der wichtige Begriff der festen Lösungen.
Trotz vereinzelten Widerspruchs hat die Theorie des osmotischen Drucks
schneller als die Stereochemie befruchtend auf die Experimentalforschung
eingewirkt. Der Grund dafür liegt wohl in ihrer viel allgemeineren Be-
deutung und der Möglichkeit, sie auf den verschiedensten Gebieten der
Chemie und Physik durch die Beobachtung zu prüfen. Welch unermeß-
licher Strom von Anregung daraus hervorgegangen ist, zeigt das plötzliche
Anschwellen der physikalisch-chemischen Literatur.
Daß den ungewöhnlichen Leistungen van't Hoffs nicht allein die
Anerkennung der engeren Fachgenossen, sondern auch der verschiedensten
gelehrten Korporationen in reichem Maße zuteil wurde, versteht sich von
selbst. Am bekanntesten davon ist die Verleihung des Nobelpreises im
Jahre 1901, wo van't Hoff als erster Chemiker diese Ehrung erhielt.
Ebensowenig braucht man sich zu wundern, daß auch außerhalb seines
Vaterlandes der Wunsch rege wurde, ihn als Lehrer und wissenschaftliche
Zierde für Hochschulen zu gewinnen. Bereits im Jahre 1887 hatte Leipzig
einen solchen Versuch gemacht, was man in Amsterdam mit der Bewilli-
gung eines neuen Institutes beantwortete. Dasselbe wurde ganz nach den
Angaben van't Hoffs gebaut und 1891 in Betrieb genommen. Damit
waren wohl alle Wünsche, die er in bezug auf äußere Hilfsmittel für seine
Arbeiten hegte, erfüllt, und der große internationale Schülerkreis, der sich
um ihn versammelte, sorgte auch dafür, daß die neuen Einrichtungen im
Dienste der Wissenschaft gründlich ausgenutzt wurden. Aber mit dem
2*


Gedächtnisrede auf Jacobus Henricus vanʼt Hof. 11


der weiteren Entwicklung dieser Theorie, wenn auch aus der Ferne, so
doch mit aufrichtiger Freude, gefolgt, obschon gelegentlicher Mißbrauch
derselben von seiten allzu eifriger Anhänger zum Widerspruch reizen konnte.
Die Verbreitung der neuen Lehre ist außerordentlich gefördert worden
durch die 1887 gegründete Zeitschrift für physikalische Chemie, die unter
der Leitung von Wilhelm Ostwald und der dauernden Mitwirkung
vanʼt Hoffs bald der Sammelpunkt für alle Arbeiten auf diesem Gebiete
wurde. Enthielt doch schon ihr erster Band die ausführliche Darlegung
der Lösungstheorie durch van’t Hoff und die erste zusammenfassende
Darstellung der elektrolytischen Dissoziationstheorie von Arrhenius.
Die zunächst nur für Flüssigkeiten geltende Betrachtung konnte von
vanʼt Hoff schließlich auch auf die Mischungen fester Körper und auf die
in festen Substanzen absorbierten Gase übertragen werden. So entstand
der wichtige Begriff der festen Lösungen.
Trotz vereinzelten Widerspruchs hat die Theorie des osmotischen Drucks
schneller als die Stereochemie befruchtend auf die Experimentalforschung
eingewirkt. Der Grund dafür liegt wohl in ihrer viel allgemeineren Be-
deutung und der Möglichkeit, sie auf den verschiedensten Gebieten der
Chemie und Physik durch die Beobachtung zu prüfen. Welch unermeß-
licher Strom von Anregung daraus hervorgegangen ist, zeigt das plötzliche
Anschwellen der physikalisch-chemischen Literatur.
Daß den ungewöhnlichen Leistungen van’t Hoffs nicht allein die
Anerkennung der engeren Fachgenossen, sondern auch der verschiedensten
gelehrten Korporationen in reichem Maße zuteil wurde, versteht sich von
selbst. Am bekanntesten davon ist die Verleihung des Nobelpreises im
Jahre 1901, wo vanʼt Hoff als erster Chemiker diese Ehrung erhielt.
