Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Gründe d. rel. Strafb. b. unbest. Strafg.
Gewohnheit gewordene Befriedigung der Be-
gierde, aufgehoben sind.

§. 138.

Je mehr Naturursachen auf die Entstehung
und Befestigung der Triebfeder gewirkt haben,
desto mehr Festigkeit hat auch in der Regel
die Triebfeder wirklich (§. 136.) Deswegen
steigt die Strafbarkeit 1) durch böse Erziehung,
2) durch böses, von Jugend auf empfangenes
Beyspiel, welches auf die Erregung und Befe-
stigung derselben Begierde gerichtet war, die
dem gegenwärtigen Verbrechen zum Grunde
liegt *).

§. 139.

Die noch fortwirkenden Naturursachen,
welche das fortdauernde Daseyn einer gewis-
sen illegalen Triebfeder bestimmen, sind ent-
weder positive oder negative. Unter jenen ist
besonders zu merken die Organisation des Kör-
pers
, in wie ferne diese auf das Daseyn der
Begierde Einfluss hat Unter diesem kommt
Schwäche und Stumpfheit der höhern Geistes-
kräfte
vorzüglich in Betrachtung. Denn durch
diese Kräfte wirkt der Geist vorzüglich dem
Andringen und dem Wachsen der Begierden
entgegen, so wie er durch sie auf gänz-
liche Zurückweisung derselben in die ge-
setzlichen Schranken wirkt. Mangel an den
höhern Gemüthskräften ist daher Mangel der

Kraft
*) Das böse Beyspiel, das einen Menschen z. E zum
Diebstahl reitzen konnte, kann daher kein Grund
seyn, auf die Festigkeit der Begierde zu schliessen,
die jetzt einen Mord hervorgebracht hat.

Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg.
Gewohnheit gewordene Befriedigung der Be-
gierde, aufgehoben ſind.

§. 138.

Je mehr Natururſachen auf die Entſtehung
und Befeſtigung der Triebfeder gewirkt haben,
deſto mehr Feſtigkeit hat auch in der Regel
die Triebfeder wirklich (§. 136.) Deswegen
ſteigt die Strafbarkeit 1) durch böſe Erziehung,
2) durch böſes, von Jugend auf empfangenes
Beyſpiel, welches auf die Erregung und Befe-
ſtigung derſelben Begierde gerichtet war, die
dem gegenwärtigen Verbrechen zum Grunde
liegt *).

§. 139.

Die noch fortwirkenden Natururſachen,
welche das fortdauernde Daſeyn einer gewiſ-
ſen illegalen Triebfeder beſtimmen, ſind ent-
weder poſitive oder negative. Unter jenen iſt
beſonders zu merken die Organiſation des Kör-
pers
, in wie ferne dieſe auf das Daſeyn der
Begierde Einfluſs hat Unter dieſem kommt
Schwäche und Stumpfheit der höhern Geiſtes-
kräfte
vorzüglich in Betrachtung. Denn durch
dieſe Kräfte wirkt der Geiſt vorzüglich dem
Andringen und dem Wachſen der Begierden
entgegen, ſo wie er durch ſie auf gänz-
liche Zurückweiſung derſelben in die ge-
ſetzlichen Schranken wirkt. Mangel an den
höhern Gemüthskräften iſt daher Mangel der

