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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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I. Buch. II. Theil. I Titel. IV. Abschnitt.
Recht der Nothwehr, wenn Gefahr des unwie-
derbringlichen Verlusts mit der Vollendung
derselben verbunden ist *). Angriff auf die
Rechte der Persönlichkeit berechtigt immer zur
Gegenwehr. 5) Die dem Andern zur Erhaltung
eigner Rechte zugefügte Verletzung muste an
sich die einzige Bedingung der eignen Rettung
seyn, es muste also a) nicht möglich, oder
doch nicht ohne Verlust andrer Güter thunlich
seyn, sich dem Angriff entweder durch Hülfe
anderer, oder durch Entwaffnung des Angrei-

fers
Rechts verbunden ist) ist nie unersetzlich: der
Injuriat kann nach geschehener Injurie, durch den
Staat seine Rechte verfolgen und durch die gewöhn-
lichen Rechtsmittel die aus der Injurie etwa ent-
standenen oder möglichen nachtheiligen Folgen auf-
halten. Wenn man sich auf die P. G. O. Art. 140.
in den Worten: "und der Benötigte kann füglich
ohne Fährlichkeit oder Verletzung seines Leibes,
Lebens, Ehr und guten Leumund nicht entweichen,
beruft, um das Gegentheil zu erweisen, so ver-
gisst man, dass in diesen Worten die P. G. O.
nicht die Rechte bestimmen will, welche bedroht
die Nothwehr begründen. Carl will ja blos den
Fall bestimmen, wo die Flucht nothwendig ist, oder
nicht. Wer unbeschadet seines guten Namens die
Flucht nicht ergreifen kann, der darf bleiben und
seine angegriffenen Rechte selbst mit dem Lebens-
verlust des andern vertheidigen. Die Behauptung
Böhmers ad art. 140. §. 3. und ad Carpzov
Q. 30. Obs. 3. als wenn nur Standes- oder Militär-
personen
durch einen Angriff auf Ehre in den Stand
der Nothwehr versetztwerden könnten, bedarf kaum
einer Widerlegung.
*) J. A. Helfeld Diss. de violenta rerum nostrarum
defensione
. Jen. 1768. et in Opusc. N. 21. Auf den
Werth des Guts an sich kommt es nicht an.

I. Buch. II. Theil. I Titel. IV. Abſchnitt.
Recht der Nothwehr, wenn Gefahr des unwie-
derbringlichen Verluſts mit der Vollendung
derſelben verbunden iſt *). Angriff auf die
Rechte der Perſönlichkeit berechtigt immer zur
Gegenwehr. 5) Die dem Andern zur Erhaltung
eigner Rechte zugefügte Verletzung muſte an
ſich die einzige Bedingung der eignen Rettung
ſeyn, es muſte alſo a) nicht möglich, oder
doch nicht ohne Verluſt andrer Güter thunlich
ſeyn, ſich dem Angriff entweder durch Hülfe
anderer, oder durch Entwaffnung des Angrei-

fers
Rechts verbunden iſt) iſt nie unerſetzlich: der
Injuriat kann nach geſchehener Injurie, durch den
Staat ſeine Rechte verfolgen und durch die gewöhn-
lichen Rechtsmittel die aus der Injurie etwa ent-
ſtandenen oder möglichen nachtheiligen Folgen auf-
halten. Wenn man ſich auf die P. G. O. Art. 140.
in den Worten: „und der Benötigte kann füglich
ohne Fährlichkeit oder Verletzung ſeines Leibes,
Lebens, Ehr und guten Leumund nicht entweichen,
beruft, um das Gegentheil zu erweiſen, ſo ver-
giſst man, daſs in dieſen Worten die P. G. O.
nicht die Rechte beſtimmen will, welche bedroht
die Nothwehr begründen. Carl will ja blos den
Fall beſtimmen, wo die Flucht nothwendig iſt, oder
nicht. Wer unbeſchadet ſeines guten Namens die
Flucht nicht ergreifen kann, der darf bleiben und
ſeine angegriffenen Rechte ſelbſt mit dem Lebens-
verluſt des andern vertheidigen. Die Behauptung
Böhmers ad art. 140. §. 3. und ad Carpzov
Q. 30. Obſ. 3. als wenn nur Standes- oder Militär-
perſonen
durch einen Angriff auf Ehre in den Stand
der Nothwehr verſetztwerden könnten, bedarf kaum
einer Widerlegung.
*) J. A. Helfeld Diſſ. de violenta rerum noſtrarum
defenſione
. Jen. 1768. et in Opusc. N. 21. Auf den
Werth des Guts an ſich kommt es nicht an.
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[38/0066] I. Buch. II. Theil. I Titel. IV. Abſchnitt. Recht der Nothwehr, wenn Gefahr des unwie- derbringlichen Verluſts mit der Vollendung derſelben verbunden iſt *). Angriff auf die Rechte der Perſönlichkeit berechtigt immer zur Gegenwehr. 5) Die dem Andern zur Erhaltung eigner Rechte zugefügte Verletzung muſte an ſich die einzige Bedingung der eignen Rettung ſeyn, es muſte alſo a) nicht möglich, oder doch nicht ohne Verluſt andrer Güter thunlich ſeyn, ſich dem Angriff entweder durch Hülfe anderer, oder durch Entwaffnung des Angrei- fers ***) *) J. A. Helfeld Diſſ. de violenta rerum noſtrarum defenſione. Jen. 1768. et in Opusc. N. 21. Auf den Werth des Guts an ſich kommt es nicht an. ***) Rechts verbunden iſt) iſt nie unerſetzlich: der Injuriat kann nach geſchehener Injurie, durch den Staat ſeine Rechte verfolgen und durch die gewöhn- lichen Rechtsmittel die aus der Injurie etwa ent- ſtandenen oder möglichen nachtheiligen Folgen auf- halten. Wenn man ſich auf die P. G. O. Art. 140. in den Worten: „und der Benötigte kann füglich ohne Fährlichkeit oder Verletzung ſeines Leibes, Lebens, Ehr und guten Leumund nicht entweichen, beruft, um das Gegentheil zu erweiſen, ſo ver- giſst man, daſs in dieſen Worten die P. G. O. nicht die Rechte beſtimmen will, welche bedroht die Nothwehr begründen. Carl will ja blos den Fall beſtimmen, wo die Flucht nothwendig iſt, oder nicht. Wer unbeſchadet ſeines guten Namens die Flucht nicht ergreifen kann, der darf bleiben und ſeine angegriffenen Rechte ſelbſt mit dem Lebens- verluſt des andern vertheidigen. Die Behauptung Böhmers ad art. 140. §. 3. und ad Carpzov Q. 30. Obſ. 3. als wenn nur Standes- oder Militär- perſonen durch einen Angriff auf Ehre in den Stand der Nothwehr verſetztwerden könnten, bedarf kaum einer Widerlegung.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/66>, abgerufen am 23.11.2024.