ursprüngliche nur in anderer Gestalt erschei¬ nende Liebe ist, die sie treibt, so kann man dennoch, von jenem Umstande absehend, sa¬ gen, daß dort der Mensch durch dunkle Ge¬ fühle, hier durch klare Erkenntniß getrieben werde.
Daß nun eine solche klare Erkenntniß un¬ mittelbar antreibend werde im Leben, und man hierauf sicher zählen könne, hängt, wie gesagt, davon ab, daß es die wirkliche und wahre Liebe des Menschen sey, die durch die¬ selbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬ bar klar werde, daß es also sey, und mit der Deutung zugleich das Gefühl jener Liebe in ihm angeregt und von ihm empfunden werde, daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬ wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es werde, indem im entgegengesezten Falle er kalt bleiben würde, und niemals die Liebe, ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde, indem im Gegentheile sein Antrieb ein dunk¬ les Gefühl werden würde; daß daher mit jedem Schritte seiner Bildung der ganze ver¬ einigte Mensch gebildet werde. Ein von der Erziehung also als ein untheilbares Ganzes
immer¬
urſpruͤngliche nur in anderer Geſtalt erſchei¬ nende Liebe iſt, die ſie treibt, ſo kann man dennoch, von jenem Umſtande abſehend, ſa¬ gen, daß dort der Menſch durch dunkle Ge¬ fuͤhle, hier durch klare Erkenntniß getrieben werde.
Daß nun eine ſolche klare Erkenntniß un¬ mittelbar antreibend werde im Leben, und man hierauf ſicher zaͤhlen koͤnne, haͤngt, wie geſagt, davon ab, daß es die wirkliche und wahre Liebe des Menſchen ſey, die durch die¬ ſelbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬ bar klar werde, daß es alſo ſey, und mit der Deutung zugleich das Gefuͤhl jener Liebe in ihm angeregt und von ihm empfunden werde, daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬ wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es werde, indem im entgegengeſezten Falle er kalt bleiben wuͤrde, und niemals die Liebe, ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde, indem im Gegentheile ſein Antrieb ein dunk¬ les Gefuͤhl werden wuͤrde; daß daher mit jedem Schritte ſeiner Bildung der ganze ver¬ einigte Menſch gebildet werde. Ein von der Erziehung alſo als ein untheilbares Ganzes
immer¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0102"n="96"/>
urſpruͤngliche nur in anderer Geſtalt erſchei¬<lb/>
nende Liebe iſt, die ſie treibt, ſo kann man<lb/>
dennoch, von jenem Umſtande abſehend, ſa¬<lb/>
gen, daß dort der Menſch durch dunkle Ge¬<lb/>
fuͤhle, hier durch klare Erkenntniß getrieben<lb/>
werde.</p><lb/><p>Daß nun eine ſolche klare Erkenntniß un¬<lb/>
mittelbar antreibend werde im Leben, und<lb/>
man hierauf ſicher zaͤhlen koͤnne, haͤngt, wie<lb/>
geſagt, davon ab, daß es die wirkliche und<lb/>
wahre Liebe des Menſchen ſey, die durch die¬<lb/>ſelbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬<lb/>
bar klar werde, daß es alſo ſey, und mit der<lb/>
Deutung zugleich das Gefuͤhl jener Liebe in<lb/>
ihm angeregt und von ihm empfunden werde,<lb/>
daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬<lb/>
wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es<lb/>
werde, indem im entgegengeſezten Falle er<lb/>
kalt bleiben wuͤrde, und niemals die Liebe,<lb/>
ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde,<lb/>
indem im Gegentheile ſein Antrieb ein dunk¬<lb/>
les Gefuͤhl werden wuͤrde; daß daher mit<lb/>
jedem Schritte ſeiner Bildung der ganze ver¬<lb/>
einigte Menſch gebildet werde. Ein von der<lb/>
Erziehung alſo als ein untheilbares Ganzes<lb/><fwplace="bottom"type="catch">immer¬<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[96/0102]
urſpruͤngliche nur in anderer Geſtalt erſchei¬
nende Liebe iſt, die ſie treibt, ſo kann man
dennoch, von jenem Umſtande abſehend, ſa¬
gen, daß dort der Menſch durch dunkle Ge¬
fuͤhle, hier durch klare Erkenntniß getrieben
werde.
Daß nun eine ſolche klare Erkenntniß un¬
mittelbar antreibend werde im Leben, und
man hierauf ſicher zaͤhlen koͤnne, haͤngt, wie
geſagt, davon ab, daß es die wirkliche und
wahre Liebe des Menſchen ſey, die durch die¬
ſelbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬
bar klar werde, daß es alſo ſey, und mit der
Deutung zugleich das Gefuͤhl jener Liebe in
ihm angeregt und von ihm empfunden werde,
daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬
wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es
werde, indem im entgegengeſezten Falle er
kalt bleiben wuͤrde, und niemals die Liebe,
ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde,
indem im Gegentheile ſein Antrieb ein dunk¬
les Gefuͤhl werden wuͤrde; daß daher mit
jedem Schritte ſeiner Bildung der ganze ver¬
einigte Menſch gebildet werde. Ein von der
Erziehung alſo als ein untheilbares Ganzes
immer¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/102>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.