gelebt wird, vermehren und verändern die Worte, und ihre Bedeutungen sich immerfort, und eben dadurch werden neue Zusammenstel¬ lungen möglich, und die Sprache, die niemals ist, sondern ewig fort wird, redet sich nicht selbst, sondern wer sie gebrauchen will, muß eben selber nach seiner Weise, und schöpferisch für sein Bedürfniß, sie reden. Ohne Zweifel erfordert das lezte weit mehr Fleiß und Uebun¬ gen, denn das erste. Eben so gehen, wie schon oben gesagt, die Untersuchungen des Volks einer lebendigen Sprache bis auf die Wurzel der Ausströmung der Begriffe aus der geistigen Natur selbst; dagegen die einer tod¬ ten Sprache nur einen fremden Begriff zu durchdringen, und sich begreiflich zu machen suchen, und so in der That nur geschichtlich, und auslegend, jene ersten aber wahrhaft phi¬ losophisch sind. Es begreift sich, daß eine Untersuchung von der lezten Art eher, und leichter abgeschlossen werden möge, denn eine von der ersten.
Nach allem wird der ausländische Genius die betretenen Heerbahnen des Alterthums mit Blumen bestreuen, und der Lebensweisheit,
gelebt wird, vermehren und veraͤndern die Worte, und ihre Bedeutungen ſich immerfort, und eben dadurch werden neue Zuſammenſtel¬ lungen moͤglich, und die Sprache, die niemals iſt, ſondern ewig fort wird, redet ſich nicht ſelbſt, ſondern wer ſie gebrauchen will, muß eben ſelber nach ſeiner Weiſe, und ſchoͤpferiſch fuͤr ſein Beduͤrfniß, ſie reden. Ohne Zweifel erfordert das lezte weit mehr Fleiß und Uebun¬ gen, denn das erſte. Eben ſo gehen, wie ſchon oben geſagt, die Unterſuchungen des Volks einer lebendigen Sprache bis auf die Wurzel der Ausſtroͤmung der Begriffe aus der geiſtigen Natur ſelbſt; dagegen die einer tod¬ ten Sprache nur einen fremden Begriff zu durchdringen, und ſich begreiflich zu machen ſuchen, und ſo in der That nur geſchichtlich, und auslegend, jene erſten aber wahrhaft phi¬ loſophiſch ſind. Es begreift ſich, daß eine Unterſuchung von der lezten Art eher, und leichter abgeſchloſſen werden moͤge, denn eine von der erſten.
Nach allem wird der auslaͤndiſche Genius die betretenen Heerbahnen des Alterthums mit Blumen beſtreuen, und der Lebensweisheit,
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gelebt wird, vermehren und veraͤndern die
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iſt, ſondern ewig fort wird, redet ſich nicht
ſelbſt, ſondern wer ſie gebrauchen will, muß
eben ſelber nach ſeiner Weiſe, und ſchoͤpferiſch
fuͤr ſein Beduͤrfniß, ſie reden. Ohne Zweifel
erfordert das lezte weit mehr Fleiß und Uebun¬
gen, denn das erſte. Eben ſo gehen, wie
ſchon oben geſagt, die Unterſuchungen des
Volks einer lebendigen Sprache bis auf die
Wurzel der Ausſtroͤmung der Begriffe aus der
geiſtigen Natur ſelbſt; dagegen die einer tod¬
ten Sprache nur einen fremden Begriff zu
durchdringen, und ſich begreiflich zu machen
ſuchen, und ſo in der That nur geſchichtlich,
und auslegend, jene erſten aber wahrhaft phi¬
loſophiſch ſind. Es begreift ſich, daß eine
Unterſuchung von der lezten Art eher, und
leichter abgeſchloſſen werden moͤge, denn eine
von der erſten.
Nach allem wird der auslaͤndiſche Genius
die betretenen Heerbahnen des Alterthums mit
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/173>, abgerufen am 25.11.2024.
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