nung ist nicht wohl mehr möglich. Bei der Herbeieilung des endlichen Erfolgs hat sich gefunden, daß die einzelnen deutschen Staaten nicht einmal sich selbst, ihre Kräfte, und ihre wahre Lage, kannten; wie könnte denn irgend einer sich anmaaßen, aus sich selbst herauszu¬ treten, und über fremde Schuld ein auf gründ¬ liche Kenntniß sich stützendes Endurtheil zu fällen?
Mag es seyn, daß über alle Stämme des deutschen Vaterlandes hinweg einen gewissen Stand ein gegründeterer Vorwurf trift, nicht, weil er eben auch nicht mehr eingesehen oder vermocht, als die andern alle, was eine ge¬ meinschaftliche Schuld ist, sondern weil er sich das Ansehen gegeben, als ob er mehr einsähe, und vermöchte, und alle übrigen von der Ver¬ waltung der Staaten verdrängt. Wäre nun auch ein solcher Vorwurf gegründet; wer soll ihn aussprechen, und wozu ist es nöthig, daß er gerade jezt lauter, und bitterer denn je, aus¬ gesprochen, und verhandelt werde? Wir se¬ hen, daß Schriftsteller es thun. Haben diese nun ehemals, als bei jenem Stande noch alle
nung iſt nicht wohl mehr moͤglich. Bei der Herbeieilung des endlichen Erfolgs hat ſich gefunden, daß die einzelnen deutſchen Staaten nicht einmal ſich ſelbſt, ihre Kraͤfte, und ihre wahre Lage, kannten; wie koͤnnte denn irgend einer ſich anmaaßen, aus ſich ſelbſt herauszu¬ treten, und uͤber fremde Schuld ein auf gruͤnd¬ liche Kenntniß ſich ſtuͤtzendes Endurtheil zu faͤllen?
Mag es ſeyn, daß uͤber alle Staͤmme des deutſchen Vaterlandes hinweg einen gewiſſen Stand ein gegruͤndeterer Vorwurf trift, nicht, weil er eben auch nicht mehr eingeſehen oder vermocht, als die andern alle, was eine ge¬ meinſchaftliche Schuld iſt, ſondern weil er ſich das Anſehen gegeben, als ob er mehr einſaͤhe, und vermoͤchte, und alle uͤbrigen von der Ver¬ waltung der Staaten verdraͤngt. Waͤre nun auch ein ſolcher Vorwurf gegruͤndet; wer ſoll ihn ausſprechen, und wozu iſt es noͤthig, daß er gerade jezt lauter, und bitterer denn je, aus¬ geſprochen, und verhandelt werde? Wir ſe¬ hen, daß Schriftſteller es thun. Haben dieſe nun ehemals, als bei jenem Stande noch alle
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nung iſt nicht wohl mehr moͤglich. Bei der
Herbeieilung des endlichen Erfolgs hat ſich
gefunden, daß die einzelnen deutſchen Staaten
nicht einmal ſich ſelbſt, ihre Kraͤfte, und ihre
wahre Lage, kannten; wie koͤnnte denn irgend
einer ſich anmaaßen, aus ſich ſelbſt herauszu¬
treten, und uͤber fremde Schuld ein auf gruͤnd¬
liche Kenntniß ſich ſtuͤtzendes Endurtheil zu
faͤllen?
Mag es ſeyn, daß uͤber alle Staͤmme des
deutſchen Vaterlandes hinweg einen gewiſſen
Stand ein gegruͤndeterer Vorwurf trift, nicht,
weil er eben auch nicht mehr eingeſehen oder
vermocht, als die andern alle, was eine ge¬
meinſchaftliche Schuld iſt, ſondern weil er ſich
das Anſehen gegeben, als ob er mehr einſaͤhe,
und vermoͤchte, und alle uͤbrigen von der Ver¬
waltung der Staaten verdraͤngt. Waͤre nun
auch ein ſolcher Vorwurf gegruͤndet; wer ſoll
ihn ausſprechen, und wozu iſt es noͤthig, daß
er gerade jezt lauter, und bitterer denn je, aus¬
geſprochen, und verhandelt werde? Wir ſe¬
hen, daß Schriftſteller es thun. Haben dieſe
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/443>, abgerufen am 25.11.2024.
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