Freunde, und gleichsam Gewissens-Rathe. Bei diesem suche es Rath, in allen Fällen, wo es ihm schwer wird, recht zu thun; er helfe ihm durch freundliche Zusprache nach; er sey der Vertraute der freiwilligen Leistungen, die es übernimmt; und er sey endlich derjenige, der das trefliche mit seinem Beifalle krönt. In den Personen dieser Gewissensräthe nun müßte die Erziehung, jedem einzelnen nach seiner Weise, folgegemäß zu immer größerer Stärke in der Selbstüberwindung, und Selbstbeherr¬ schung, emporhelfen; und so wird allmählig Festigkeit, und Selbstständigkeit entstehen, durch deren Erzeugung die Erziehung sich selbst abschließt, und für die Zukunft aufhebt. Durch eignes Thun und Handeln schließt sich uns am klärsten der Umfang der sittlichen Welt auf, und wem sie also aufgegangen ist, dem ist sie wahrhaftig aufgegangen. Ein solcher weiß nun selbst, was in ihr enthalten ist, und be¬ darf keines fremden Zeugnisses mehr über sich, sondern vermag es, selbst ein richtiges Ge¬ richt über sich zu halten, und ist von nun an mündig.
Wir haben durch das so eben gesagte, eine
Freunde, und gleichſam Gewiſſens-Rathe. Bei dieſem ſuche es Rath, in allen Faͤllen, wo es ihm ſchwer wird, recht zu thun; er helfe ihm durch freundliche Zuſprache nach; er ſey der Vertraute der freiwilligen Leiſtungen, die es uͤbernimmt; und er ſey endlich derjenige, der das trefliche mit ſeinem Beifalle kroͤnt. In den Perſonen dieſer Gewiſſensraͤthe nun muͤßte die Erziehung, jedem einzelnen nach ſeiner Weiſe, folgegemaͤß zu immer groͤßerer Staͤrke in der Selbſtuͤberwindung, und Selbſtbeherr¬ ſchung, emporhelfen; und ſo wird allmaͤhlig Feſtigkeit, und Selbſtſtaͤndigkeit entſtehen, durch deren Erzeugung die Erziehung ſich ſelbſt abſchließt, und fuͤr die Zukunft aufhebt. Durch eignes Thun und Handeln ſchließt ſich uns am klaͤrſten der Umfang der ſittlichen Welt auf, und wem ſie alſo aufgegangen iſt, dem iſt ſie wahrhaftig aufgegangen. Ein ſolcher weiß nun ſelbſt, was in ihr enthalten iſt, und be¬ darf keines fremden Zeugniſſes mehr uͤber ſich, ſondern vermag es, ſelbſt ein richtiges Ge¬ richt uͤber ſich zu halten, und iſt von nun an muͤndig.
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Freunde, und gleichſam Gewiſſens-Rathe.
Bei dieſem ſuche es Rath, in allen Faͤllen, wo
es ihm ſchwer wird, recht zu thun; er helfe
ihm durch freundliche Zuſprache nach; er ſey
der Vertraute der freiwilligen Leiſtungen, die
es uͤbernimmt; und er ſey endlich derjenige, der
das trefliche mit ſeinem Beifalle kroͤnt. In
den Perſonen dieſer Gewiſſensraͤthe nun muͤßte
die Erziehung, jedem einzelnen nach ſeiner
Weiſe, folgegemaͤß zu immer groͤßerer Staͤrke
in der Selbſtuͤberwindung, und Selbſtbeherr¬
ſchung, emporhelfen; und ſo wird allmaͤhlig
Feſtigkeit, und Selbſtſtaͤndigkeit entſtehen,
durch deren Erzeugung die Erziehung ſich ſelbſt
abſchließt, und fuͤr die Zukunft aufhebt. Durch
eignes Thun und Handeln ſchließt ſich uns
am klaͤrſten der Umfang der ſittlichen Welt auf,
und wem ſie alſo aufgegangen iſt, dem iſt ſie
wahrhaftig aufgegangen. Ein ſolcher weiß
nun ſelbſt, was in ihr enthalten iſt, und be¬
darf keines fremden Zeugniſſes mehr uͤber ſich,
ſondern vermag es, ſelbſt ein richtiges Ge¬
richt uͤber ſich zu halten, und iſt von nun an
muͤndig.
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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