wirkende Macht und Kraftäußerung, als die Macht des Wor- tes. Gott ist der Inbegriff aller Realität. Alles, was der Mensch als Realität empfindet oder erkennt, muß er in Gott setzen. Die Religion muß sich daher auch der Macht des Wortes als einer göttlichen Macht bewußt werden. Das Wort Gottes ist die Göttlichkeit des Wortes, wie sie in- nerhalb der Religion dem Menschen Gegenstand wird; denn es gehört, wie bereits gezeigt, zur differentia specifica der Religion, daß sie überall das eigentliche Subject zum Prädi- cat und eine allgemeine Wahrheit zu einer particulären macht -- so hier das allgemeine Wesen des Wortes zu einem beson- dern, persönlichen Wesen -- aber zugleich so, daß doch immer die allgemeine Wahrheit, die Natur der Sache, durch die par- ticuläre Wahrheit hindurch schimmert.
Das Geheimniß des kosmogonischen Princips in Gott.
Die zweite Person ist als der sich offenbarende, äußernde, sich aussprechende Gott (Deus se dicit) das weltschöpferi- sche Princip in Gott. Das heißt aber nichts Andres als: die zweite Person ist das Mittelwesen zwischen dem un- sinnlichen Wesen Gottes und dem sinnlichen Wesen der Welt, das göttliche Princip des Endlichen, des von Gott Unterschiedenen. Die zweite Person hat einen, obwohl der Vorstellung nach zeitlosen, Anfang, einen Grund; sie ist ge- zeugt, das erste der erzeugten Wesen. Sie hat also als ge- zeugt, als nicht a se, von sich seiend, die allgemeine Grund- bestimmung des Endlichen in sich *). Aber zugleich ist sie noch
*)Hylarius .... Siquis innascibilem et sine initio dicat filium, quasi duo sine principio et duo innascibilia, et duo innata dicens, duos
wirkende Macht und Kraftäußerung, als die Macht des Wor- tes. Gott iſt der Inbegriff aller Realität. Alles, was der Menſch als Realität empfindet oder erkennt, muß er in Gott ſetzen. Die Religion muß ſich daher auch der Macht des Wortes als einer göttlichen Macht bewußt werden. Das Wort Gottes iſt die Göttlichkeit des Wortes, wie ſie in- nerhalb der Religion dem Menſchen Gegenſtand wird; denn es gehört, wie bereits gezeigt, zur differentia specifica der Religion, daß ſie überall das eigentliche Subject zum Prädi- cat und eine allgemeine Wahrheit zu einer particulären macht — ſo hier das allgemeine Weſen des Wortes zu einem beſon- dern, perſönlichen Weſen — aber zugleich ſo, daß doch immer die allgemeine Wahrheit, die Natur der Sache, durch die par- ticuläre Wahrheit hindurch ſchimmert.
Das Geheimniß des kosmogoniſchen Princips in Gott.
Die zweite Perſon iſt als der ſich offenbarende, äußernde, ſich ausſprechende Gott (Deus se dicit) das weltſchöpferi- ſche Princip in Gott. Das heißt aber nichts Andres als: die zweite Perſon iſt das Mittelweſen zwiſchen dem un- ſinnlichen Weſen Gottes und dem ſinnlichen Weſen der Welt, das göttliche Princip des Endlichen, des von Gott Unterſchiedenen. Die zweite Perſon hat einen, obwohl der Vorſtellung nach zeitloſen, Anfang, einen Grund; ſie iſt ge- zeugt, das erſte der erzeugten Weſen. Sie hat alſo als ge- zeugt, als nicht a se, von ſich ſeiend, die allgemeine Grund- beſtimmung des Endlichen in ſich *). Aber zugleich iſt ſie noch
*)Hylarius .... Siquis innascibilem et sine initio dicat filium, quasi duo sine principio et duo innascibilia, et duo innata dicens, duos
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0114"n="96"/>
wirkende Macht und Kraftäußerung, als die Macht des Wor-<lb/>
tes. <hirendition="#g">Gott iſt der Inbegriff aller Realität</hi>. Alles, was<lb/>
der Menſch als Realität empfindet oder erkennt, muß er in<lb/>
Gott ſetzen. Die Religion muß ſich daher auch der Macht des<lb/>
Wortes als einer göttlichen Macht bewußt werden. Das<lb/><hirendition="#g">Wort Gottes</hi> iſt die <hirendition="#g">Göttlichkeit</hi> des Wortes, wie ſie in-<lb/>
