herausrisse. Auf diese Weise gewöhnt man sich sogar an Sklaverei, wenn nur unsre sinn¬ liche Fortdauer dabei ungekränkt bleibt, und gewinnt sie mit der Zeit lieb; und dies ist eben das gefährlichste an der Unterworfenheit, daß sie für alle wahre Ehre abstumpft, und sodann ihre sehr erfreuliche Seite hat für den Trägen, indem sie ihn mancher Sorge und manches Selbstdenkens überhebt.
Laßt uns auf der Hut seyn gegen diese Ueberraschung der Süßigkeit des Dienens, denn diese raubt sogar unsern Nachkommen die Hoffnung künftiger Befreiung. Wird unser äußeres Wirken in hemmende Fesseln geschla¬ gen, laßt uns desto kühner unsern Geist erhe¬ ben zum Gedanken der Freiheit, zum Leben in diesem Gedanken, zum Wünschen und Begehren nur dieses einigen. Laßt die Freiheit auf eini¬ ge Zeit verschwinden aus der sichtbaren Welt; geben wir ihr eine Zuflucht im innersten unsrer Gedanken, so lange, bis um uns herum die neue Welt emporwachse, die da Kraft habe, diese Gedanken auch äußerlich darzustellen. Machen wir uns mit demjenigen, was ohne Zweifel unserm Ermessen frei bleiben muß, mit
herausriſſe. Auf dieſe Weiſe gewoͤhnt man ſich ſogar an Sklaverei, wenn nur unſre ſinn¬ liche Fortdauer dabei ungekraͤnkt bleibt, und gewinnt ſie mit der Zeit lieb; und dies iſt eben das gefaͤhrlichſte an der Unterworfenheit, daß ſie fuͤr alle wahre Ehre abſtumpft, und ſodann ihre ſehr erfreuliche Seite hat fuͤr den Traͤgen, indem ſie ihn mancher Sorge und manches Selbſtdenkens uͤberhebt.
Laßt uns auf der Hut ſeyn gegen dieſe Ueberraſchung der Suͤßigkeit des Dienens, denn dieſe raubt ſogar unſern Nachkommen die Hoffnung kuͤnftiger Befreiung. Wird unſer aͤußeres Wirken in hemmende Feſſeln geſchla¬ gen, laßt uns deſto kuͤhner unſern Geiſt erhe¬ ben zum Gedanken der Freiheit, zum Leben in dieſem Gedanken, zum Wuͤnſchen und Begehren nur dieſes einigen. Laßt die Freiheit auf eini¬ ge Zeit verſchwinden aus der ſichtbaren Welt; geben wir ihr eine Zuflucht im innerſten unſrer Gedanken, ſo lange, bis um uns herum die neue Welt emporwachſe, die da Kraft habe, dieſe Gedanken auch aͤußerlich darzuſtellen. Machen wir uns mit demjenigen, was ohne Zweifel unſerm Ermeſſen frei bleiben muß, mit
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herausriſſe. Auf dieſe Weiſe gewoͤhnt man
ſich ſogar an Sklaverei, wenn nur unſre ſinn¬
liche Fortdauer dabei ungekraͤnkt bleibt, und
gewinnt ſie mit der Zeit lieb; und dies iſt
eben das gefaͤhrlichſte an der Unterworfenheit,
daß ſie fuͤr alle wahre Ehre abſtumpft, und
ſodann ihre ſehr erfreuliche Seite hat fuͤr den
Traͤgen, indem ſie ihn mancher Sorge und
manches Selbſtdenkens uͤberhebt.
Laßt uns auf der Hut ſeyn gegen dieſe
Ueberraſchung der Suͤßigkeit des Dienens,
denn dieſe raubt ſogar unſern Nachkommen die
Hoffnung kuͤnftiger Befreiung. Wird unſer
aͤußeres Wirken in hemmende Feſſeln geſchla¬
gen, laßt uns deſto kuͤhner unſern Geiſt erhe¬
ben zum Gedanken der Freiheit, zum Leben in
dieſem Gedanken, zum Wuͤnſchen und Begehren
nur dieſes einigen. Laßt die Freiheit auf eini¬
ge Zeit verſchwinden aus der ſichtbaren Welt;
geben wir ihr eine Zuflucht im innerſten unſrer
Gedanken, ſo lange, bis um uns herum die
neue Welt emporwachſe, die da Kraft habe,
dieſe Gedanken auch aͤußerlich darzuſtellen.
Machen wir uns mit demjenigen, was ohne
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/386>, abgerufen am 24.11.2024.
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