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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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das göttliche Leben selber, welches göttliche
Leben allein in dem lebendigen Gedanken da
ist, und sich offenbar macht. So wird er sein
Leben, als ein ewiges Glied in der Kette der
Offenbarung des göttlichen Lebens, und jed¬
wedes andere geistige Leben, als eben ein sol¬
ches Glied, erkennen, und heilig halten ler¬
nen; und nur in der unmittelbaren Be¬
rührung mit Gott und dem nicht vermittelten
Ausströmen seines Lebens aus jenem, Leben,
und Licht, und Seeligkeit; in jeder Entfernung
aber aus der Unmittelbarkeit, Tod, Finsterniß
und Elend finden. Mit Einem Worte: diese
Entwickelung wird ihn zur Religion bilden; und
diese Religion des Einwohnens unsers Lebens
in Gott soll allerdings auch in der neuen Zeit
herrschen, und in derselben sorgfältig gebildet
werden. Dagegen soll die Religion der alten
Zeit, die das geistige Leben von dem göttli¬
chen abtrennte, und dem erstern nur vermit¬
telst eines Abfalls von dem zweiten das abso¬
lute Daseyn zu verschaffen wußte, das sie ihm
zugedacht hatte, und welche Gott als Faden
brauchte, um die Selbstsucht noch über den Tod
des sterblichen Leibes hinaus in andere Welten

das goͤttliche Leben ſelber, welches goͤttliche
Leben allein in dem lebendigen Gedanken da
iſt, und ſich offenbar macht. So wird er ſein
Leben, als ein ewiges Glied in der Kette der
Offenbarung des goͤttlichen Lebens, und jed¬
wedes andere geiſtige Leben, als eben ein ſol¬
ches Glied, erkennen, und heilig halten ler¬
nen; und nur in der unmittelbaren Be¬
ruͤhrung mit Gott und dem nicht vermittelten
Ausſtroͤmen ſeines Lebens aus jenem, Leben,
und Licht, und Seeligkeit; in jeder Entfernung
aber aus der Unmittelbarkeit, Tod, Finſterniß
und Elend finden. Mit Einem Worte: dieſe
Entwickelung wird ihn zur Religion bilden; und
dieſe Religion des Einwohnens unſers Lebens
in Gott ſoll allerdings auch in der neuen Zeit
herrſchen, und in derſelben ſorgfaͤltig gebildet
werden. Dagegen ſoll die Religion der alten
Zeit, die das geiſtige Leben von dem goͤttli¬
chen abtrennte, und dem erſtern nur vermit¬
telſt eines Abfalls von dem zweiten das abſo¬
lute Daſeyn zu verſchaffen wußte, das ſie ihm
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[85/0091] das goͤttliche Leben ſelber, welches goͤttliche Leben allein in dem lebendigen Gedanken da iſt, und ſich offenbar macht. So wird er ſein Leben, als ein ewiges Glied in der Kette der Offenbarung des goͤttlichen Lebens, und jed¬ wedes andere geiſtige Leben, als eben ein ſol¬ ches Glied, erkennen, und heilig halten ler¬ nen; und nur in der unmittelbaren Be¬ ruͤhrung mit Gott und dem nicht vermittelten Ausſtroͤmen ſeines Lebens aus jenem, Leben, und Licht, und Seeligkeit; in jeder Entfernung aber aus der Unmittelbarkeit, Tod, Finſterniß und Elend finden. Mit Einem Worte: dieſe Entwickelung wird ihn zur Religion bilden; und dieſe Religion des Einwohnens unſers Lebens in Gott ſoll allerdings auch in der neuen Zeit herrſchen, und in derſelben ſorgfaͤltig gebildet werden. Dagegen ſoll die Religion der alten Zeit, die das geiſtige Leben von dem goͤttli¬ chen abtrennte, und dem erſtern nur vermit¬ telſt eines Abfalls von dem zweiten das abſo¬ lute Daſeyn zu verſchaffen wußte, das ſie ihm zugedacht hatte, und welche Gott als Faden brauchte, um die Selbſtſucht noch uͤber den Tod des ſterblichen Leibes hinaus in andere Welten

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/91>, abgerufen am 23.11.2024.