wider mich. Der Glaube kennt nur Feinde oder Freunde, keine Unparteilichkeit; er ist nur für sich eingenommen. Der Glaube ist wesentlich intolerant -- wesentlich, weil mit dem Glauben immer nothwendig der Wahn verbunden ist, daß seine Sache die Sache Gottes sei, seine Ehre die Ehre Gottes. Der Gott des Glaubens ist an sich nichts andres als das objective Wesen des Glaubens, der Glaube, der sich Gegenstand ist. Es identificirt sich daher auch im re- ligiösen Gemüthe und Bewußtsein die Sache des Glau- bens mit der Sache Gottes. Gott selbst ist betheiligt; das Interesse der Gläubigen ist das innerste Interesse Gottes selbst. "Wer Euch antastet, heißt es beim Pro- pheten Sacharja, der tastet seinen (des Herrn) Augapfel an*)." Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den Glauben negirt, negirt Gott selbst.
Der Glaube kennt keinen andern Unterschied als den zwi- schen Gottes- und Götzendienst. Der Glaube allein gibt Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt. Der Unglaube ist eine Injurie gegen Gott, ein Majestätsver- brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter sind Teufel. "Ich sage, daß die Heiden, was sie opfern, das opfern sie den Teufeln und nicht Gott. Nun will ich nicht, daß ihr in der Teufel Gemeinschaft sein sollt**). Der Teufel ist aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein Gott sei. So ist der Glaube blind gegen das Gute und
*)Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime intelligeremus, eum (Deum) tam parva Sanctorum suorum con- tumelialaedi, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur. Salvianus l. 8. de gubern. Dei.
**)I Korinther 10, 20.
wider mich. Der Glaube kennt nur Feinde oder Freunde, keine Unparteilichkeit; er iſt nur für ſich eingenommen. Der Glaube iſt weſentlich intolerant — weſentlich, weil mit dem Glauben immer nothwendig der Wahn verbunden iſt, daß ſeine Sache die Sache Gottes ſei, ſeine Ehre die Ehre Gottes. Der Gott des Glaubens iſt an ſich nichts andres als das objective Weſen des Glaubens, der Glaube, der ſich Gegenſtand iſt. Es identificirt ſich daher auch im re- ligiöſen Gemüthe und Bewußtſein die Sache des Glau- bens mit der Sache Gottes. Gott ſelbſt iſt betheiligt; das Intereſſe der Gläubigen iſt das innerſte Intereſſe Gottes ſelbſt. „Wer Euch antaſtet, heißt es beim Pro- pheten Sacharja, der taſtet ſeinen (des Herrn) Augapfel an*).“ Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den Glauben negirt, negirt Gott ſelbſt.
Der Glaube kennt keinen andern Unterſchied als den zwi- ſchen Gottes- und Götzendienſt. Der Glaube allein gibt Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt. Der Unglaube iſt eine Injurie gegen Gott, ein Majeſtätsver- brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter ſind Teufel. „Ich ſage, daß die Heiden, was ſie opfern, das opfern ſie den Teufeln und nicht Gott. Nun will ich nicht, daß ihr in der Teufel Gemeinſchaft ſein ſollt**). Der Teufel iſt aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein Gott ſei. So iſt der Glaube blind gegen das Gute und
*)Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime intelligeremus, eum (Deum) tam parva Sanctorum suorum con- tumelialaedi, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur. Salvianus l. 8. de gubern. Dei.
