Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

ursprüngliche nur in anderer Gestalt erschei¬
nende Liebe ist, die sie treibt, so kann man
dennoch, von jenem Umstande absehend, sa¬
gen, daß dort der Mensch durch dunkle Ge¬
fühle, hier durch klare Erkenntniß getrieben
werde.

Daß nun eine solche klare Erkenntniß un¬
mittelbar antreibend werde im Leben, und
man hierauf sicher zählen könne, hängt, wie
gesagt, davon ab, daß es die wirkliche und
wahre Liebe des Menschen sey, die durch die¬
selbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬
bar klar werde, daß es also sey, und mit der
Deutung zugleich das Gefühl jener Liebe in
ihm angeregt und von ihm empfunden werde,
daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬
wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es
werde, indem im entgegengesezten Falle er
kalt bleiben würde, und niemals die Liebe,
ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde,
indem im Gegentheile sein Antrieb ein dunk¬
les Gefühl werden würde; daß daher mit
jedem Schritte seiner Bildung der ganze ver¬
einigte Mensch gebildet werde. Ein von der
Erziehung also als ein untheilbares Ganzes

immer¬

urſpruͤngliche nur in anderer Geſtalt erſchei¬
nende Liebe iſt, die ſie treibt, ſo kann man
dennoch, von jenem Umſtande abſehend, ſa¬
gen, daß dort der Menſch durch dunkle Ge¬
fuͤhle, hier durch klare Erkenntniß getrieben
werde.

Daß nun eine ſolche klare Erkenntniß un¬
mittelbar antreibend werde im Leben, und
man hierauf ſicher zaͤhlen koͤnne, haͤngt, wie
geſagt, davon ab, daß es die wirkliche und
wahre Liebe des Menſchen ſey, die durch die¬
ſelbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬
bar klar werde, daß es alſo ſey, und mit der
Deutung zugleich das Gefuͤhl jener Liebe in
ihm angeregt und von ihm empfunden werde,
daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬
wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es
werde, indem im entgegengeſezten Falle er
kalt bleiben wuͤrde, und niemals die Liebe,
ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde,
indem im Gegentheile ſein Antrieb ein dunk¬
les Gefuͤhl werden wuͤrde; daß daher mit
jedem Schritte ſeiner Bildung der ganze ver¬
einigte Menſch gebildet werde. Ein von der
Erziehung alſo als ein untheilbares Ganzes

immer¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0102" n="96"/>
ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche nur in anderer Ge&#x017F;talt er&#x017F;chei¬<lb/>
nende Liebe i&#x017F;t, die &#x017F;ie treibt, &#x017F;o kann man<lb/>
dennoch, von jenem Um&#x017F;tande ab&#x017F;ehend, &#x017F;<lb/>
gen, daß dort der Men&#x017F;ch durch dunkle Ge¬<lb/>
fu&#x0364;hle, hier durch klare Erkenntniß getrieben<lb/>
werde.</p><lb/>
        <p>Daß nun eine &#x017F;olche klare Erkenntniß un¬<lb/>
mittelbar antreibend werde im Leben, und<lb/>
man hierauf &#x017F;icher za&#x0364;hlen ko&#x0364;nne, ha&#x0364;ngt, wie<lb/>
ge&#x017F;agt, davon ab, daß es die wirkliche und<lb/>
wahre Liebe des Men&#x017F;chen &#x017F;ey, die durch die¬<lb/>
&#x017F;elbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬<lb/>
bar klar werde, daß es al&#x017F;o &#x017F;ey, und mit der<lb/>
Deutung zugleich das Gefu&#x0364;hl jener Liebe in<lb/>
ihm angeregt und von ihm empfunden werde,<lb/>
daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬<lb/>
wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es<lb/>
werde, indem im entgegenge&#x017F;ezten Falle er<lb/>
kalt bleiben wu&#x0364;rde, und niemals die Liebe,<lb/>
ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde,<lb/>
indem im Gegentheile &#x017F;ein Antrieb ein dunk¬<lb/>
les Gefu&#x0364;hl werden wu&#x0364;rde; daß daher mit<lb/>
jedem Schritte &#x017F;einer Bildung der ganze ver¬<lb/>
einigte Men&#x017F;ch gebildet werde. Ein von der<lb/>
Erziehung al&#x017F;o als ein untheilbares Ganzes<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">immer¬<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0102] urſpruͤngliche nur in anderer Geſtalt erſchei¬ nende Liebe iſt, die ſie treibt, ſo kann man dennoch, von jenem Umſtande abſehend, ſa¬ gen, daß dort der Menſch durch dunkle Ge¬ fuͤhle, hier durch klare Erkenntniß getrieben werde. Daß nun eine ſolche klare Erkenntniß un¬ mittelbar antreibend werde im Leben, und man hierauf ſicher zaͤhlen koͤnne, haͤngt, wie geſagt, davon ab, daß es die wirkliche und wahre Liebe des Menſchen ſey, die durch die¬ ſelbe gedeutet werde, auch daß ihm unmittel¬ bar klar werde, daß es alſo ſey, und mit der Deutung zugleich das Gefuͤhl jener Liebe in ihm angeregt und von ihm empfunden werde, daß daher niemals die Erkenntniß in ihm ent¬ wikelt werde, ohne daß zugleich die Liebe es werde, indem im entgegengeſezten Falle er kalt bleiben wuͤrde, und niemals die Liebe, ohne daß die Erkenntniß zugleich es werde, indem im Gegentheile ſein Antrieb ein dunk¬ les Gefuͤhl werden wuͤrde; daß daher mit jedem Schritte ſeiner Bildung der ganze ver¬ einigte Menſch gebildet werde. Ein von der Erziehung alſo als ein untheilbares Ganzes immer¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/102
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/102>, abgerufen am 23.11.2024.