Ebensowenig braucht man sich zu wundern, daß auch außerhalb seines
Vaterlandes der Wunsch rege wurde, ihn als Lehrer und wissenschaftliche
Zierde für Hochschulen zu gewinnen. Bereits im Jahre 1887 hatte Leipzig
einen solchen Versuch gemacht, was man in Amsterdam mit der Bewilli-
gung eines neuen Institutes beantwortete. Dasselbe wurde ganz nach den
Angaben vanʼt Hoffs gebaut und 1891 in Betrieb genommen. Damit
waren wohl alle Wünsche, die er in bezug auf äußere Hilfsmittel für seine
Arbeiten hegte, erfüllt, und der große internationale Schülerkreis, der sich
um ihn versammelte, sorgte auch dafür, daß die neuen Einrichtungen im
Dienste der Wissenschaft gründlich ausgenutzt wurden. Aber mit dem
2*

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0013" n="13"/>
        <p><lb/>
Gedächtnisrede auf Jacobus Henricus van&#x02BC;t Hof. 11</p>
        <p><lb/>
der weiteren Entwicklung dieser Theorie, wenn auch aus der Ferne, so<lb/>
doch mit aufrichtiger Freude, gefolgt, obschon gelegentlicher Mißbrauch<lb/>
derselben von seiten allzu eifriger Anhänger zum Widerspruch reizen konnte.<lb/>
Die Verbreitung der neuen Lehre ist außerordentlich gefördert worden<lb/>
durch die 1887 gegründete Zeitschrift für physikalische Chemie, die unter<lb/>
der Leitung von Wilhelm Ostwald und der dauernden Mitwirkung<lb/>
van&#x02BC;t Hoffs bald der Sammelpunkt für alle Arbeiten auf diesem Gebiete<lb/>
wurde. Enthielt doch schon ihr erster Band die ausführliche Darlegung<lb/>
der Lösungstheorie durch van&#x2019;t Hoff und die erste zusammenfassende<lb/>
Darstellung der elektrolytischen Dissoziationstheorie von Arrhenius.<lb/>
Die zunächst nur für Flüssigkeiten geltende Betrachtung konnte von<lb/>
van&#x02BC;t Hoff schließlich auch auf die Mischungen fester Körper und auf die<lb/>
in festen Substanzen absorbierten Gase übertragen werden. So entstand<lb/>
der wichtige Begriff der festen Lösungen.<lb/>
Trotz vereinzelten Widerspruchs hat die Theorie des osmotischen Drucks<lb/>
schneller als die Stereochemie befruchtend auf die Experimentalforschung<lb/>
eingewirkt. Der Grund dafür liegt wohl in ihrer viel allgemeineren Be-<lb/>
deutung und der Möglichkeit, sie auf den verschiedensten Gebieten der<lb/>
Chemie und Physik durch die Beobachtung zu prüfen. Welch unermeß-<lb/>
licher Strom von Anregung daraus hervorgegangen ist, zeigt das plötzliche<lb/>
Anschwellen der physikalisch-chemischen Literatur.<lb/>
Daß den ungewöhnlichen Leistungen van&#x2019;t Hoffs nicht allein die<lb/>
Anerkennung der engeren Fachgenossen, sondern auch der verschiedensten<lb/>
gelehrten Korporationen in reichem Maße zuteil wurde, versteht sich von<lb/>
selbst. Am bekanntesten davon ist die Verleihung des Nobelpreises im<lb/>
Jahre 1901, wo van&#x02BC;t Hoff als erster Chemiker diese Ehrung erhielt.<lb/>
Ebensowenig braucht man sich zu wundern, daß auch außerhalb seines<lb/>
Vaterlandes der Wunsch rege wurde, ihn als Lehrer und wissenschaftliche<lb/>
Zierde für Hochschulen zu gewinnen. Bereits im Jahre 1887 hatte Leipzig<lb/>
einen solchen Versuch gemacht, was man in Amsterdam mit der Bewilli-<lb/>
gung eines neuen Institutes beantwortete. Dasselbe wurde ganz nach den<lb/>
Angaben van&#x02BC;t Hoffs gebaut und 1891 in Betrieb genommen. Damit<lb/>
waren wohl alle Wünsche, die er in bezug auf äußere Hilfsmittel für seine<lb/>
Arbeiten hegte, erfüllt, und der große internationale Schülerkreis, der sich<lb/>
um ihn versammelte, sorgte auch dafür, daß die neuen Einrichtungen im<lb/>
Dienste der Wissenschaft gründlich ausgenutzt wurden. Aber mit dem<lb/>
