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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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erlernen nicht verschmähte? Keine von allen
diesen Unwissenheiten, oder Nichtbeachtungen
ist ihnen aufzurükken. Ihre Nachkommen ha¬
ben sogar, sobald sie es ohne Verlust für ihre
Freiheit konnten, die Bildung derselben sich
angeeignet, in wie weit es ohne Verlust ihrer
Eigenthümlichkeit möglich war. Wofür haben
sie denn also mehrere Menschenalter hindurch
gekämpft im blutigen, immer mit derselben
Kraft sich wieder erneuernden Kriege? Ein
Römischer Schriftsteller läßt es ihre Anführer
also aussprechen: "ob ihnen denn etwas ande¬
"res übrig bleibe, als entweder die Freiheit
"zu behaupten, oder zu sterben, bevor sie Skla¬
"ven würden." Freiheit war ihnen, daß sie
eben Deutsche blieben, daß sie fortführen ihre
Angelegenheiten selbstständig, und ursprüng¬
lich, ihrem eignen Geiste gemäß, zu entscheiden,
und diesem gleichfalls gemäß auch in ihrer
Fortbildung vorwärts zu rükken, und daß sie
diese Selbstständigkeit auch auf ihre Nachkom¬
menschaft fortpflanzten: Sklaverei hießen ih¬
nen alle jene Segnungen, die ihnen die Rö¬
mer antrugen, weil sie dabei etwas anderes,

erlernen nicht verſchmaͤhte? Keine von allen
dieſen Unwiſſenheiten, oder Nichtbeachtungen
iſt ihnen aufzuruͤkken. Ihre Nachkommen ha¬
ben ſogar, ſobald ſie es ohne Verluſt fuͤr ihre
Freiheit konnten, die Bildung derſelben ſich
angeeignet, in wie weit es ohne Verluſt ihrer
Eigenthuͤmlichkeit moͤglich war. Wofuͤr haben
ſie denn alſo mehrere Menſchenalter hindurch
gekaͤmpft im blutigen, immer mit derſelben
Kraft ſich wieder erneuernden Kriege? Ein
Roͤmiſcher Schriftſteller laͤßt es ihre Anfuͤhrer
alſo ausſprechen: „ob ihnen denn etwas ande¬
„res uͤbrig bleibe, als entweder die Freiheit
„zu behaupten, oder zu ſterben, bevor ſie Skla¬
„ven wuͤrden.“ Freiheit war ihnen, daß ſie
eben Deutſche blieben, daß ſie fortfuͤhren ihre
Angelegenheiten ſelbſtſtaͤndig, und urſpruͤng¬
lich, ihrem eignen Geiſte gemaͤß, zu entſcheiden,
und dieſem gleichfalls gemaͤß auch in ihrer
Fortbildung vorwaͤrts zu ruͤkken, und daß ſie
dieſe Selbſtſtaͤndigkeit auch auf ihre Nachkom¬
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[267/0273] erlernen nicht verſchmaͤhte? Keine von allen dieſen Unwiſſenheiten, oder Nichtbeachtungen iſt ihnen aufzuruͤkken. Ihre Nachkommen ha¬ ben ſogar, ſobald ſie es ohne Verluſt fuͤr ihre Freiheit konnten, die Bildung derſelben ſich angeeignet, in wie weit es ohne Verluſt ihrer Eigenthuͤmlichkeit moͤglich war. Wofuͤr haben ſie denn alſo mehrere Menſchenalter hindurch gekaͤmpft im blutigen, immer mit derſelben Kraft ſich wieder erneuernden Kriege? Ein Roͤmiſcher Schriftſteller laͤßt es ihre Anfuͤhrer alſo ausſprechen: „ob ihnen denn etwas ande¬ „res uͤbrig bleibe, als entweder die Freiheit „zu behaupten, oder zu ſterben, bevor ſie Skla¬ „ven wuͤrden.“ Freiheit war ihnen, daß ſie eben Deutſche blieben, daß ſie fortfuͤhren ihre Angelegenheiten ſelbſtſtaͤndig, und urſpruͤng¬ lich, ihrem eignen Geiſte gemaͤß, zu entſcheiden, und dieſem gleichfalls gemaͤß auch in ihrer Fortbildung vorwaͤrts zu ruͤkken, und daß ſie dieſe Selbſtſtaͤndigkeit auch auf ihre Nachkom¬ menſchaft fortpflanzten: Sklaverei hießen ih¬ nen alle jene Segnungen, die ihnen die Roͤ¬ mer antrugen, weil ſie dabei etwas anderes,

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/273>, abgerufen am 25.11.2024.