bloß die Gelehrten-Erziehung zu verbessern, und die von uns beabsichtigte National-Erzie¬ hung zunächst nicht darauf ausgeht, Gelehrte, sondern eben Menschen zu bilden, so ist klar, daß neben jener ersten auch die Entwiklung der zweiten Liebe unerläßliche Pflicht dieser Er¬ ziehung ist.
Pestalozzi redet *)von diesem Gegenstande mit herzerhebender Begeisterung; dennoch aber müssen wir bekennen, daß alles dieses uns nicht im mindesten klar geschienen hat, und am allerwenigsten so klar, daß es einer kunst¬ mäßigen Entwiklung jener Liebe zur Grundlage dienen könne. Es ist darum nöthig, daß wir unsre eigenen Gedanken zu einer solchen Grund¬ lage mittheilen.
Die gewöhnliche Annahme, daß der Mensch von Natur selbstsüchtig sey, und auch das Kind mit dieser Selbstsucht gebohren werde, und daß es allein die Erziehung sey, die dem¬
*)Ansichten, Erfahrungen und Mittel zur Beförderung einer der Menschen¬ natur angemessenen Erziehungsweise. Leipzig 1807, bei Gräff.
bloß die Gelehrten-Erziehung zu verbeſſern, und die von uns beabſichtigte National-Erzie¬ hung zunaͤchſt nicht darauf ausgeht, Gelehrte, ſondern eben Menſchen zu bilden, ſo iſt klar, daß neben jener erſten auch die Entwiklung der zweiten Liebe unerlaͤßliche Pflicht dieſer Er¬ ziehung iſt.
Peſtalozzi redet *)von dieſem Gegenſtande mit herzerhebender Begeiſterung; dennoch aber muͤſſen wir bekennen, daß alles dieſes uns nicht im mindeſten klar geſchienen hat, und am allerwenigſten ſo klar, daß es einer kunſt¬ maͤßigen Entwiklung jener Liebe zur Grundlage dienen koͤnne. Es iſt darum noͤthig, daß wir unſre eigenen Gedanken zu einer ſolchen Grund¬ lage mittheilen.
Die gewoͤhnliche Annahme, daß der Menſch von Natur ſelbſtſuͤchtig ſey, und auch das Kind mit dieſer Selbſtſucht gebohren werde, und daß es allein die Erziehung ſey, die dem¬
*)Anſichten, Erfahrungen und Mittel zur Befoͤrderung einer der Menſchen¬ natur angemeſſenen Erziehungsweiſe. Leipzig 1807, bei Graͤff.
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bloß die Gelehrten-Erziehung zu verbeſſern,
und die von uns beabſichtigte National-Erzie¬
hung zunaͤchſt nicht darauf ausgeht, Gelehrte,
ſondern eben Menſchen zu bilden, ſo iſt klar,
daß neben jener erſten auch die Entwiklung der
zweiten Liebe unerlaͤßliche Pflicht dieſer Er¬
ziehung iſt.
Peſtalozzi redet *)von dieſem Gegenſtande
mit herzerhebender Begeiſterung; dennoch aber
muͤſſen wir bekennen, daß alles dieſes uns nicht
im mindeſten klar geſchienen hat, und am
allerwenigſten ſo klar, daß es einer kunſt¬
maͤßigen Entwiklung jener Liebe zur Grundlage
dienen koͤnne. Es iſt darum noͤthig, daß wir
unſre eigenen Gedanken zu einer ſolchen Grund¬
lage mittheilen.
Die gewoͤhnliche Annahme, daß der Menſch
von Natur ſelbſtſuͤchtig ſey, und auch das
Kind mit dieſer Selbſtſucht gebohren werde,
und daß es allein die Erziehung ſey, die dem¬
*) Anſichten, Erfahrungen und Mittel
zur Befoͤrderung einer der Menſchen¬
natur angemeſſenen Erziehungsweiſe.
Leipzig 1807, bei Graͤff.
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/322>, abgerufen am 23.11.2024.
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