Kraft
*) Das böſe Beyſpiel, das einen Menſchen z. E zum
Diebſtahl reitzen konnte, kann daher kein Grund
ſeyn, auf die Feſtigkeit der Begierde zu ſchlieſsen,
die jetzt einen Mord hervorgebracht hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <div n="11">
                            <div n="12">
                              <p><pb facs="#f0137" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Gründe d. rel. Strafb. b. unbe&#x017F;t. Strafg.</hi></fw><lb/>
Gewohnheit gewordene Befriedigung der Be-<lb/>
gierde, aufgehoben &#x017F;ind.</p>
                            </div><lb/>
                            <div n="12">
                              <head>§. 138.</head><lb/>
                              <p>Je mehr Naturur&#x017F;achen auf die Ent&#x017F;tehung<lb/>
und Befe&#x017F;tigung der Triebfeder gewirkt haben,<lb/>
de&#x017F;to mehr Fe&#x017F;tigkeit hat auch in der Regel<lb/>
die Triebfeder wirklich (§. 136.) Deswegen<lb/>
&#x017F;teigt die Strafbarkeit 1) durch <hi rendition="#i">&#x017F;e Erziehung</hi>,<lb/>
2) durch <hi rendition="#i">&#x017F;es</hi>, von Jugend auf empfangenes<lb/><hi rendition="#i">Bey&#x017F;piel</hi>, welches auf die Erregung und Befe-<lb/>
&#x017F;tigung <hi rendition="#i">der&#x017F;elben</hi> Begierde gerichtet war, die<lb/>
dem <hi rendition="#i">gegenwärtigen</hi> Verbrechen zum Grunde<lb/>
liegt <note place="foot" n="*)">Das bö&#x017F;e Bey&#x017F;piel, das einen Men&#x017F;chen z. E zum<lb/>
Dieb&#x017F;tahl reitzen konnte, kann daher kein Grund<lb/>
&#x017F;eyn, auf die Fe&#x017F;tigkeit der Begierde zu &#x017F;chlie&#x017F;sen,<lb/>
die jetzt einen Mord hervorgebracht hat.</note>.</p>
                            </div><lb/>
                            <div n="12">
                              <head>§. 139.</head><lb/>
                              <p>Die noch fortwirkenden Naturur&#x017F;achen,<lb/>
welche das fortdauernde Da&#x017F;eyn einer gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en illegalen Triebfeder be&#x017F;timmen, &#x017F;ind ent-<lb/>
weder <hi rendition="#i">po&#x017F;itive</hi> oder <hi rendition="#i">negative</hi>. Unter jenen i&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;onders zu merken die <hi rendition="#i">Organi&#x017F;ation des Kör-<lb/>
pers</hi>, in wie ferne die&#x017F;e auf das Da&#x017F;eyn der<lb/>
Begierde Einflu&#x017F;s hat Unter die&#x017F;em kommt<lb/><hi rendition="#i">Schwäche und Stumpfheit der höhern Gei&#x017F;tes-<lb/>
kräfte</hi> vorzüglich in Betrachtung. Denn durch<lb/>
die&#x017F;e Kräfte wirkt der Gei&#x017F;t vorzüglich dem<lb/>
Andringen und dem Wach&#x017F;en der Begierden<lb/>
entgegen, &#x017F;o wie er durch &#x017F;ie auf gänz-<lb/>
liche Zurückwei&#x017F;ung der&#x017F;elben in die ge-<lb/>
&#x017F;etzlichen Schranken wirkt. Mangel an den<lb/>
höhern Gemüthskräften i&#x017F;t daher Mangel der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kraft</fw><lb/></p>
                            </div>
                          </div>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0137] Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. Gewohnheit gewordene Befriedigung der Be- gierde, aufgehoben ſind. §. 138. Je mehr Natururſachen auf die Entſtehung und Befeſtigung der Triebfeder gewirkt haben, deſto mehr Feſtigkeit hat auch in der Regel die Triebfeder wirklich (§. 136.) Deswegen ſteigt die Strafbarkeit 1) durch böſe Erziehung, 2) durch böſes, von Jugend auf empfangenes Beyſpiel, welches auf die Erregung und Befe- ſtigung derſelben Begierde gerichtet war, die dem gegenwärtigen Verbrechen zum Grunde liegt *). §. 139. Die noch fortwirkenden Natururſachen, welche das fortdauernde Daſeyn einer gewiſ- ſen illegalen Triebfeder beſtimmen, ſind ent- weder poſitive oder negative. Unter jenen iſt beſonders zu merken die Organiſation des Kör- pers, in wie ferne dieſe auf das Daſeyn der Begierde Einfluſs hat Unter dieſem kommt Schwäche und Stumpfheit der höhern Geiſtes- kräfte vorzüglich in Betrachtung. Denn durch dieſe Kräfte wirkt der Geiſt vorzüglich dem Andringen und dem Wachſen der Begierden entgegen, ſo wie er durch ſie auf gänz- liche Zurückweiſung derſelben in die ge- ſetzlichen Schranken wirkt. Mangel an den höhern Gemüthskräften iſt daher Mangel der Kraft *) Das böſe Beyſpiel, das einen Menſchen z. E zum Diebſtahl reitzen konnte, kann daher kein Grund ſeyn, auf die Feſtigkeit der Begierde zu ſchlieſsen, die jetzt einen Mord hervorgebracht hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/137
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/137>, abgerufen am 29.11.2024.