ist (aus dem entgegengesetzen Grunde) die Strafbarkeit*).
§. 136.
Eine Handlung, die aus innerem Antrieb, ohne Auffoderung heftiger äusserer Reitze ge- schieht, kann wieder an Strafbarkeit verschie- dene Stufen haben, welche durch folgende Regeln bestimmt werden: 1) die Triebfeder muste um so fester und herrschender seyn, je mehr sie ihr entgegenwirkende, psychologische Hin- dernissefortdauerndunterdrückt hat; 2) die durch die Begehung eines Verbrechens be- wiesene sinnliche Trieb eder musste um so fester und herrschender seyn, je mehr Naturursachen dieEntstehungderselben gewirkt haben, oder die fortdauerndeWirksamkeitderselben be- stimmen. Bey jener Regel schliesse ich aus der Wirkung auf die Festigkeit der Triebfeder selbst als Ursache, hier aus der Ursache auf die Festigkeit der Triebfeder.
§. 137.
Da die fortdauernde Unterdrückung psy- chologischer Hindernisse auf die Festigkeit der Triebfeder schliessen lässt; so haben Hand- lungen aus Gewohnheit den höchsten Grad der Strafbarkeit, weil hier alle der Begehung ent- gegenwirkende Vorstellungen und Gefühle, in Hinsicht ihrer Wirksamkeit durch die zur
Gewohn-
*) Aus diesem Grund begründen Verführung, grosse unverhoffte Gelegenheit, dringende Nothwendigkeit der Befriedigung erlaubter Bedürfnisse des Lebens, Furcht, Ueberredung etc. geringere Strafbarkeit.
I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
iſt (aus dem entgegengeſetzen Grunde) die Strafbarkeit*).
§. 136.
Eine Handlung, die aus innerem Antrieb, ohne Auffoderung heftiger äuſſerer Reitze ge- ſchieht, kann wieder an Strafbarkeit verſchie- dene Stufen haben, welche durch folgende Regeln beſtimmt werden: 1) die Triebfeder muſte um ſo feſter und herrſchender ſeyn, je mehr ſie ihr entgegenwirkende, pſychologiſche Hin- derniſſefortdauerndunterdrückt hat; 2) die durch die Begehung eines Verbrechens be- wieſene ſinnliche Trieb eder muſste um ſo feſter und herrſchender ſeyn, je mehr Natururſachen dieEntſtehungderſelben gewirkt haben, oder die fortdauerndeWirkſamkeitderſelben be- ſtimmen. Bey jener Regel ſchlieſse ich aus der Wirkung auf die Feſtigkeit der Triebfeder ſelbſt als Urſache, hier aus der Urſache auf die Feſtigkeit der Triebfeder.
§. 137.
Da die fortdauernde Unterdrückung pſy- chologiſcher Hinderniſſe auf die Feſtigkeit der Triebfeder ſchlieſsen läſst; ſo haben Hand- lungen aus Gewohnheit den höchſten Grad der Strafbarkeit, weil hier alle der Begehung ent- gegenwirkende Vorſtellungen und Gefühle, in Hinſicht ihrer Wirkſamkeit durch die zur
Gewohn-
*) Aus dieſem Grund begründen Verführung, groſse unverhoffte Gelegenheit, dringende Nothwendigkeit der Befriedigung erlaubter Bedürfniſſe des Lebens, Furcht, Ueberredung etc. geringere Strafbarkeit.
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I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
iſt (aus dem entgegengeſetzen Grunde) die
Strafbarkeit *).
§. 136.
Eine Handlung, die aus innerem Antrieb,
ohne Auffoderung heftiger äuſſerer Reitze ge-
ſchieht, kann wieder an Strafbarkeit verſchie-
dene Stufen haben, welche durch folgende
Regeln beſtimmt werden: 1) die Triebfeder
muſte um ſo feſter und herrſchender ſeyn, je mehr
ſie ihr entgegenwirkende, pſychologiſche Hin-
derniſſe fortdauernd unterdrückt hat; 2)
die durch die Begehung eines Verbrechens be-
wieſene ſinnliche Trieb eder muſste um ſo feſter
und herrſchender ſeyn, je mehr Natururſachen
die Entſtehung derſelben gewirkt haben, oder
die fortdauernde Wirkſamkeit derſelben be-
ſtimmen. Bey jener Regel ſchlieſse ich aus der
Wirkung auf die Feſtigkeit der Triebfeder
ſelbſt als Urſache, hier aus der Urſache auf
die Feſtigkeit der Triebfeder.
§. 137.
Da die fortdauernde Unterdrückung pſy-
chologiſcher Hinderniſſe auf die Feſtigkeit der
Triebfeder ſchlieſsen läſst; ſo haben Hand-
lungen aus Gewohnheit den höchſten Grad der
Strafbarkeit, weil hier alle der Begehung ent-
gegenwirkende Vorſtellungen und Gefühle,
in Hinſicht ihrer Wirkſamkeit durch die zur
Gewohn-
*) Aus dieſem Grund begründen Verführung, groſse
unverhoffte Gelegenheit, dringende Nothwendigkeit der
Befriedigung erlaubter Bedürfniſſe des Lebens, Furcht,
Ueberredung etc. geringere Strafbarkeit.
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/136>, abgerufen am 29.11.2024.
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