zuerst gelernt zu haben, denselben zu gebrau¬ chen? Jene Kenntniß ist keine Erkenntniß, son¬ dern ein bloßes Auswendiglernen von willkühr¬ lichen Wortzeichen, das durch die Ueberschäz¬ zung des Redens herbei geführt wird. Die wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬ kenntniß wäre, um es in der Pestalozzischen Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬ dungen. Wie das Kind anfängt, Sprachtöne zu vernehmen, und selbst nothdürftig zu bilden, müßte es geleitet werden, sich vollkommen deut¬ lich zu machen, ob es hungere, oder schläfrig sey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke bezeichnete ihm gegenwärtige Empfindung sehe, oder ob es vielmehr dieselbe höre, u. s. f. oder ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die verschiedenen durch besondere Wörter bezeich¬ neten Eindrücke auf denselben Sinn, z. B die Farben, die Schalle der verschiedenen Körper u. s. f. verschieden seyen, und in welchen Ab¬ stufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬ pfindungsvermögen selbst regelmäßig entwik¬ kelnder Folge. Hiedurch erhält das Kind erst ein Ich, das es im freien, und besonnenen Begriffe absondert, und mit demselben durch¬
dringt,
zuerſt gelernt zu haben, denſelben zu gebrau¬ chen? Jene Kenntniß iſt keine Erkenntniß, ſon¬ dern ein bloßes Auswendiglernen von willkuͤhr¬ lichen Wortzeichen, das durch die Ueberſchaͤz¬ zung des Redens herbei gefuͤhrt wird. Die wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬ kenntniß waͤre, um es in der Peſtalozziſchen Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬ dungen. Wie das Kind anfaͤngt, Sprachtoͤne zu vernehmen, und ſelbſt nothduͤrftig zu bilden, muͤßte es geleitet werden, ſich vollkommen deut¬ lich zu machen, ob es hungere, oder ſchlaͤfrig ſey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke bezeichnete ihm gegenwaͤrtige Empfindung ſehe, oder ob es vielmehr dieſelbe hoͤre, u. ſ. f. oder ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die verſchiedenen durch beſondere Woͤrter bezeich¬ neten Eindruͤcke auf denſelben Sinn, z. B die Farben, die Schalle der verſchiedenen Koͤrper u. ſ. f. verſchieden ſeyen, und in welchen Ab¬ ſtufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬ pfindungsvermoͤgen ſelbſt regelmaͤßig entwik¬ kelnder Folge. Hiedurch erhaͤlt das Kind erſt ein Ich, das es im freien, und beſonnenen Begriffe abſondert, und mit demſelben durch¬
dringt,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0310"n="304"/>
zuerſt gelernt zu haben, denſelben zu gebrau¬<lb/>
chen? Jene Kenntniß iſt keine Erkenntniß, ſon¬<lb/>
dern ein bloßes Auswendiglernen von willkuͤhr¬<lb/>
lichen Wortzeichen, das durch die Ueberſchaͤz¬<lb/>
zung des Redens herbei gefuͤhrt wird. Die<lb/>
wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬<lb/>
kenntniß waͤre, um es in der Peſtalozziſchen<lb/>
Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬<lb/>
dungen. Wie das Kind anfaͤngt, Sprachtoͤne<lb/>
zu vernehmen, und ſelbſt nothduͤrftig zu bilden,<lb/>
muͤßte es geleitet werden, ſich vollkommen deut¬<lb/>
lich zu machen, ob es hungere, oder ſchlaͤfrig<lb/>ſey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke<lb/>
bezeichnete ihm gegenwaͤrtige Empfindung ſehe,<lb/>
oder ob es vielmehr dieſelbe hoͤre, u. ſ. f. oder<lb/>
ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die<lb/>
verſchiedenen durch beſondere Woͤrter bezeich¬<lb/>
neten Eindruͤcke auf denſelben Sinn, z. B die<lb/>
Farben, die Schalle der verſchiedenen Koͤrper<lb/>
u. ſ. f. verſchieden ſeyen, und in welchen Ab¬<lb/>ſtufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬<lb/>
pfindungsvermoͤgen ſelbſt regelmaͤßig entwik¬<lb/>
kelnder Folge. Hiedurch erhaͤlt das Kind erſt<lb/>
ein Ich, das es im freien, und beſonnenen<lb/>
Begriffe abſondert, und mit demſelben durch¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dringt,<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[304/0310]
zuerſt gelernt zu haben, denſelben zu gebrau¬
chen? Jene Kenntniß iſt keine Erkenntniß, ſon¬
dern ein bloßes Auswendiglernen von willkuͤhr¬
lichen Wortzeichen, das durch die Ueberſchaͤz¬
zung des Redens herbei gefuͤhrt wird. Die
wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬
kenntniß waͤre, um es in der Peſtalozziſchen
Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬
dungen. Wie das Kind anfaͤngt, Sprachtoͤne
zu vernehmen, und ſelbſt nothduͤrftig zu bilden,
muͤßte es geleitet werden, ſich vollkommen deut¬
lich zu machen, ob es hungere, oder ſchlaͤfrig
ſey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke
bezeichnete ihm gegenwaͤrtige Empfindung ſehe,
oder ob es vielmehr dieſelbe hoͤre, u. ſ. f. oder
ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die
verſchiedenen durch beſondere Woͤrter bezeich¬
neten Eindruͤcke auf denſelben Sinn, z. B die
Farben, die Schalle der verſchiedenen Koͤrper
u. ſ. f. verſchieden ſeyen, und in welchen Ab¬
ſtufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬
pfindungsvermoͤgen ſelbſt regelmaͤßig entwik¬
kelnder Folge. Hiedurch erhaͤlt das Kind erſt
ein Ich, das es im freien, und beſonnenen
Begriffe abſondert, und mit demſelben durch¬
dringt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/310>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.