selben eine sittliche Triebfeder einpflanze, grün¬ det sich auf eine sehr oberflächliche Beobach¬ tung, und ist durchaus falsch. Da aus nichts sich nicht etwas machen läßt, die noch so weit fortgesezte Entwiklung eines Grundtriebes aber ihn doch niemals zu dem Gegentheile von sich selbst machen kann; wie sollte doch die Erzie¬ hung vermögen, jemals Sittlichkeit in das Kind hineinzubringen, wenn diese nicht ursprüng¬ lich, und vor aller Erziehung vorher in dem¬ selben wäre? So ist sie es denn auch wirklich, in allen menschlichen Kindern, die zur Welt ge¬ bohren werden; die Aufgabe ist bloß die ur¬ sprünglichste, und reinste Gestalt, in der sie zum Vorschein kommt, zu ergründen.
Durchgeführte Spekulation sowohl, als die gesammte Beobachtung stimmen überein, daß diese ursprünglichste, und reinste Gestalt der Trieb nach Achtung sey, und daß diesem Triebe erst das sittliche, als einzig möglicher Gegen¬ stand der Achtung, das Rechte, und Gute, die Wahrhaftigkeit, die Kraft der Selbstbeherr¬ schung, in der Erkenntniß aufgehe. Beim Kinde zeigt sich dieser Trieb zuerst als Trieb auch geachtet zu werden, von dem, was ihm
ſelben eine ſittliche Triebfeder einpflanze, gruͤn¬ det ſich auf eine ſehr oberflaͤchliche Beobach¬ tung, und iſt durchaus falſch. Da aus nichts ſich nicht etwas machen laͤßt, die noch ſo weit fortgeſezte Entwiklung eines Grundtriebes aber ihn doch niemals zu dem Gegentheile von ſich ſelbſt machen kann; wie ſollte doch die Erzie¬ hung vermoͤgen, jemals Sittlichkeit in das Kind hineinzubringen, wenn dieſe nicht urſpruͤng¬ lich, und vor aller Erziehung vorher in dem¬ ſelben waͤre? So iſt ſie es denn auch wirklich, in allen menſchlichen Kindern, die zur Welt ge¬ bohren werden; die Aufgabe iſt bloß die ur¬ ſpruͤnglichſte, und reinſte Geſtalt, in der ſie zum Vorſchein kommt, zu ergruͤnden.
Durchgefuͤhrte Spekulation ſowohl, als die geſammte Beobachtung ſtimmen uͤberein, daß dieſe urſpruͤnglichſte, und reinſte Geſtalt der Trieb nach Achtung ſey, und daß dieſem Triebe erſt das ſittliche, als einzig moͤglicher Gegen¬ ſtand der Achtung, das Rechte, und Gute, die Wahrhaftigkeit, die Kraft der Selbſtbeherr¬ ſchung, in der Erkenntniß aufgehe. Beim Kinde zeigt ſich dieſer Trieb zuerſt als Trieb auch geachtet zu werden, von dem, was ihm
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ſelben eine ſittliche Triebfeder einpflanze, gruͤn¬
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tung, und iſt durchaus falſch. Da aus nichts
ſich nicht etwas machen laͤßt, die noch ſo weit
fortgeſezte Entwiklung eines Grundtriebes aber
ihn doch niemals zu dem Gegentheile von ſich
ſelbſt machen kann; wie ſollte doch die Erzie¬
hung vermoͤgen, jemals Sittlichkeit in das Kind
hineinzubringen, wenn dieſe nicht urſpruͤng¬
lich, und vor aller Erziehung vorher in dem¬
ſelben waͤre? So iſt ſie es denn auch wirklich,
in allen menſchlichen Kindern, die zur Welt ge¬
bohren werden; die Aufgabe iſt bloß die ur¬
ſpruͤnglichſte, und reinſte Geſtalt, in der ſie
zum Vorſchein kommt, zu ergruͤnden.
Durchgefuͤhrte Spekulation ſowohl, als die
geſammte Beobachtung ſtimmen uͤberein, daß
dieſe urſpruͤnglichſte, und reinſte Geſtalt der
Trieb nach Achtung ſey, und daß dieſem Triebe
erſt das ſittliche, als einzig moͤglicher Gegen¬
ſtand der Achtung, das Rechte, und Gute,
die Wahrhaftigkeit, die Kraft der Selbſtbeherr¬
ſchung, in der Erkenntniß aufgehe. Beim
Kinde zeigt ſich dieſer Trieb zuerſt als Trieb
auch geachtet zu werden, von dem, was ihm
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/323>, abgerufen am 27.11.2024.
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