Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.Kunstwerkes theilnahmlos vorübergehen und in ihm nur Es ist hier nicht der Ort, im Einzelnen auszuführen, Kunſtwerkes theilnahmlos vorübergehen und in ihm nur Es iſt hier nicht der Ort, im Einzelnen auszuführen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="139"/> Kunſtwerkes theilnahmlos vorübergehen und in ihm nur<lb/> das wiederfinden, was ihn auch ſonſt an der Wirklichkeit<lb/> Antheil nehmen läßt. Und überdies iſt es ja nur natür¬<lb/> lich, daß Jedem die Kunſt um derjenigen Eigenſchaften willen<lb/> vorhanden zu ſein ſcheint, die ſeiner Empfänglichkeit, ſeinem<lb/> Verſtändniß zugänglich ſind. Denn es iſt leichter, eine<lb/> Leiſtung an dem eigenen geiſtigen Zuſtand zu meſſen, als<lb/> ſich dem Zuſtande, in dem man zu verweilen gewohnt<lb/> war, entreißen und in Gebiete emporführen zu laſſen, zu<lb/> denen man aus eigener Kraft nicht gelangen konnte.</p><lb/> <p>Es iſt hier nicht der Ort, im Einzelnen auszuführen,<lb/> wie in Folge dieſer Umſtände auf dem Gebiete des Kunſt¬<lb/> verſtändniſſes die außerordentlichſte Verwirrung entſtanden<lb/> iſt. Im Allgemeinen iſt es einestheils das Empfindungs¬<lb/> leben, anderentheils die denkende und auf ein Wiſſen ab¬<lb/> zielende Thätigkeit des Geiſtes, zu denen man vorhandene<lb/> Kunſtwerke in Beziehung ſetzt, um ſie ſich anzueignen.<lb/> Wenn in den breiten Bildungsſchichten dieſe Verſuche,<lb/> künſtleriſche Leiſtungen ſich nahe zu bringen, in anſpruchs¬<lb/> loſer Vermiſchung erſcheinen, ſo treten ſie in den Kreiſen<lb/> derer, die, über ſo naive Standpunkte erhaben, bis in das<lb/> innerſte Geheimniß der Kunſt vorgedrungen zu ſein glauben,<lb/> getrennt auf und kleiden ſich in das vornehme Gewand<lb/> philoſophiſcher Prinzipien und wiſſenſchaftlicher Methoden.<lb/> Im Grunde aber kommt man auch hier über ein theils<lb/> ſentimentales, theils gelehrtes Verhältniß zur Kunſt nicht<lb/> hinaus. Je größer aber die Macht iſt, die thatſächlich<lb/> durch dieſe ſcheinbaren Arten des Kunſtverſtändniſſes über<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0151]
Kunſtwerkes theilnahmlos vorübergehen und in ihm nur
das wiederfinden, was ihn auch ſonſt an der Wirklichkeit
Antheil nehmen läßt. Und überdies iſt es ja nur natür¬
lich, daß Jedem die Kunſt um derjenigen Eigenſchaften willen
vorhanden zu ſein ſcheint, die ſeiner Empfänglichkeit, ſeinem
Verſtändniß zugänglich ſind. Denn es iſt leichter, eine
Leiſtung an dem eigenen geiſtigen Zuſtand zu meſſen, als
ſich dem Zuſtande, in dem man zu verweilen gewohnt
war, entreißen und in Gebiete emporführen zu laſſen, zu
denen man aus eigener Kraft nicht gelangen konnte.
Es iſt hier nicht der Ort, im Einzelnen auszuführen,
wie in Folge dieſer Umſtände auf dem Gebiete des Kunſt¬
verſtändniſſes die außerordentlichſte Verwirrung entſtanden
iſt. Im Allgemeinen iſt es einestheils das Empfindungs¬
leben, anderentheils die denkende und auf ein Wiſſen ab¬
zielende Thätigkeit des Geiſtes, zu denen man vorhandene
Kunſtwerke in Beziehung ſetzt, um ſie ſich anzueignen.
Wenn in den breiten Bildungsſchichten dieſe Verſuche,
künſtleriſche Leiſtungen ſich nahe zu bringen, in anſpruchs¬
loſer Vermiſchung erſcheinen, ſo treten ſie in den Kreiſen
derer, die, über ſo naive Standpunkte erhaben, bis in das
innerſte Geheimniß der Kunſt vorgedrungen zu ſein glauben,
getrennt auf und kleiden ſich in das vornehme Gewand
philoſophiſcher Prinzipien und wiſſenſchaftlicher Methoden.
Im Grunde aber kommt man auch hier über ein theils
ſentimentales, theils gelehrtes Verhältniß zur Kunſt nicht
hinaus. Je größer aber die Macht iſt, die thatſächlich
durch dieſe ſcheinbaren Arten des Kunſtverſtändniſſes über
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