nerhalb der Religion dem Menſchen Gegenſtand wird; denn<lb/>
es gehört, wie bereits gezeigt, zur <hirendition="#aq">differentia specifica</hi> der<lb/>
Religion, daß ſie überall das eigentliche Subject zum Prädi-<lb/>
cat und eine allgemeine Wahrheit zu einer particulären macht<lb/>—ſo hier das allgemeine Weſen des Wortes zu einem beſon-<lb/>
dern, perſönlichen Weſen — aber zugleich ſo, daß doch immer<lb/>
die allgemeine Wahrheit, die Natur der Sache, durch die par-<lb/>
ticuläre Wahrheit hindurch ſchimmert.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das Geheimniß des kosmogoniſchen Princips in Gott.</hi></head><lb/><p>Die zweite Perſon iſt als der ſich offenbarende, äußernde,<lb/>ſich ausſprechende Gott (<hirendition="#aq">Deus se dicit</hi>) das <hirendition="#g">weltſchöpferi-<lb/>ſche Princip</hi> in Gott. Das heißt aber nichts Andres als:<lb/>
die zweite Perſon iſt das <hirendition="#g">Mittelweſen</hi> zwiſchen dem <hirendition="#g">un-<lb/>ſinnlichen Weſen</hi> Gottes und dem <hirendition="#g">ſinnlichen Weſen</hi> der<lb/>
Welt, das <hirendition="#g">göttliche</hi> Princip des <hirendition="#g">Endlichen</hi>, des von Gott<lb/>
Unterſchiedenen. Die zweite Perſon hat einen, obwohl der<lb/>
Vorſtellung nach zeitloſen, Anfang, einen Grund; ſie iſt ge-<lb/>
zeugt, das <hirendition="#g">erſte</hi> der erzeugten Weſen. Sie hat alſo als ge-<lb/>
zeugt, als nicht <hirendition="#aq">a se,</hi> von ſich ſeiend, die allgemeine Grund-<lb/>
beſtimmung des Endlichen in ſich <notexml:id="note-0114"next="#note-0115"place="foot"n="*)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">Hylarius</hi> .... Siquis innascibilem et sine initio dicat filium,<lb/>
quasi duo sine principio et duo innascibilia, et duo innata dicens, duos</hi></note>. Aber zugleich iſt ſie noch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[96/0114]
wirkende Macht und Kraftäußerung, als die Macht des Wor-
tes. Gott iſt der Inbegriff aller Realität. Alles, was
der Menſch als Realität empfindet oder erkennt, muß er in
Gott ſetzen. Die Religion muß ſich daher auch der Macht des
Wortes als einer göttlichen Macht bewußt werden. Das
Wort Gottes iſt die Göttlichkeit des Wortes, wie ſie in-
nerhalb der Religion dem Menſchen Gegenſtand wird; denn
es gehört, wie bereits gezeigt, zur differentia specifica der
Religion, daß ſie überall das eigentliche Subject zum Prädi-
cat und eine allgemeine Wahrheit zu einer particulären macht
— ſo hier das allgemeine Weſen des Wortes zu einem beſon-
dern, perſönlichen Weſen — aber zugleich ſo, daß doch immer
die allgemeine Wahrheit, die Natur der Sache, durch die par-
ticuläre Wahrheit hindurch ſchimmert.
Das Geheimniß des kosmogoniſchen Princips in Gott.
Die zweite Perſon iſt als der ſich offenbarende, äußernde,
ſich ausſprechende Gott (Deus se dicit) das weltſchöpferi-
ſche Princip in Gott. Das heißt aber nichts Andres als:
die zweite Perſon iſt das Mittelweſen zwiſchen dem un-
ſinnlichen Weſen Gottes und dem ſinnlichen Weſen der
Welt, das göttliche Princip des Endlichen, des von Gott
Unterſchiedenen. Die zweite Perſon hat einen, obwohl der
Vorſtellung nach zeitloſen, Anfang, einen Grund; ſie iſt ge-
zeugt, das erſte der erzeugten Weſen. Sie hat alſo als ge-
zeugt, als nicht a se, von ſich ſeiend, die allgemeine Grund-
beſtimmung des Endlichen in ſich *). Aber zugleich iſt ſie noch
*) Hylarius .... Siquis innascibilem et sine initio dicat filium,
quasi duo sine principio et duo innascibilia, et duo innata dicens, duos
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/114>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.