die höchste Achtung einstößt; und es richtet sich dieser Trieb, zum sichern Beweise, daß keines¬ weges aus der Selbstsucht die Liebe stamme, in der Regel weit stärker, und entschiedener auf den ernsteren, öfter abwesenden, und nicht un¬ mittelbar als Wohlthäter erscheinenden Vater, denn auf die mit ihrer Wohlthätigkeit stets gegenwärtige Mutter. Von diesem will das Kind bemerkt seyn, es will seinen Beifall ha¬ ben; nur inwiefern dieser mit ihm zufrieden ist, ist es selbst mit sich zufrieden: dies ist die natürliche Liebe des Kindes zum Vater; keines¬ weges als zum Pfleger seines sinnlichen Wohl¬ seyns, sondern als zu dem Spiegel, aus wel¬ chem ihm sein eigner Werth oder Unwerth ent¬ gegenstralt; an diese Liebe kann nun der Va¬ ter selbst schweren Gehorsam, und jede Selbst¬ verläugnung leicht anknüpfen; für den Lohn seines herzlichen Beifalls gehorcht es mit Freu¬ den. Wiederum ist dies die Liebe, die es vom Vater begehrt, daß dieser bemerke sein Bestre¬ ben, gut zu seyn, und es anerkenne, daß er sich merken lasse, es mache ihm Freude, wenn er bil¬ ligen könne, und thue ihm herzlich wehe, wenn er mißbilligen müsse, er wünsche nichts mehr,
die hoͤchſte Achtung einſtoͤßt; und es richtet ſich dieſer Trieb, zum ſichern Beweiſe, daß keines¬ weges aus der Selbſtſucht die Liebe ſtamme, in der Regel weit ſtaͤrker, und entſchiedener auf den ernſteren, oͤfter abweſenden, und nicht un¬ mittelbar als Wohlthaͤter erſcheinenden Vater, denn auf die mit ihrer Wohlthaͤtigkeit ſtets gegenwaͤrtige Mutter. Von dieſem will das Kind bemerkt ſeyn, es will ſeinen Beifall ha¬ ben; nur inwiefern dieſer mit ihm zufrieden iſt, iſt es ſelbſt mit ſich zufrieden: dies iſt die natuͤrliche Liebe des Kindes zum Vater; keines¬ weges als zum Pfleger ſeines ſinnlichen Wohl¬ ſeyns, ſondern als zu dem Spiegel, aus wel¬ chem ihm ſein eigner Werth oder Unwerth ent¬ gegenſtralt; an dieſe Liebe kann nun der Va¬ ter ſelbſt ſchweren Gehorſam, und jede Selbſt¬ verlaͤugnung leicht anknuͤpfen; fuͤr den Lohn ſeines herzlichen Beifalls gehorcht es mit Freu¬ den. Wiederum iſt dies die Liebe, die es vom Vater begehrt, daß dieſer bemerke ſein Beſtre¬ ben, gut zu ſeyn, und es anerkenne, daß er ſich merken laſſe, es mache ihm Freude, wenn er bil¬ ligen koͤnne, und thue ihm herzlich wehe, wenn er mißbilligen muͤſſe, er wuͤnſche nichts mehr,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0324"n="318"/>
die hoͤchſte Achtung einſtoͤßt; und es richtet ſich<lb/>
dieſer Trieb, zum ſichern Beweiſe, daß keines¬<lb/>
weges aus der Selbſtſucht die Liebe ſtamme, in<lb/>
der Regel weit ſtaͤrker, und entſchiedener auf<lb/>
den ernſteren, oͤfter abweſenden, und nicht un¬<lb/>
mittelbar als Wohlthaͤter erſcheinenden Vater,<lb/>
denn auf die mit ihrer Wohlthaͤtigkeit ſtets<lb/>
gegenwaͤrtige Mutter. Von dieſem will das<lb/>
Kind bemerkt ſeyn, es will ſeinen Beifall ha¬<lb/>
ben; nur inwiefern dieſer mit ihm zufrieden<lb/>
iſt, iſt es ſelbſt mit ſich zufrieden: dies iſt die<lb/>
natuͤrliche Liebe des Kindes zum Vater; keines¬<lb/>
weges als zum Pfleger ſeines ſinnlichen Wohl¬<lb/>ſeyns, ſondern als zu dem Spiegel, aus wel¬<lb/>
chem ihm ſein eigner Werth oder Unwerth ent¬<lb/>
gegenſtralt; an dieſe Liebe kann nun der Va¬<lb/>
ter ſelbſt ſchweren Gehorſam, und jede Selbſt¬<lb/>
verlaͤugnung leicht anknuͤpfen; fuͤr den Lohn<lb/>ſeines herzlichen Beifalls gehorcht es mit Freu¬<lb/>
den. Wiederum iſt dies die Liebe, die es vom<lb/>
Vater begehrt, daß dieſer bemerke ſein Beſtre¬<lb/>
ben, gut zu ſeyn, und es anerkenne, daß er ſich<lb/>
merken laſſe, es mache ihm Freude, wenn er bil¬<lb/>
ligen koͤnne, und thue ihm herzlich wehe, wenn<lb/>
er mißbilligen muͤſſe, er wuͤnſche nichts mehr,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[318/0324]
die hoͤchſte Achtung einſtoͤßt; und es richtet ſich
dieſer Trieb, zum ſichern Beweiſe, daß keines¬
weges aus der Selbſtſucht die Liebe ſtamme, in
der Regel weit ſtaͤrker, und entſchiedener auf
den ernſteren, oͤfter abweſenden, und nicht un¬
mittelbar als Wohlthaͤter erſcheinenden Vater,
denn auf die mit ihrer Wohlthaͤtigkeit ſtets
gegenwaͤrtige Mutter. Von dieſem will das
Kind bemerkt ſeyn, es will ſeinen Beifall ha¬
ben; nur inwiefern dieſer mit ihm zufrieden
iſt, iſt es ſelbſt mit ſich zufrieden: dies iſt die
natuͤrliche Liebe des Kindes zum Vater; keines¬
weges als zum Pfleger ſeines ſinnlichen Wohl¬
ſeyns, ſondern als zu dem Spiegel, aus wel¬
chem ihm ſein eigner Werth oder Unwerth ent¬
gegenſtralt; an dieſe Liebe kann nun der Va¬
ter ſelbſt ſchweren Gehorſam, und jede Selbſt¬
verlaͤugnung leicht anknuͤpfen; fuͤr den Lohn
ſeines herzlichen Beifalls gehorcht es mit Freu¬
den. Wiederum iſt dies die Liebe, die es vom
Vater begehrt, daß dieſer bemerke ſein Beſtre¬
ben, gut zu ſeyn, und es anerkenne, daß er ſich
merken laſſe, es mache ihm Freude, wenn er bil¬
ligen koͤnne, und thue ihm herzlich wehe, wenn
er mißbilligen muͤſſe, er wuͤnſche nichts mehr,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/324>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.