Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

zwischen der sinnlichen, und geistigen Ausbil¬
dung des Volkes, das eine Sprache redet,
statt gefunden, und fortwährend statt findet.

Wir beleben zuförderst diese in sich klare Be¬
merkung durch ein Beispiel. Etwas, das
zufolge der in der vorigen Rede erklärten
Erfassung des Grundtriebes nicht erst durch
das dunkle Gefühl, sondern sogleich durch
klare Erkenntniß entsteht, dergleichen jedes¬
mal ein übersinnlicher Gegenstand ist, heißt
mit einem griechischen, auch in der deutschen
Sprache häufig gebrauchten Worte, eine
Idee, und dieses Wort giebt genau dasselbe
Sinnbild, was in der deutschen das Wort
Gesicht, wie dieses in folgenden Wendun¬
gen der lutherischen Bibelübersetzung: ihr
werdet Gesichte sehen, ihr werdet Träume
haben, vorkommt. Idee oder Gesicht in sinn¬
licher Bedeutung wäre etwas, das nur durch
das Auge des Leibes, keinesweges aber durch
einen andern Sinn, etwa der Betastung, des
Gehörs u. s. w. erfaßt werden könnte, so
wie etwa ein Regenbogen, oder die Gestal¬
ten, welche im Traume vor uns vorüber ge¬
hen. Dasselbe in übersinnlicher Bedeutung

zwiſchen der ſinnlichen, und geiſtigen Ausbil¬
dung des Volkes, das eine Sprache redet,
ſtatt gefunden, und fortwaͤhrend ſtatt findet.

Wir beleben zufoͤrderſt dieſe in ſich klare Be¬
merkung durch ein Beiſpiel. Etwas, das
zufolge der in der vorigen Rede erklaͤrten
Erfaſſung des Grundtriebes nicht erſt durch
das dunkle Gefuͤhl, ſondern ſogleich durch
klare Erkenntniß entſteht, dergleichen jedes¬
mal ein uͤberſinnlicher Gegenſtand iſt, heißt
mit einem griechiſchen, auch in der deutſchen
Sprache haͤufig gebrauchten Worte, eine
Idee, und dieſes Wort giebt genau daſſelbe
Sinnbild, was in der deutſchen das Wort
Geſicht, wie dieſes in folgenden Wendun¬
gen der lutheriſchen Bibeluͤberſetzung: ihr
werdet Geſichte ſehen, ihr werdet Traͤume
haben, vorkommt. Idee oder Geſicht in ſinn¬
licher Bedeutung waͤre etwas, das nur durch
das Auge des Leibes, keinesweges aber durch
einen andern Sinn, etwa der Betaſtung, des
Gehoͤrs u. ſ. w. erfaßt werden koͤnnte, ſo
wie etwa ein Regenbogen, oder die Geſtal¬
ten, welche im Traume vor uns voruͤber ge¬
hen. Daſſelbe in uͤberſinnlicher Bedeutung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="125"/>
zwi&#x017F;chen der &#x017F;innlichen, und gei&#x017F;tigen Ausbil¬<lb/>
dung des Volkes, das eine Sprache redet,<lb/>
&#x017F;tatt gefunden, und fortwa&#x0364;hrend &#x017F;tatt findet.</p><lb/>
        <p>Wir beleben zufo&#x0364;rder&#x017F;t die&#x017F;e in &#x017F;ich klare Be¬<lb/>
merkung durch ein Bei&#x017F;piel. Etwas, das<lb/>
zufolge der in der vorigen Rede erkla&#x0364;rten<lb/>
Erfa&#x017F;&#x017F;ung des Grundtriebes nicht er&#x017F;t durch<lb/>
das dunkle Gefu&#x0364;hl, &#x017F;ondern &#x017F;ogleich durch<lb/>
klare Erkenntniß ent&#x017F;teht, dergleichen jedes¬<lb/>
mal ein u&#x0364;ber&#x017F;innlicher Gegen&#x017F;tand i&#x017F;t, heißt<lb/>
mit einem griechi&#x017F;chen, auch in der deut&#x017F;chen<lb/>
Sprache ha&#x0364;ufig gebrauchten Worte, eine<lb/><hi rendition="#g">Idee</hi>, und die&#x017F;es Wort giebt genau da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
Sinnbild, was in der deut&#x017F;chen das Wort<lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;icht</hi>, wie die&#x017F;es in folgenden Wendun¬<lb/>
gen der lutheri&#x017F;chen Bibelu&#x0364;ber&#x017F;etzung: ihr<lb/>
werdet Ge&#x017F;ichte &#x017F;ehen, ihr werdet Tra&#x0364;ume<lb/>
haben, vorkommt. Idee oder Ge&#x017F;icht in &#x017F;inn¬<lb/>
licher Bedeutung wa&#x0364;re etwas, das nur durch<lb/>
das Auge des Leibes, keinesweges aber durch<lb/>
einen andern Sinn, etwa der Beta&#x017F;tung, des<lb/>
Geho&#x0364;rs u. &#x017F;. w. erfaßt werden ko&#x0364;nnte, &#x017F;o<lb/>
wie etwa ein Regenbogen, oder die Ge&#x017F;tal¬<lb/>
ten, welche im Traume vor uns voru&#x0364;ber ge¬<lb/>
hen. Da&#x017F;&#x017F;elbe in u&#x0364;ber&#x017F;innlicher Bedeutung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0131] zwiſchen der ſinnlichen, und geiſtigen Ausbil¬ dung des Volkes, das eine Sprache redet, ſtatt gefunden, und fortwaͤhrend ſtatt findet. Wir beleben zufoͤrderſt dieſe in ſich klare Be¬ merkung durch ein Beiſpiel. Etwas, das zufolge der in der vorigen Rede erklaͤrten Erfaſſung des Grundtriebes nicht erſt durch das dunkle Gefuͤhl, ſondern ſogleich durch klare Erkenntniß entſteht, dergleichen jedes¬ mal ein uͤberſinnlicher Gegenſtand iſt, heißt mit einem griechiſchen, auch in der deutſchen Sprache haͤufig gebrauchten Worte, eine Idee, und dieſes Wort giebt genau daſſelbe Sinnbild, was in der deutſchen das Wort Geſicht, wie dieſes in folgenden Wendun¬ gen der lutheriſchen Bibeluͤberſetzung: ihr werdet Geſichte ſehen, ihr werdet Traͤume haben, vorkommt. Idee oder Geſicht in ſinn¬ licher Bedeutung waͤre etwas, das nur durch das Auge des Leibes, keinesweges aber durch einen andern Sinn, etwa der Betaſtung, des Gehoͤrs u. ſ. w. erfaßt werden koͤnnte, ſo wie etwa ein Regenbogen, oder die Geſtal¬ ten, welche im Traume vor uns voruͤber ge¬ hen. Daſſelbe in uͤberſinnlicher Bedeutung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/131
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/131>, abgerufen am 23.11.2024.