und gegliederte Aufbau der zum Lichte der Erkenntniß erhobenen Wirklichkeit möglich wird, sollte er sich darüber klar sein, daß er in dem Wort nicht einen Ausdruck, son¬ dern ein Erzeugniß seines inneren Lebens besitzt. Indem sich die unendlichen Vorgänge psychophysischer Natur, die das Empfindungs- und Gefühlsleben, die Wahrnehmungs- und Vorstellungswelt des Menschen und somit sein Wirk¬ lichkeitsbewußtsein bilden, zum sprachlichen Ausdruck ent¬ wickeln, unterliegt der bisherige Inhalt seines Bewußtseins einer Verwandlung; im Wort erhält sein Bewußtsein einen neuen Inhalt. In demselben Augenblicke, in welchem der Mensch sich der Wirklichkeit, die ihm in jenen reichen aber flüchtigen unbestimmten und unvollendeten Bewußtseins¬ zuständen gegeben ist, in der sprachlichen Form zu be¬ mächtigen meint, entschwindet ihm das, was er erfassen möchte, und er sieht sich einer Wirklichkeit gegenüber, die eine ganz andere neue Form gewonnen hat. Nicht ein Ausdruck für ein Sein liegt in der Sprache vor, sondern eine Form des Seins.
Wir sind gewöhnt, mit Worten umzugehen, wir haben in den Worten das bereite Mittel, uns aus dem dunkeln und wogenden Elemente unserer inneren Bewußtseinsvor¬ gänge gleichsam auf festes Land zu retten. Zugleich wissen wir, daß alle unsere sinnlich-seelischen Fähigkeiten, all unser Fühlen, Empfinden, Wahrnehmen, Vorstellen betheiligt ist an der Bereitung des Wortes, der Sprache. Müssen wir nicht sagen, daß es das gesammte Sein, das Sein schlecht¬ hin ist, welches in die Form der Sprache eingeht, welches
und gegliederte Aufbau der zum Lichte der Erkenntniß erhobenen Wirklichkeit möglich wird, ſollte er ſich darüber klar ſein, daß er in dem Wort nicht einen Ausdruck, ſon¬ dern ein Erzeugniß ſeines inneren Lebens beſitzt. Indem ſich die unendlichen Vorgänge pſychophyſiſcher Natur, die das Empfindungs- und Gefühlsleben, die Wahrnehmungs- und Vorſtellungswelt des Menſchen und ſomit ſein Wirk¬ lichkeitsbewußtſein bilden, zum ſprachlichen Ausdruck ent¬ wickeln, unterliegt der bisherige Inhalt ſeines Bewußtſeins einer Verwandlung; im Wort erhält ſein Bewußtſein einen neuen Inhalt. In demſelben Augenblicke, in welchem der Menſch ſich der Wirklichkeit, die ihm in jenen reichen aber flüchtigen unbeſtimmten und unvollendeten Bewußtſeins¬ zuſtänden gegeben iſt, in der ſprachlichen Form zu be¬ mächtigen meint, entſchwindet ihm das, was er erfaſſen möchte, und er ſieht ſich einer Wirklichkeit gegenüber, die eine ganz andere neue Form gewonnen hat. Nicht ein Ausdruck für ein Sein liegt in der Sprache vor, ſondern eine Form des Seins.
Wir ſind gewöhnt, mit Worten umzugehen, wir haben in den Worten das bereite Mittel, uns aus dem dunkeln und wogenden Elemente unſerer inneren Bewußtſeinsvor¬ gänge gleichſam auf feſtes Land zu retten. Zugleich wiſſen wir, daß alle unſere ſinnlich-ſeeliſchen Fähigkeiten, all unſer Fühlen, Empfinden, Wahrnehmen, Vorſtellen betheiligt iſt an der Bereitung des Wortes, der Sprache. Müſſen wir nicht ſagen, daß es das geſammte Sein, das Sein ſchlecht¬ hin iſt, welches in die Form der Sprache eingeht, welches
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und gegliederte Aufbau der zum Lichte der Erkenntniß
erhobenen Wirklichkeit möglich wird, ſollte er ſich darüber
klar ſein, daß er in dem Wort nicht einen Ausdruck, ſon¬
dern ein Erzeugniß ſeines inneren Lebens beſitzt. Indem
ſich die unendlichen Vorgänge pſychophyſiſcher Natur, die
das Empfindungs- und Gefühlsleben, die Wahrnehmungs-
und Vorſtellungswelt des Menſchen und ſomit ſein Wirk¬
lichkeitsbewußtſein bilden, zum ſprachlichen Ausdruck ent¬
wickeln, unterliegt der bisherige Inhalt ſeines Bewußtſeins
einer Verwandlung; im Wort erhält ſein Bewußtſein einen
neuen Inhalt. In demſelben Augenblicke, in welchem der
Menſch ſich der Wirklichkeit, die ihm in jenen reichen aber
flüchtigen unbeſtimmten und unvollendeten Bewußtſeins¬
zuſtänden gegeben iſt, in der ſprachlichen Form zu be¬
mächtigen meint, entſchwindet ihm das, was er erfaſſen
möchte, und er ſieht ſich einer Wirklichkeit gegenüber, die
eine ganz andere neue Form gewonnen hat. Nicht ein
Ausdruck für ein Sein liegt in der Sprache vor, ſondern
eine Form des Seins.
Wir ſind gewöhnt, mit Worten umzugehen, wir haben
in den Worten das bereite Mittel, uns aus dem dunkeln
und wogenden Elemente unſerer inneren Bewußtſeinsvor¬
gänge gleichſam auf feſtes Land zu retten. Zugleich wiſſen
wir, daß alle unſere ſinnlich-ſeeliſchen Fähigkeiten, all unſer
Fühlen, Empfinden, Wahrnehmen, Vorſtellen betheiligt iſt
an der Bereitung des Wortes, der Sprache. Müſſen wir
nicht ſagen, daß es das geſammte Sein, das Sein ſchlecht¬
hin iſt, welches in die Form der Sprache eingeht, welches
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/25>, abgerufen am 16.07.2024.
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