Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

einzuführen, und durch Furcht und Hofnung
in diesen die für die gegenwärtige Welt schwach
gebliebene, zu verstärken, -- diese Religion, die
offenbar eine Dienerin der Selbstsucht war,
soll allerdings mit der alten Zeit zugleich zu
Grabe getragen werden; denn in der neuen
Zeit bricht die Ewigkeit nicht erst jenseits des
Grabes an, sondern sie kommt ihr mitten in ihre
Gegenwart hinein, die Selbstsucht aber ist so¬
wohl des Regiments, als des Dienstes entlas¬
sen, und zieht demnach auch ihre Dienerschaft
mit ihr ab.

Die Erziehung zur wahren Religion ist so¬
mit das letzte Geschäft der neuen Erziehung.
Ob in der Entwerfung eines hiezu erforderli¬
chen Bildes der übersinnlichen Welt-Ordnung
der Zögling wahrhaft selbstthätig verfahren
sey; und ob das entworfene Bild allenthalben
richtig, und durchaus klar, und verständlich
sey, wird die Erziehung leicht, auf dieselbe
Weise wie bei den übrigen Gegenständen der
Erkenntniß, beurtheilen können; denn auch
dies bleibt auf dem Gebiete der Erkennt¬
niß.

einzufuͤhren, und durch Furcht und Hofnung
in dieſen die fuͤr die gegenwaͤrtige Welt ſchwach
gebliebene, zu verſtaͤrken, — dieſe Religion, die
offenbar eine Dienerin der Selbſtſucht war,
ſoll allerdings mit der alten Zeit zugleich zu
Grabe getragen werden; denn in der neuen
Zeit bricht die Ewigkeit nicht erſt jenſeits des
Grabes an, ſondern ſie kommt ihr mitten in ihre
Gegenwart hinein, die Selbſtſucht aber iſt ſo¬
wohl des Regiments, als des Dienſtes entlaſ¬
ſen, und zieht demnach auch ihre Dienerſchaft
mit ihr ab.

Die Erziehung zur wahren Religion iſt ſo¬
mit das letzte Geſchaͤft der neuen Erziehung.
Ob in der Entwerfung eines hiezu erforderli¬
chen Bildes der uͤberſinnlichen Welt-Ordnung
der Zoͤgling wahrhaft ſelbſtthaͤtig verfahren
ſey; und ob das entworfene Bild allenthalben
richtig, und durchaus klar, und verſtaͤndlich
ſey, wird die Erziehung leicht, auf dieſelbe
Weiſe wie bei den uͤbrigen Gegenſtaͤnden der
Erkenntniß, beurtheilen koͤnnen; denn auch
dies bleibt auf dem Gebiete der Erkennt¬
niß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="86"/>
einzufu&#x0364;hren, und durch Furcht und Hofnung<lb/>
in die&#x017F;en die fu&#x0364;r die gegenwa&#x0364;rtige Welt &#x017F;chwach<lb/>
gebliebene, zu ver&#x017F;ta&#x0364;rken, &#x2014; die&#x017F;e Religion, die<lb/>
offenbar eine Dienerin der Selb&#x017F;t&#x017F;ucht war,<lb/>
&#x017F;oll allerdings mit der alten Zeit zugleich zu<lb/>
Grabe getragen werden; denn in der neuen<lb/>
Zeit bricht die Ewigkeit nicht er&#x017F;t jen&#x017F;eits des<lb/>
Grabes an, &#x017F;ondern &#x017F;ie kommt ihr mitten in ihre<lb/>
Gegenwart hinein, die Selb&#x017F;t&#x017F;ucht aber i&#x017F;t &#x017F;<lb/>
wohl des Regiments, als des Dien&#x017F;tes entla&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, und zieht demnach auch ihre Diener&#x017F;chaft<lb/>
mit ihr ab.</p><lb/>
        <p>Die Erziehung zur wahren Religion i&#x017F;t &#x017F;<lb/>
mit das letzte Ge&#x017F;cha&#x0364;ft der neuen Erziehung.<lb/>
Ob in der Entwerfung eines hiezu erforderli¬<lb/>
chen Bildes der u&#x0364;ber&#x017F;innlichen Welt-Ordnung<lb/>
der Zo&#x0364;gling wahrhaft &#x017F;elb&#x017F;ttha&#x0364;tig verfahren<lb/>
&#x017F;ey; und ob das entworfene Bild allenthalben<lb/>
richtig, und durchaus klar, und ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/>
&#x017F;ey, wird die Erziehung leicht, auf die&#x017F;elbe<lb/>
Wei&#x017F;e wie bei den u&#x0364;brigen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden der<lb/>
Erkenntniß, beurtheilen ko&#x0364;nnen; denn auch<lb/>
dies bleibt auf dem Gebiete der Erkennt¬<lb/>
niß.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0092] einzufuͤhren, und durch Furcht und Hofnung in dieſen die fuͤr die gegenwaͤrtige Welt ſchwach gebliebene, zu verſtaͤrken, — dieſe Religion, die offenbar eine Dienerin der Selbſtſucht war, ſoll allerdings mit der alten Zeit zugleich zu Grabe getragen werden; denn in der neuen Zeit bricht die Ewigkeit nicht erſt jenſeits des Grabes an, ſondern ſie kommt ihr mitten in ihre Gegenwart hinein, die Selbſtſucht aber iſt ſo¬ wohl des Regiments, als des Dienſtes entlaſ¬ ſen, und zieht demnach auch ihre Dienerſchaft mit ihr ab. Die Erziehung zur wahren Religion iſt ſo¬ mit das letzte Geſchaͤft der neuen Erziehung. Ob in der Entwerfung eines hiezu erforderli¬ chen Bildes der uͤberſinnlichen Welt-Ordnung der Zoͤgling wahrhaft ſelbſtthaͤtig verfahren ſey; und ob das entworfene Bild allenthalben richtig, und durchaus klar, und verſtaͤndlich ſey, wird die Erziehung leicht, auf dieſelbe Weiſe wie bei den uͤbrigen Gegenſtaͤnden der Erkenntniß, beurtheilen koͤnnen; denn auch dies bleibt auf dem Gebiete der Erkennt¬ niß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/92
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/92>, abgerufen am 23.11.2024.