daß ihr eine neue und eigenthümliche Ansicht des Weltganzen aufgegangen sey, und daß sie festen Willen habe, und eiserne Kraft, diese ihre Ansicht einzuführen in die Wirklichkeit? Aber es ist schlechthin unmöglich, daß ein sol¬ ches Gemüth nicht auch außer sich, an Völ¬ kern und Einzelnen, ehre, was in seinem In¬ nern seine eigne Größe ausmacht, die Selbst¬ ständigkeit, die Festigkeit, die Eigenthümlich¬ keil des Daseyns. So gewiß es sich in seiner Größe fühlt, und derselben vertraut, ver¬ schmäht es über armseeligen Knechtssinn zu herrschen, und groß zu seyn unter Zwergen; es verschmäht den Gedanken, daß es die Menschen erst herabwürdigen müsse, um über sie zu gebieten: es ist gedrückt durch den Anblik des dasselbe umgebenden Verderbens, es thut ihm weh, die Menschen nicht achten zu können; Alles aber, was sein verbrüdertes Geschlecht erhebt, veredelt, in ein würdigeres Licht sezt, thut wohl seinem selbst edlen Geiste, und ist sein höchster Genuß. Ein solches Gemüth soll¬ te ungern vernehmen, daß die Erschütterungen, die die Zeiten herbei geführt haben, benuzt werden, um eine alte ehrwürdige Nation, den
Stamm
daß ihr eine neue und eigenthuͤmliche Anſicht des Weltganzen aufgegangen ſey, und daß ſie feſten Willen habe, und eiſerne Kraft, dieſe ihre Anſicht einzufuͤhren in die Wirklichkeit? Aber es iſt ſchlechthin unmoͤglich, daß ein ſol¬ ches Gemuͤth nicht auch außer ſich, an Voͤl¬ kern und Einzelnen, ehre, was in ſeinem In¬ nern ſeine eigne Groͤße ausmacht, die Selbſt¬ ſtaͤndigkeit, die Feſtigkeit, die Eigenthuͤmlich¬ keil des Daſeyns. So gewiß es ſich in ſeiner Groͤße fuͤhlt, und derſelben vertraut, ver¬ ſchmaͤht es uͤber armſeeligen Knechtsſinn zu herrſchen, und groß zu ſeyn unter Zwergen; es verſchmaͤht den Gedanken, daß es die Menſchen erſt herabwuͤrdigen muͤſſe, um uͤber ſie zu gebieten: es iſt gedruͤckt durch den Anblik des daſſelbe umgebenden Verderbens, es thut ihm weh, die Menſchen nicht achten zu koͤnnen; Alles aber, was ſein verbruͤdertes Geſchlecht erhebt, veredelt, in ein wuͤrdigeres Licht ſezt, thut wohl ſeinem ſelbſt edlen Geiſte, und iſt ſein hoͤchſter Genuß. Ein ſolches Gemuͤth ſoll¬ te ungern vernehmen, daß die Erſchuͤtterungen, die die Zeiten herbei gefuͤhrt haben, benuzt werden, um eine alte ehrwuͤrdige Nation, den
Stamm
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daß ihr eine neue und eigenthuͤmliche Anſicht
des Weltganzen aufgegangen ſey, und daß ſie
feſten Willen habe, und eiſerne Kraft, dieſe
ihre Anſicht einzufuͤhren in die Wirklichkeit?
Aber es iſt ſchlechthin unmoͤglich, daß ein ſol¬
ches Gemuͤth nicht auch außer ſich, an Voͤl¬
kern und Einzelnen, ehre, was in ſeinem In¬
nern ſeine eigne Groͤße ausmacht, die Selbſt¬
ſtaͤndigkeit, die Feſtigkeit, die Eigenthuͤmlich¬
keil des Daſeyns. So gewiß es ſich in ſeiner
Groͤße fuͤhlt, und derſelben vertraut, ver¬
ſchmaͤht es uͤber armſeeligen Knechtsſinn zu
herrſchen, und groß zu ſeyn unter Zwergen;
es verſchmaͤht den Gedanken, daß es die
Menſchen erſt herabwuͤrdigen muͤſſe, um uͤber
ſie zu gebieten: es iſt gedruͤckt durch den Anblik
des daſſelbe umgebenden Verderbens, es thut
ihm weh, die Menſchen nicht achten zu koͤnnen;
Alles aber, was ſein verbruͤdertes Geſchlecht
erhebt, veredelt, in ein wuͤrdigeres Licht ſezt,
thut wohl ſeinem ſelbſt edlen Geiſte, und iſt
ſein hoͤchſter Genuß. Ein ſolches Gemuͤth ſoll¬
te ungern vernehmen, daß die Erſchuͤtterungen,
die die Zeiten herbei gefuͤhrt haben, benuzt
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/406>, abgerufen am 22.11.2024.
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