Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Freunde, und gleichsam Gewissens-Rathe.
Bei diesem suche es Rath, in allen Fällen, wo
es ihm schwer wird, recht zu thun; er helfe
ihm durch freundliche Zusprache nach; er sey
der Vertraute der freiwilligen Leistungen, die
es übernimmt; und er sey endlich derjenige, der
das trefliche mit seinem Beifalle krönt. In
den Personen dieser Gewissensräthe nun müßte
die Erziehung, jedem einzelnen nach seiner
Weise, folgegemäß zu immer größerer Stärke
in der Selbstüberwindung, und Selbstbeherr¬
schung, emporhelfen; und so wird allmählig
Festigkeit, und Selbstständigkeit entstehen,
durch deren Erzeugung die Erziehung sich selbst
abschließt, und für die Zukunft aufhebt. Durch
eignes Thun und Handeln schließt sich uns
am klärsten der Umfang der sittlichen Welt auf,
und wem sie also aufgegangen ist, dem ist sie
wahrhaftig aufgegangen. Ein solcher weiß
nun selbst, was in ihr enthalten ist, und be¬
darf keines fremden Zeugnisses mehr über sich,
sondern vermag es, selbst ein richtiges Ge¬
richt über sich zu halten, und ist von nun an
mündig.

Wir haben durch das so eben gesagte, eine

Freunde, und gleichſam Gewiſſens-Rathe.
Bei dieſem ſuche es Rath, in allen Faͤllen, wo
es ihm ſchwer wird, recht zu thun; er helfe
ihm durch freundliche Zuſprache nach; er ſey
der Vertraute der freiwilligen Leiſtungen, die
es uͤbernimmt; und er ſey endlich derjenige, der
das trefliche mit ſeinem Beifalle kroͤnt. In
den Perſonen dieſer Gewiſſensraͤthe nun muͤßte
die Erziehung, jedem einzelnen nach ſeiner
Weiſe, folgegemaͤß zu immer groͤßerer Staͤrke
in der Selbſtuͤberwindung, und Selbſtbeherr¬
ſchung, emporhelfen; und ſo wird allmaͤhlig
Feſtigkeit, und Selbſtſtaͤndigkeit entſtehen,
durch deren Erzeugung die Erziehung ſich ſelbſt
abſchließt, und fuͤr die Zukunft aufhebt. Durch
eignes Thun und Handeln ſchließt ſich uns
am klaͤrſten der Umfang der ſittlichen Welt auf,
und wem ſie alſo aufgegangen iſt, dem iſt ſie
wahrhaftig aufgegangen. Ein ſolcher weiß
nun ſelbſt, was in ihr enthalten iſt, und be¬
darf keines fremden Zeugniſſes mehr uͤber ſich,
ſondern vermag es, ſelbſt ein richtiges Ge¬
richt uͤber ſich zu halten, und iſt von nun an
muͤndig.

Wir haben durch das ſo eben geſagte, eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0332" n="326"/>
Freunde, und gleich&#x017F;am Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Rathe.<lb/>
Bei die&#x017F;em &#x017F;uche es Rath, in allen Fa&#x0364;llen, wo<lb/>
es ihm &#x017F;chwer wird, recht zu thun; er helfe<lb/>
ihm durch freundliche Zu&#x017F;prache nach; er &#x017F;ey<lb/>
der Vertraute der freiwilligen Lei&#x017F;tungen, die<lb/>
es u&#x0364;bernimmt; und er &#x017F;ey endlich derjenige, der<lb/>
das trefliche mit &#x017F;einem Beifalle kro&#x0364;nt. In<lb/>
den Per&#x017F;onen die&#x017F;er Gewi&#x017F;&#x017F;ensra&#x0364;the nun mu&#x0364;ßte<lb/>
die Erziehung, jedem einzelnen nach &#x017F;einer<lb/>
Wei&#x017F;e, folgegema&#x0364;ß zu immer gro&#x0364;ßerer Sta&#x0364;rke<lb/>
in der Selb&#x017F;tu&#x0364;berwindung, und Selb&#x017F;tbeherr¬<lb/>
&#x017F;chung, emporhelfen; und &#x017F;o wird allma&#x0364;hlig<lb/>
Fe&#x017F;tigkeit, und Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit ent&#x017F;tehen,<lb/>
durch deren Erzeugung die Erziehung &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ab&#x017F;chließt, und fu&#x0364;r die Zukunft aufhebt. Durch<lb/>
eignes Thun und Handeln &#x017F;chließt &#x017F;ich uns<lb/>
am kla&#x0364;r&#x017F;ten der Umfang der &#x017F;ittlichen Welt auf,<lb/>
und wem &#x017F;ie al&#x017F;o aufgegangen i&#x017F;t, dem i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
wahrhaftig aufgegangen. Ein &#x017F;olcher weiß<lb/>
nun &#x017F;elb&#x017F;t, was in ihr enthalten i&#x017F;t, und be¬<lb/>
darf keines fremden Zeugni&#x017F;&#x017F;es mehr u&#x0364;ber &#x017F;ich,<lb/>
&#x017F;ondern vermag es, &#x017F;elb&#x017F;t ein richtiges Ge¬<lb/>
richt u&#x0364;ber &#x017F;ich zu halten, und i&#x017F;t von nun an<lb/>
mu&#x0364;ndig.</p><lb/>
        <p>Wir haben durch das &#x017F;o eben ge&#x017F;agte, eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0332] Freunde, und gleichſam Gewiſſens-Rathe. Bei dieſem ſuche es Rath, in allen Faͤllen, wo es ihm ſchwer wird, recht zu thun; er helfe ihm durch freundliche Zuſprache nach; er ſey der Vertraute der freiwilligen Leiſtungen, die es uͤbernimmt; und er ſey endlich derjenige, der das trefliche mit ſeinem Beifalle kroͤnt. In den Perſonen dieſer Gewiſſensraͤthe nun muͤßte die Erziehung, jedem einzelnen nach ſeiner Weiſe, folgegemaͤß zu immer groͤßerer Staͤrke in der Selbſtuͤberwindung, und Selbſtbeherr¬ ſchung, emporhelfen; und ſo wird allmaͤhlig Feſtigkeit, und Selbſtſtaͤndigkeit entſtehen, durch deren Erzeugung die Erziehung ſich ſelbſt abſchließt, und fuͤr die Zukunft aufhebt. Durch eignes Thun und Handeln ſchließt ſich uns am klaͤrſten der Umfang der ſittlichen Welt auf, und wem ſie alſo aufgegangen iſt, dem iſt ſie wahrhaftig aufgegangen. Ein ſolcher weiß nun ſelbſt, was in ihr enthalten iſt, und be¬ darf keines fremden Zeugniſſes mehr uͤber ſich, ſondern vermag es, ſelbſt ein richtiges Ge¬ richt uͤber ſich zu halten, und iſt von nun an muͤndig. Wir haben durch das ſo eben geſagte, eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/332
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/332>, abgerufen am 15.05.2024.