Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.ist. Wie der Mensch seinen Himmel denkt, so denkt er seinen Nur die Pfiffigen unter ihnen denken und sagen gar *) Und eben so verschiedenartig ihren Gott. So haben die from-
men christlichen Deutschthümler einen "deutschen Gott" nothwen- dig, also auch die frommen Spanier einen spanischen Gott, die Franzosen einen französischen Gott. In der That existirt auch so lange Vielgötterei, so lange es viele Völker gibt. Der reale Gott eines Volks ist der Point d'honneur seiner Nationalität. iſt. Wie der Menſch ſeinen Himmel denkt, ſo denkt er ſeinen Nur die Pfiffigen unter ihnen denken und ſagen gar *) Und eben ſo verſchiedenartig ihren Gott. So haben die from-
men chriſtlichen Deutſchthümler einen „deutſchen Gott“ nothwen- dig, alſo auch die frommen Spanier einen ſpaniſchen Gott, die Franzoſen einen franzöſiſchen Gott. In der That exiſtirt auch ſo lange Vielgötterei, ſo lange es viele Völker gibt. Der reale Gott eines Volks iſt der Point d’honneur ſeiner Nationalität. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0251" n="233"/> iſt. Wie der Menſch ſeinen Himmel denkt, ſo denkt er ſeinen<lb/> Gott; die Inhaltsbeſtimmtheit ſeines Himmels iſt die Inhalts-<lb/> beſtimmtheit ſeines Gottes, nur daß im Himmel ſinnlich aus-<lb/> gemalt, ausgeführt wird, was in Gott nur Entwurf, Con-<lb/> cept iſt. Der Himmel iſt daher der Schlüſſel zu den innerſten<lb/> Geheimniſſen der Religion. Wie der Himmel objectiv das<lb/> aufgeſchloßne Weſen der Gottheit, ſo iſt er auch ſubjectiv die<lb/> offenherzigſte Ausſprache der innerſten Gedanken und Geſin-<lb/> nungen der Religion. Daher ſind die Himmelreiche ſo ver-<lb/> ſchieden als die Religionen und ſo viel unterſchiedne Religio-<lb/> nen, als weſentliche Menſchenunterſchiede ſind. So unter-<lb/> ſchieden Das iſt, was für die Menſchen die Bedeutung des<lb/> Höchſten, des Guten, Wahren, Heiligen hat, ſo unterſchieden<lb/> iſt der Himmel, ſo unterſchieden der <hi rendition="#g">Gott</hi>. Auch die Chriſten<lb/> ſelbſt denken ſich ſehr verſchiedenartig den Himmel <note place="foot" n="*)">Und eben ſo verſchiedenartig ihren Gott. So haben die from-<lb/> men chriſtlichen Deutſchthümler einen „<hi rendition="#g">deutſchen Gott</hi>“ nothwen-<lb/> dig, alſo auch die frommen Spanier einen <hi rendition="#g">ſpaniſchen</hi> Gott, die<lb/> Franzoſen einen <hi rendition="#g">franzöſiſchen</hi> Gott. In der That exiſtirt auch ſo<lb/> lange <hi rendition="#g">Vielgötterei</hi>, ſo lange es viele Völker gibt. Der <hi rendition="#g">reale<lb/> Gott</hi> eines Volks iſt der <hi rendition="#aq">Point d’honneur</hi> ſeiner Nationalität.</note>.</p><lb/> <p>Nur die Pfiffigen unter ihnen denken und ſagen gar<lb/> nichts Beſtimmtes über den Himmel oder das Jenſeits über-<lb/> haupt, weil es unbegreiflich ſei und daher immer nur nach<lb/> einem dießſeitigen, nur für das Dießſeits gültigen Maaßſtab<lb/> gedacht werde. Alle Vorſtellungen hienieden ſeien nur Bilder,<lb/> mit denen ſich der Menſch das ſeinem <hi rendition="#g">Weſen</hi> nach unbekannte,<lb/> aber ſeiner <hi rendition="#g">Exiſtenz</hi> nach gewiſſe Jenſeits vergegenwärtige.<lb/> Es iſt hier eben ſo wie mit Gott: das <hi rendition="#g">Daſein</hi> Gottes ſei ge-<lb/> wiß — aber <hi rendition="#g">was</hi> er ſei oder <hi rendition="#g">wie</hi> er ſei, das ſei unerforſch-<lb/> lich. Aber wer ſo ſpricht, der hat ſich das Jenſeits ſchon aus<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0251]
iſt. Wie der Menſch ſeinen Himmel denkt, ſo denkt er ſeinen
Gott; die Inhaltsbeſtimmtheit ſeines Himmels iſt die Inhalts-
beſtimmtheit ſeines Gottes, nur daß im Himmel ſinnlich aus-
gemalt, ausgeführt wird, was in Gott nur Entwurf, Con-
cept iſt. Der Himmel iſt daher der Schlüſſel zu den innerſten
Geheimniſſen der Religion. Wie der Himmel objectiv das
aufgeſchloßne Weſen der Gottheit, ſo iſt er auch ſubjectiv die
offenherzigſte Ausſprache der innerſten Gedanken und Geſin-
nungen der Religion. Daher ſind die Himmelreiche ſo ver-
ſchieden als die Religionen und ſo viel unterſchiedne Religio-
nen, als weſentliche Menſchenunterſchiede ſind. So unter-
ſchieden Das iſt, was für die Menſchen die Bedeutung des
Höchſten, des Guten, Wahren, Heiligen hat, ſo unterſchieden
iſt der Himmel, ſo unterſchieden der Gott. Auch die Chriſten
ſelbſt denken ſich ſehr verſchiedenartig den Himmel *).
Nur die Pfiffigen unter ihnen denken und ſagen gar
nichts Beſtimmtes über den Himmel oder das Jenſeits über-
haupt, weil es unbegreiflich ſei und daher immer nur nach
einem dießſeitigen, nur für das Dießſeits gültigen Maaßſtab
gedacht werde. Alle Vorſtellungen hienieden ſeien nur Bilder,
mit denen ſich der Menſch das ſeinem Weſen nach unbekannte,
aber ſeiner Exiſtenz nach gewiſſe Jenſeits vergegenwärtige.
Es iſt hier eben ſo wie mit Gott: das Daſein Gottes ſei ge-
wiß — aber was er ſei oder wie er ſei, das ſei unerforſch-
lich. Aber wer ſo ſpricht, der hat ſich das Jenſeits ſchon aus
*) Und eben ſo verſchiedenartig ihren Gott. So haben die from-
men chriſtlichen Deutſchthümler einen „deutſchen Gott“ nothwen-
dig, alſo auch die frommen Spanier einen ſpaniſchen Gott, die
Franzoſen einen franzöſiſchen Gott. In der That exiſtirt auch ſo
lange Vielgötterei, ſo lange es viele Völker gibt. Der reale
Gott eines Volks iſt der Point d’honneur ſeiner Nationalität.
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