euren Mangel an Kenntniß der Welt, d. h. des allgemeinen menschlichen Verderbens, denn für etwas anders an der Welt haben sie nicht Au¬ gen. Jezt nur, weil ihr gleichgesinnte Gehül¬ fen zu finden hostet, und den grimmigen und hartnäckigen Widerstand, den man euren Ent¬ würfen des Bessern entgegen setzen werde, nicht kenntet, hättet ihr Muth. Wenn nur das jugendliche Feuer eurer Einbildungskraft ein¬ mal verflogen seyn werde, wenn ihr nur die allgemeine Selbstsucht, Trägheit und Arbeits¬ scheu, wahrnehmen würdet, wenn ihr nur die Süßigkeit des Fortgehens in dem gewohnten Geleise selbst einmal recht würdet geschmeckt haben, so werde euch die Lust, besser und klü¬ ger seyn zu wollen, denn die andern alle, schon vergehen. Sie greifen diese gute Hofnung von euch nicht etwa aus der Luft; sie haben dieselbe an ihrer eigenen Person bestätigt gefun¬ den. Sie müssen bekennen, daß sie in den Tagen ihrer unverständigen Jugend eben so von Weltverbesserung geträumet haben, wie ihr jetzt; dennoch seyen sie bei zunehmender Reife so zahm, und ruhig geworden, wie ihr
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euren Mangel an Kenntniß der Welt, d. h. des allgemeinen menſchlichen Verderbens, denn fuͤr etwas anders an der Welt haben ſie nicht Au¬ gen. Jezt nur, weil ihr gleichgeſinnte Gehuͤl¬ fen zu finden hoſtet, und den grimmigen und hartnaͤckigen Widerſtand, den man euren Ent¬ wuͤrfen des Beſſern entgegen ſetzen werde, nicht kenntet, haͤttet ihr Muth. Wenn nur das jugendliche Feuer eurer Einbildungskraft ein¬ mal verflogen ſeyn werde, wenn ihr nur die allgemeine Selbſtſucht, Traͤgheit und Arbeits¬ ſcheu, wahrnehmen wuͤrdet, wenn ihr nur die Suͤßigkeit des Fortgehens in dem gewohnten Geleiſe ſelbſt einmal recht wuͤrdet geſchmeckt haben, ſo werde euch die Luſt, beſſer und kluͤ¬ ger ſeyn zu wollen, denn die andern alle, ſchon vergehen. Sie greifen dieſe gute Hofnung von euch nicht etwa aus der Luft; ſie haben dieſelbe an ihrer eigenen Perſon beſtaͤtigt gefun¬ den. Sie muͤſſen bekennen, daß ſie in den Tagen ihrer unverſtaͤndigen Jugend eben ſo von Weltverbeſſerung getraͤumet haben, wie ihr jetzt; dennoch ſeyen ſie bei zunehmender Reife ſo zahm, und ruhig geworden, wie ihr
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euren Mangel an Kenntniß der Welt, d. h. des
allgemeinen menſchlichen Verderbens, denn fuͤr
etwas anders an der Welt haben ſie nicht Au¬
gen. Jezt nur, weil ihr gleichgeſinnte Gehuͤl¬
fen zu finden hoſtet, und den grimmigen und
hartnaͤckigen Widerſtand, den man euren Ent¬
wuͤrfen des Beſſern entgegen ſetzen werde, nicht
kenntet, haͤttet ihr Muth. Wenn nur das
jugendliche Feuer eurer Einbildungskraft ein¬
mal verflogen ſeyn werde, wenn ihr nur die
allgemeine Selbſtſucht, Traͤgheit und Arbeits¬
ſcheu, wahrnehmen wuͤrdet, wenn ihr nur die
Suͤßigkeit des Fortgehens in dem gewohnten
Geleiſe ſelbſt einmal recht wuͤrdet geſchmeckt
haben, ſo werde euch die Luſt, beſſer und kluͤ¬
ger ſeyn zu wollen, denn die andern alle, ſchon
vergehen. Sie greifen dieſe gute Hofnung
von euch nicht etwa aus der Luft; ſie haben
dieſelbe an ihrer eigenen Perſon beſtaͤtigt gefun¬
den. Sie muͤſſen bekennen, daß ſie in den
Tagen ihrer unverſtaͤndigen Jugend eben ſo
von Weltverbeſſerung getraͤumet haben, wie
ihr jetzt; dennoch ſeyen ſie bei zunehmender
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/473>, abgerufen am 24.11.2024.
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