2*</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0013] Gedächtnisrede auf Jacobus Henricus vanʼt Hof. 11 der weiteren Entwicklung dieser Theorie, wenn auch aus der Ferne, so doch mit aufrichtiger Freude, gefolgt, obschon gelegentlicher Mißbrauch derselben von seiten allzu eifriger Anhänger zum Widerspruch reizen konnte. Die Verbreitung der neuen Lehre ist außerordentlich gefördert worden durch die 1887 gegründete Zeitschrift für physikalische Chemie, die unter der Leitung von Wilhelm Ostwald und der dauernden Mitwirkung vanʼt Hoffs bald der Sammelpunkt für alle Arbeiten auf diesem Gebiete wurde. Enthielt doch schon ihr erster Band die ausführliche Darlegung der Lösungstheorie durch van’t Hoff und die erste zusammenfassende Darstellung der elektrolytischen Dissoziationstheorie von Arrhenius. Die zunächst nur für Flüssigkeiten geltende Betrachtung konnte von vanʼt Hoff schließlich auch auf die Mischungen fester Körper und auf die in festen Substanzen absorbierten Gase übertragen werden. So entstand der wichtige Begriff der festen Lösungen. Trotz vereinzelten Widerspruchs hat die Theorie des osmotischen Drucks schneller als die Stereochemie befruchtend auf die Experimentalforschung eingewirkt. Der Grund dafür liegt wohl in ihrer viel allgemeineren Be- deutung und der Möglichkeit, sie auf den verschiedensten Gebieten der Chemie und Physik durch die Beobachtung zu prüfen. Welch unermeß- licher Strom von Anregung daraus hervorgegangen ist, zeigt das plötzliche Anschwellen der physikalisch-chemischen Literatur. Daß den ungewöhnlichen Leistungen van’t Hoffs nicht allein die Anerkennung der engeren Fachgenossen, sondern auch der verschiedensten gelehrten Korporationen in reichem Maße zuteil wurde, versteht sich von selbst. Am bekanntesten davon ist die Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1901, wo vanʼt Hoff als erster Chemiker diese Ehrung erhielt. Ebensowenig braucht man sich zu wundern, daß auch außerhalb seines Vaterlandes der Wunsch rege wurde, ihn als Lehrer und wissenschaftliche Zierde für Hochschulen zu gewinnen. Bereits im Jahre 1887 hatte Leipzig einen solchen Versuch gemacht, was man in Amsterdam mit der Bewilli- gung eines neuen Institutes beantwortete. Dasselbe wurde ganz nach den Angaben vanʼt Hoffs gebaut und 1891 in Betrieb genommen. Damit waren wohl alle Wünsche, die er in bezug auf äußere Hilfsmittel für seine Arbeiten hegte, erfüllt, und der große internationale Schülerkreis, der sich um ihn versammelte, sorgte auch dafür, daß die neuen Einrichtungen im Dienste der Wissenschaft gründlich ausgenutzt wurden. Aber mit dem 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Digitalisate und OCR. (2020-03-03T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, OCR-D: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-03-04T12:13:05Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: ignoriert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • i/j in Fraktur: wie Vorlage;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: nicht übernommen;
  • langes s (ſ): wie Vorlage;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: wie Vorlage;
  • u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
  • Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: ja;



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_hoff_1911
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_hoff_1911/13
Zitationshilfe: Fischer, Emil: Gedächtnisrede auf Jacobus Henricus van’t Hoff. Berlin, 1911, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_hoff_1911/13>, abgerufen am 22.11.2024.