sie jezo sähet. Ich glaube ihnen; ich habe selbst schon in meiner nicht sehr langwierigen Erfahrung erlebt, daß Jünglinge, die erst an¬ dere Hofnung erregten, dennoch späterhin jenen wohlmeinenden Erwartungen dieses reifen Alters vollkommen entsprachen. Thut dies nicht länger, Jünglinge, denn wie könnte sonst jemals ein besseres Geschlecht beginnen? Der Schmelz der Jugend zwar wird von euch ab¬ fallen, und die Flamme eurer Einbildungskraft wird aufhören, sich aus sich selber zu ernähren; aber fasset diese Flamme, und verdichtet sie durch klares Denken, macht euch zu eigen die Kunst dieses Denkens, und ihr werdet die schönste Ausstattung des Menschen, den Cha¬ rakter, noch zur Zugabe bekommen. An jenem klaren Denken erhaltet ihr die Quelle der ewi¬ gen Jugendblüthe; wie auch euer Körper al¬ tere, oder eure Knie wanken, euer Geist wird in stets erneuerter Frischheit sich wiedergebäh¬ ren, und euer Charakter fest stehen, und ohne Wandel. Ergreift sogleich die sich hier euch dar¬ bietende Gelegenheit; denkt klar, über den euch zur Berathung vorgelegten Gegenstand;
ſie jezo ſaͤhet. Ich glaube ihnen; ich habe ſelbſt ſchon in meiner nicht ſehr langwierigen Erfahrung erlebt, daß Juͤnglinge, die erſt an¬ dere Hofnung erregten, dennoch ſpaͤterhin jenen wohlmeinenden Erwartungen dieſes reifen Alters vollkommen entſprachen. Thut dies nicht laͤnger, Juͤnglinge, denn wie koͤnnte ſonſt jemals ein beſſeres Geſchlecht beginnen? Der Schmelz der Jugend zwar wird von euch ab¬ fallen, und die Flamme eurer Einbildungskraft wird aufhoͤren, ſich aus ſich ſelber zu ernaͤhren; aber faſſet dieſe Flamme, und verdichtet ſie durch klares Denken, macht euch zu eigen die Kunſt dieſes Denkens, und ihr werdet die ſchoͤnſte Ausſtattung des Menſchen, den Cha¬ rakter, noch zur Zugabe bekommen. An jenem klaren Denken erhaltet ihr die Quelle der ewi¬ gen Jugendbluͤthe; wie auch euer Koͤrper al¬ tere, oder eure Knie wanken, euer Geiſt wird in ſtets erneuerter Friſchheit ſich wiedergebaͤh¬ ren, und euer Charakter feſt ſtehen, und ohne Wandel. Ergreift ſogleich die ſich hier euch dar¬ bietende Gelegenheit; denkt klar, uͤber den euch zur Berathung vorgelegten Gegenſtand;
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ſie jezo ſaͤhet. Ich glaube ihnen; ich habe
ſelbſt ſchon in meiner nicht ſehr langwierigen
Erfahrung erlebt, daß Juͤnglinge, die erſt an¬
dere Hofnung erregten, dennoch ſpaͤterhin jenen
wohlmeinenden Erwartungen dieſes reifen
Alters vollkommen entſprachen. Thut dies
nicht laͤnger, Juͤnglinge, denn wie koͤnnte ſonſt
jemals ein beſſeres Geſchlecht beginnen? Der
Schmelz der Jugend zwar wird von euch ab¬
fallen, und die Flamme eurer Einbildungskraft
wird aufhoͤren, ſich aus ſich ſelber zu ernaͤhren;
aber faſſet dieſe Flamme, und verdichtet ſie
durch klares Denken, macht euch zu eigen die
Kunſt dieſes Denkens, und ihr werdet die
ſchoͤnſte Ausſtattung des Menſchen, den Cha¬
rakter, noch zur Zugabe bekommen. An jenem
klaren Denken erhaltet ihr die Quelle der ewi¬
gen Jugendbluͤthe; wie auch euer Koͤrper al¬
tere, oder eure Knie wanken, euer Geiſt wird
in ſtets erneuerter Friſchheit ſich wiedergebaͤh¬
ren, und euer Charakter feſt ſtehen, und ohne
Wandel. Ergreift ſogleich die ſich hier euch dar¬
bietende Gelegenheit; denkt klar, uͤber den
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/474>, abgerufen am 24.11.2024.
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