**)I Korinther 10, 20.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0366"n="348"/><hirendition="#g">wider mich</hi>. Der Glaube kennt nur <hirendition="#g">Feinde</hi> oder <hirendition="#g">Freunde</hi>,<lb/>
keine Unparteilichkeit; er iſt nur für ſich eingenommen. Der<lb/>
Glaube iſt weſentlich <hirendition="#g">intolerant — weſentlich</hi>, weil mit<lb/>
dem Glauben immer nothwendig der <hirendition="#g">Wahn</hi> verbunden iſt,<lb/>
daß <hirendition="#g">ſeine Sache</hi> die <hirendition="#g">Sache Gottes</hi>ſei, <hirendition="#g">ſeine Ehre</hi> die<lb/><hirendition="#g">Ehre Gottes</hi>. Der Gott des Glaubens iſt an ſich nichts<lb/>
andres als das <hirendition="#g">objective Weſen des Glaubens</hi>, der Glaube,<lb/>
der ſich <hirendition="#g">Gegenſtand</hi> iſt. Es identificirt ſich daher auch im <hirendition="#g">re-<lb/>
ligiöſen Gemüthe</hi> und <hirendition="#g">Bewußtſein</hi> die Sache des Glau-<lb/>
bens mit der Sache Gottes. Gott ſelbſt iſt betheiligt; das<lb/><hirendition="#g">Intereſſe der Gläubigen</hi> iſt <hirendition="#g">das innerſte Intereſſe<lb/>
Gottes ſelbſt</hi>. „Wer <hirendition="#g">Euch antaſtet</hi>, heißt es beim Pro-<lb/>
pheten Sacharja, der taſtet <hirendition="#g">ſeinen</hi> (des Herrn) <hirendition="#g">Augapfel</hi><lb/>
an<noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime<lb/>
intelligeremus, eum (Deum) tam <hirendition="#g">parva Sanctorum suorum con-<lb/>
tumelialaedi</hi>, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur.<lb/><hirendition="#g">Salvianus</hi> l. 8. de gubern. Dei.</hi></note>.“ Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den<lb/>
Glauben negirt, negirt Gott ſelbſt.</p><lb/><p>Der Glaube kennt keinen andern Unterſchied als den zwi-<lb/>ſchen <hirendition="#g">Gottes-</hi> und <hirendition="#g">Götzendienſt</hi>. Der Glaube allein gibt<lb/>
Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt.<lb/>
Der Unglaube iſt eine Injurie gegen Gott, ein Majeſtätsver-<lb/>
brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter ſind<lb/><hirendition="#g">Teufel</hi>. „Ich ſage, daß die Heiden, was ſie opfern, das<lb/>
opfern ſie den <hirendition="#g">Teufeln</hi> und <hirendition="#g">nicht Gott</hi>. Nun will ich nicht,<lb/>
daß ihr in der Teufel Gemeinſchaft ſein ſollt<noteplace="foot"n="**)"><hirendition="#aq">I</hi> Korinther 10, 20.</note>. Der Teufel<lb/>
iſt aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein<lb/>
Gott ſei. So iſt der Glaube blind gegen das Gute und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[348/0366]
wider mich. Der Glaube kennt nur Feinde oder Freunde,
keine Unparteilichkeit; er iſt nur für ſich eingenommen. Der
Glaube iſt weſentlich intolerant — weſentlich, weil mit
dem Glauben immer nothwendig der Wahn verbunden iſt,
daß ſeine Sache die Sache Gottes ſei, ſeine Ehre die
Ehre Gottes. Der Gott des Glaubens iſt an ſich nichts
andres als das objective Weſen des Glaubens, der Glaube,
der ſich Gegenſtand iſt. Es identificirt ſich daher auch im re-
ligiöſen Gemüthe und Bewußtſein die Sache des Glau-
bens mit der Sache Gottes. Gott ſelbſt iſt betheiligt; das
Intereſſe der Gläubigen iſt das innerſte Intereſſe
Gottes ſelbſt. „Wer Euch antaſtet, heißt es beim Pro-
pheten Sacharja, der taſtet ſeinen (des Herrn) Augapfel
an *).“ Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den
Glauben negirt, negirt Gott ſelbſt.
Der Glaube kennt keinen andern Unterſchied als den zwi-
ſchen Gottes- und Götzendienſt. Der Glaube allein gibt
Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt.
Der Unglaube iſt eine Injurie gegen Gott, ein Majeſtätsver-
brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter ſind
Teufel. „Ich ſage, daß die Heiden, was ſie opfern, das
opfern ſie den Teufeln und nicht Gott. Nun will ich nicht,
daß ihr in der Teufel Gemeinſchaft ſein ſollt **). Der Teufel
iſt aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein
Gott ſei. So iſt der Glaube blind gegen das Gute und
*) Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime
intelligeremus, eum (Deum) tam parva Sanctorum suorum con-
tumelialaedi, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur.
Salvianus l. 8. de gubern. Dei.
**) I Korinther 10, 20.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/366>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.