bildet, und dadurch, was ursprünglich nur ein Gemüthsaffect, ein unmittelbarer Ausdruck der Bewunderung, der Entzückung, ein Eindruck der Phantasie auf das Gemüth ist, als eine objective Beschaffenheit, als wirkliche Unbegreiflichkeit fixirt. Die beliebteste Ausdrucksweise der Reflexion in dieser Beziehung ist, daß wir von Gott wohl das Daß, aber nim- mermehr das Wie begreifen. Daß z. B. Gott das Prädicat des Schöpfers wesentlich zukommt, daß er die Welt und zwar nicht aus einer vorhandenen Materie, sondern durch seine All- macht aus Nichts geschaffen, das ist klar, gewiß, ja unbezwei- felbar gewiß; aber wie dieß möglich, das natürlich geht über unsern beschränkten Verstand. Das heißt: der Gattungs- begriff ist klar, gewiß, aber der Artbegriff ist unklar, un- gewiß.
Der Begriff der Thätigkeit, des Machens, Schaf- fens ist an und für sich ein göttlicher Begriff; er wird daher unbedenklich auf Gott angewendet. Im Thun fühlt sich der Mensch frei, unbeschränkt, glücklich, im Leiden be- schränkt, gedrückt, unglücklich. Thätigkeit ist positives Selbstgefühl. Positiv überhaupt ist, was im Menschen von einer Freude begleitet ist -- Gott daher, wie wir schon oben sagten, der Begriff der reinen, unbeschränkten Freude. Es gelingt uns nur, was wir gern thun. Alles überwindet die Freudigkeit. Eine freudige Thätigkeit ist aber eine solche, die mit unserem Wesen übereinstimmt, die wir nicht als Schranke, folglich nicht als Zwang empfinden. Die glücklichste, seligste Thätigkeit ist jedoch die producirende. Lesen ist köstlich; Lesen ist passive Thätigkeit, aber Lesenswür- diges Schaffen ist noch köstlicher. Geben ist seliger als Nehmen, heißt es auch hier. Der Gattungsbegriff der her-
bildet, und dadurch, was urſprünglich nur ein Gemüthsaffect, ein unmittelbarer Ausdruck der Bewunderung, der Entzückung, ein Eindruck der Phantaſie auf das Gemüth iſt, als eine objective Beſchaffenheit, als wirkliche Unbegreiflichkeit fixirt. Die beliebteſte Ausdrucksweiſe der Reflexion in dieſer Beziehung iſt, daß wir von Gott wohl das Daß, aber nim- mermehr das Wie begreifen. Daß z. B. Gott das Prädicat des Schöpfers weſentlich zukommt, daß er die Welt und zwar nicht aus einer vorhandenen Materie, ſondern durch ſeine All- macht aus Nichts geſchaffen, das iſt klar, gewiß, ja unbezwei- felbar gewiß; aber wie dieß möglich, das natürlich geht über unſern beſchränkten Verſtand. Das heißt: der Gattungs- begriff iſt klar, gewiß, aber der Artbegriff iſt unklar, un- gewiß.
Der Begriff der Thätigkeit, des Machens, Schaf- fens iſt an und für ſich ein göttlicher Begriff; er wird daher unbedenklich auf Gott angewendet. Im Thun fühlt ſich der Menſch frei, unbeſchränkt, glücklich, im Leiden be- ſchränkt, gedrückt, unglücklich. Thätigkeit iſt poſitives Selbſtgefühl. Poſitiv überhaupt iſt, was im Menſchen von einer Freude begleitet iſt — Gott daher, wie wir ſchon oben ſagten, der Begriff der reinen, unbeſchränkten Freude. Es gelingt uns nur, was wir gern thun. Alles überwindet die Freudigkeit. Eine freudige Thätigkeit iſt aber eine ſolche, die mit unſerem Weſen übereinſtimmt, die wir nicht als Schranke, folglich nicht als Zwang empfinden. Die glücklichſte, ſeligſte Thätigkeit iſt jedoch die producirende. Leſen iſt köſtlich; Leſen iſt paſſive Thätigkeit, aber Leſenswür- diges Schaffen iſt noch köſtlicher. Geben iſt ſeliger als Nehmen, heißt es auch hier. Der Gattungsbegriff der her-
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bildet, und dadurch, was urſprünglich nur ein Gemüthsaffect,
ein unmittelbarer Ausdruck der Bewunderung, der Entzückung,
ein Eindruck der Phantaſie auf das Gemüth iſt, als eine
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fixirt. Die beliebteſte Ausdrucksweiſe der Reflexion in dieſer
Beziehung iſt, daß wir von Gott wohl das Daß, aber nim-
mermehr das Wie begreifen. Daß z. B. Gott das Prädicat
des Schöpfers weſentlich zukommt, daß er die Welt und zwar
nicht aus einer vorhandenen Materie, ſondern durch ſeine All-
macht aus Nichts geſchaffen, das iſt klar, gewiß, ja unbezwei-
felbar gewiß; aber wie dieß möglich, das natürlich geht über
unſern beſchränkten Verſtand. Das heißt: der Gattungs-
begriff iſt klar, gewiß, aber der Artbegriff iſt unklar, un-
gewiß.
Der Begriff der Thätigkeit, des Machens, Schaf-
fens iſt an und für ſich ein göttlicher Begriff; er wird
daher unbedenklich auf Gott angewendet. Im Thun fühlt
ſich der Menſch frei, unbeſchränkt, glücklich, im Leiden be-
ſchränkt, gedrückt, unglücklich. Thätigkeit iſt poſitives
Selbſtgefühl. Poſitiv überhaupt iſt, was im Menſchen
von einer Freude begleitet iſt — Gott daher, wie wir ſchon
oben ſagten, der Begriff der reinen, unbeſchränkten
Freude. Es gelingt uns nur, was wir gern thun. Alles
überwindet die Freudigkeit. Eine freudige Thätigkeit iſt aber
eine ſolche, die mit unſerem Weſen übereinſtimmt, die wir
nicht als Schranke, folglich nicht als Zwang empfinden.
Die glücklichſte, ſeligſte Thätigkeit iſt jedoch die producirende.
Leſen iſt köſtlich; Leſen iſt paſſive Thätigkeit, aber Leſenswür-
diges Schaffen iſt noch köſtlicher. Geben iſt ſeliger als
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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