solchen Ordnung der Dinge hege, sondern das vorhandene als das ganz natürliche, und das einzig mögliche ansehe? Würden nicht diese eine andere Welt in Busen tragenden gar bald irre werden, und würde so nicht die neue Bil¬ dung eben so unnütz für die Verbesserung des wirklichen Lebens verhallen, wie die bisherige Bildung verhallt ist?
Geht die Mehrheit in ihrer bisherigen Un¬ achtsamkeit, Gedankenlosigkeit und Zerstreut¬ heit so ferner hin, so ist gerade dieses, als das nothwendig sich ergebende, zu erwarten. Wer sich, ohne Aufmerksamkeit auf sich selbst, gehen läßt, und von den Umständen sich ge¬ stalten, wie sie wollen, der gewöhnt sich bald an jede mögliche Ordnung der Dinge. So sehr auch sein Auge durch etwas beleidiget werden mochte, als er es das erstemal erblikte, laßt es nur täglich auf dieselbe Weise wiederkehren, so gewöhnt er sich daran, und findet es später¬ hin natürlich, und als eben so seyn müssend, gewinnt es zulezt gar lieb, und es würde ihm mit der Herstellung des erstern bessern Zustan¬ des wenig gedient seyn, weil dieser ihn aus seiner nun einmal gewohnten Weise zu seyn
ſolchen Ordnung der Dinge hege, ſondern das vorhandene als das ganz natuͤrliche, und das einzig moͤgliche anſehe? Wuͤrden nicht dieſe eine andere Welt in Buſen tragenden gar bald irre werden, und wuͤrde ſo nicht die neue Bil¬ dung eben ſo unnuͤtz fuͤr die Verbeſſerung des wirklichen Lebens verhallen, wie die bisherige Bildung verhallt iſt?
Geht die Mehrheit in ihrer bisherigen Un¬ achtſamkeit, Gedankenloſigkeit und Zerſtreut¬ heit ſo ferner hin, ſo iſt gerade dieſes, als das nothwendig ſich ergebende, zu erwarten. Wer ſich, ohne Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt, gehen laͤßt, und von den Umſtaͤnden ſich ge¬ ſtalten, wie ſie wollen, der gewoͤhnt ſich bald an jede moͤgliche Ordnung der Dinge. So ſehr auch ſein Auge durch etwas beleidiget werden mochte, als er es das erſtemal erblikte, laßt es nur taͤglich auf dieſelbe Weiſe wiederkehren, ſo gewoͤhnt er ſich daran, und findet es ſpaͤter¬ hin natuͤrlich, und als eben ſo ſeyn muͤſſend, gewinnt es zulezt gar lieb, und es wuͤrde ihm mit der Herſtellung des erſtern beſſern Zuſtan¬ des wenig gedient ſeyn, weil dieſer ihn aus ſeiner nun einmal gewohnten Weiſe zu ſeyn
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ſolchen Ordnung der Dinge hege, ſondern das
vorhandene als das ganz natuͤrliche, und das
einzig moͤgliche anſehe? Wuͤrden nicht dieſe
eine andere Welt in Buſen tragenden gar bald
irre werden, und wuͤrde ſo nicht die neue Bil¬
dung eben ſo unnuͤtz fuͤr die Verbeſſerung des
wirklichen Lebens verhallen, wie die bisherige
Bildung verhallt iſt?
Geht die Mehrheit in ihrer bisherigen Un¬
achtſamkeit, Gedankenloſigkeit und Zerſtreut¬
heit ſo ferner hin, ſo iſt gerade dieſes, als
das nothwendig ſich ergebende, zu erwarten.
Wer ſich, ohne Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt,
gehen laͤßt, und von den Umſtaͤnden ſich ge¬
ſtalten, wie ſie wollen, der gewoͤhnt ſich bald
an jede moͤgliche Ordnung der Dinge. So ſehr
auch ſein Auge durch etwas beleidiget werden
mochte, als er es das erſtemal erblikte, laßt
es nur taͤglich auf dieſelbe Weiſe wiederkehren,
ſo gewoͤhnt er ſich daran, und findet es ſpaͤter¬
hin natuͤrlich, und als eben ſo ſeyn muͤſſend,
gewinnt es zulezt gar lieb, und es wuͤrde ihm
mit der Herſtellung des erſtern beſſern Zuſtan¬
des wenig gedient ſeyn, weil dieſer ihn aus
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/385>, abgerufen am 24.11.2024.
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