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Finen, Eberhard: Der Gott-begierige David Und Gott-begierige Christe. Braunschweig, 1715.

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get Ps. CII, 4./ daß / seiner eignen Geständniß nach / seine Gebeine sind verbrand wie ein Brand / sein Hertz geschlagen und verdorret wie Graß. Was Wunder wenn er in solcher Beängstigung geschrieen / und durch solch Geschrey seine Noht an den Tag gelegt? Er legt aber das Geschrey der Seelen zu: Meine Seele / sagt er / schreyet zu dir. Die Leyden Davids traten ihm hauptsächlich ans Hertz und an die Seele. Ob nun wol dieselbe eigentlich nicht schreyen kan / sondern / das Schreyen gehöret dem Munde zu / so pflegt doch David insgemein sowol seine Bet-als Lob-Stimme der Seelen zuzulegen; Wie solches hin und wieder in seinen Psalmen wahrzunehmen. Einmahl deswegen / weil dieselbe aus dem innersten Verlangen der Seelen herrühren / und der Mund nur dasjenige was die Seele ängstiget und quälet / muß hervorbringen; theils auch / in der Absicht / weil das Verlangen und Begehren der Seelen / wenn schon keine Stimme oder äuserlich Geschrey dasselbe an den Tag leget / dennoch in den Ohren GOttes wie ein starckes Geschrey erschallet. Moses sagt kein Wort / da er einstens vor Israel den Sieg erbitten wolte / und dennoch Exod. XIV, 15.sagt der HERR zu ihm; Was schreyest du zu mir / und der Heil. Geist schreyet in dem Hertzen der Gal. IV, 6.Gläubigen Abba! lieber Vater. Dieses aber giebt er insonderheit hiermit zu verstehen / daß sein Verlangen / seine Begierde / welche er mit Mund und Feder hier ausdrucket / ein recht innigliches / hertzliches / ernstliches Verlangen sey.

Wohin aber ist dieß sein Verlangen gerichtet? Was ists das David so sehnlich begehret / wornach er so ängstiglich schreyet? Meine Seele / sagt er / schreyet O GOtt zu dir! Der Anspruch welchen David an GOtt thut / giebt uns zu erkennen / daß es ihm mitten in sei-

get Ps. CII, 4./ daß / seiner eignen Geständniß nach / seine Gebeine sind verbrand wie ein Brand / sein Hertz geschlagen und verdorret wie Graß. Was Wunder wenn er in solcher Beängstigung geschrieen / und durch solch Geschrey seine Noht an den Tag gelegt? Er legt aber das Geschrey der Seelen zu: Meine Seele / sagt er / schreyet zu dir. Die Leyden Davids traten ihm hauptsächlich ans Hertz und an die Seele. Ob nun wol dieselbe eigentlich nicht schreyen kan / sondern / das Schreyen gehöret dem Munde zu / so pflegt doch David insgemein sowol seine Bet-als Lob-Stimme der Seelen zuzulegen; Wie solches hin und wieder in seinen Psalmen wahrzunehmen. Einmahl deswegen / weil dieselbe aus dem innersten Verlangen der Seelen herrühren / und der Mund nur dasjenige was die Seele ängstiget und quälet / muß hervorbringen; theils auch / in der Absicht / weil das Verlangen und Begehren der Seelen / wenn schon keine Stimme oder äuserlich Geschrey dasselbe an den Tag leget / dennoch in den Ohren GOttes wie ein starckes Geschrey erschallet. Moses sagt kein Wort / da er einstens vor Israel den Sieg erbitten wolte / und dennoch Exod. XIV, 15.sagt der HERR zu ihm; Was schreyest du zu mir / und der Heil. Geist schreyet in dem Hertzen der Gal. IV, 6.Gläubigen Abba! lieber Vater. Dieses aber giebt er insonderheit hiermit zu verstehen / daß sein Verlangen / seine Begierde / welche er mit Mund und Feder hier ausdrucket / ein recht innigliches / hertzliches / ernstliches Verlangen sey.

Wohin aber ist dieß sein Verlangen gerichtet? Was ists das David so sehnlich begehret / wornach er so ängstiglich schreyet? Meine Seele / sagt er / schreyet O GOtt zu dir! Der Anspruch welchen David an GOtt thut / giebt uns zu erkennen / daß es ihm mitten in sei-

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[12/0018] get / daß / seiner eignen Geständniß nach / seine Gebeine sind verbrand wie ein Brand / sein Hertz geschlagen und verdorret wie Graß. Was Wunder wenn er in solcher Beängstigung geschrieen / und durch solch Geschrey seine Noht an den Tag gelegt? Er legt aber das Geschrey der Seelen zu: Meine Seele / sagt er / schreyet zu dir. Die Leyden Davids traten ihm hauptsächlich ans Hertz und an die Seele. Ob nun wol dieselbe eigentlich nicht schreyen kan / sondern / das Schreyen gehöret dem Munde zu / so pflegt doch David insgemein sowol seine Bet-als Lob-Stimme der Seelen zuzulegen; Wie solches hin und wieder in seinen Psalmen wahrzunehmen. Einmahl deswegen / weil dieselbe aus dem innersten Verlangen der Seelen herrühren / und der Mund nur dasjenige was die Seele ängstiget und quälet / muß hervorbringen; theils auch / in der Absicht / weil das Verlangen und Begehren der Seelen / wenn schon keine Stimme oder äuserlich Geschrey dasselbe an den Tag leget / dennoch in den Ohren GOttes wie ein starckes Geschrey erschallet. Moses sagt kein Wort / da er einstens vor Israel den Sieg erbitten wolte / und dennoch sagt der HERR zu ihm; Was schreyest du zu mir / und der Heil. Geist schreyet in dem Hertzen der Gläubigen Abba! lieber Vater. Dieses aber giebt er insonderheit hiermit zu verstehen / daß sein Verlangen / seine Begierde / welche er mit Mund und Feder hier ausdrucket / ein recht innigliches / hertzliches / ernstliches Verlangen sey. Ps. CII, 4. Exod. XIV, 15. Gal. IV, 6. Wohin aber ist dieß sein Verlangen gerichtet? Was ists das David so sehnlich begehret / wornach er so ängstiglich schreyet? Meine Seele / sagt er / schreyet O GOtt zu dir! Der Anspruch welchen David an GOtt thut / giebt uns zu erkennen / daß es ihm mitten in sei-

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Der Gott-begierige David Und Gott-begierige Christe. Braunschweig, 1715, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_david_1715/18>, abgerufen am 25.04.2024.