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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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wider mich. Der Glaube kennt nur Feinde oder Freunde,
keine Unparteilichkeit; er ist nur für sich eingenommen. Der
Glaube ist wesentlich intolerant -- wesentlich, weil mit
dem Glauben immer nothwendig der Wahn verbunden ist,
daß seine Sache die Sache Gottes sei, seine Ehre die
Ehre Gottes. Der Gott des Glaubens ist an sich nichts
andres als das objective Wesen des Glaubens, der Glaube,
der sich Gegenstand ist. Es identificirt sich daher auch im re-
ligiösen Gemüthe
und Bewußtsein die Sache des Glau-
bens mit der Sache Gottes. Gott selbst ist betheiligt; das
Interesse der Gläubigen ist das innerste Interesse
Gottes selbst
. "Wer Euch antastet, heißt es beim Pro-
pheten Sacharja, der tastet seinen (des Herrn) Augapfel
an*)." Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den
Glauben negirt, negirt Gott selbst.

Der Glaube kennt keinen andern Unterschied als den zwi-
schen Gottes- und Götzendienst. Der Glaube allein gibt
Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt.
Der Unglaube ist eine Injurie gegen Gott, ein Majestätsver-
brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter sind
Teufel. "Ich sage, daß die Heiden, was sie opfern, das
opfern sie den Teufeln und nicht Gott. Nun will ich nicht,
daß ihr in der Teufel Gemeinschaft sein sollt**). Der Teufel
ist aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein
Gott sei. So ist der Glaube blind gegen das Gute und

*) Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime
intelligeremus, eum (Deum) tam parva Sanctorum suorum con-
tumelialaedi
, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur.
Salvianus l. 8. de gubern. Dei.
**) I Korinther 10, 20.

wider mich. Der Glaube kennt nur Feinde oder Freunde,
keine Unparteilichkeit; er iſt nur für ſich eingenommen. Der
Glaube iſt weſentlich intolerant — weſentlich, weil mit
dem Glauben immer nothwendig der Wahn verbunden iſt,
daß ſeine Sache die Sache Gottes ſei, ſeine Ehre die
Ehre Gottes. Der Gott des Glaubens iſt an ſich nichts
andres als das objective Weſen des Glaubens, der Glaube,
der ſich Gegenſtand iſt. Es identificirt ſich daher auch im re-
ligiöſen Gemüthe
und Bewußtſein die Sache des Glau-
bens mit der Sache Gottes. Gott ſelbſt iſt betheiligt; das
Intereſſe der Gläubigen iſt das innerſte Intereſſe
Gottes ſelbſt
. „Wer Euch antaſtet, heißt es beim Pro-
pheten Sacharja, der taſtet ſeinen (des Herrn) Augapfel
an*).“ Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den
Glauben negirt, negirt Gott ſelbſt.

Der Glaube kennt keinen andern Unterſchied als den zwi-
ſchen Gottes- und Götzendienſt. Der Glaube allein gibt
Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt.
Der Unglaube iſt eine Injurie gegen Gott, ein Majeſtätsver-
brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter ſind
Teufel. „Ich ſage, daß die Heiden, was ſie opfern, das
opfern ſie den Teufeln und nicht Gott. Nun will ich nicht,
daß ihr in der Teufel Gemeinſchaft ſein ſollt**). Der Teufel
iſt aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein
Gott ſei. So iſt der Glaube blind gegen das Gute und

*) Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime
intelligeremus, eum (Deum) tam parva Sanctorum suorum con-
tumelialaedi
, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur.
Salvianus l. 8. de gubern. Dei.
**) I Korinther 10, 20.
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[348/0366] wider mich. Der Glaube kennt nur Feinde oder Freunde, keine Unparteilichkeit; er iſt nur für ſich eingenommen. Der Glaube iſt weſentlich intolerant — weſentlich, weil mit dem Glauben immer nothwendig der Wahn verbunden iſt, daß ſeine Sache die Sache Gottes ſei, ſeine Ehre die Ehre Gottes. Der Gott des Glaubens iſt an ſich nichts andres als das objective Weſen des Glaubens, der Glaube, der ſich Gegenſtand iſt. Es identificirt ſich daher auch im re- ligiöſen Gemüthe und Bewußtſein die Sache des Glau- bens mit der Sache Gottes. Gott ſelbſt iſt betheiligt; das Intereſſe der Gläubigen iſt das innerſte Intereſſe Gottes ſelbſt. „Wer Euch antaſtet, heißt es beim Pro- pheten Sacharja, der taſtet ſeinen (des Herrn) Augapfel an *).“ Was den Glauben verletzt, verletzt Gott, was den Glauben negirt, negirt Gott ſelbſt. Der Glaube kennt keinen andern Unterſchied als den zwi- ſchen Gottes- und Götzendienſt. Der Glaube allein gibt Gott die Ehre; der Unglaube entzieht Gott, was ihm gebührt. Der Unglaube iſt eine Injurie gegen Gott, ein Majeſtätsver- brechen. Die Heiden beten Dämone an; ihre Götter ſind Teufel. „Ich ſage, daß die Heiden, was ſie opfern, das opfern ſie den Teufeln und nicht Gott. Nun will ich nicht, daß ihr in der Teufel Gemeinſchaft ſein ſollt **). Der Teufel iſt aber die Negation Gottes; er haßt Gott, will, daß kein Gott ſei. So iſt der Glaube blind gegen das Gute und *) Tenerrimam partem humani corporis nominavit, ut apertissime intelligeremus, eum (Deum) tam parva Sanctorum suorum con- tumelialaedi, quam parvi verberis tactu humani visus acies laeditur. Salvianus l. 8. de gubern. Dei. **) I Korinther 10, 20.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/366>, abgerufen am 24.12.2024.