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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

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nirgends eine solche Erziehung und kann keine
geben; und es ist ohne Zweifel einer der verderb-
lichsten Züge an unserm Zeitalter, daß man dies
noch glaubt, indem man dadurch offenbar zeigt,
daß man die wahre Sittlichkeit noch gar nicht
kenne und mit derselben Artigkeit, Gesetzmäßigkeit
und dergl. verwechsele, für welche es allerdings
eine Erziehung giebt.

Sittlichkeit (man spricht oft von reiner Sitt-
lichkeit, wo man Sittlichkeit schlechthin sagen sollte,
denn es giebt keine unreine Sittlichkeit und was
unrein ist, ist eben darum nicht sittlich) Sittlich-
keit
also ists, daß man mit absoluter innrer Frei-
heit, ohne allen äußeren Antrieb, seine wohlerkannte
Schuldigkeit thue, schlechthin darum, weil es Schul-
digkeit ist. Diesen Entschluß kann der Mensch
nur aus sich selbst nehmen, er kann nicht gelehrt
und andemonstrirt, noch weniger erfleht, erweint
oder erzwungen werden.

Diese im Innern wohnende Sittlichkeit, ist
überall nur Eins, der eben angegebne gute Wille,
ein Positives, das keiner Vermehrung oder Ver-
minderung, keines Wechsels und keiner Verände-
rung durch die Umstände fähig ist; es kann also,
wie man zuweilen meint, keine besondre maure-
rische Sittlichkeit
geben. -- Die einzige
wahre Sittlichkeit ist es, die ich meinte, als ich in
einem der vorigen Briefe schrieb, daß es Gegen-
stände gäbe, die, da sie überall kein Gegenstand
der gesellschaftlichen Bildung wären, auch kein Ge-
genstand der maurerischen Bildung seyn könnten;

nirgends eine ſolche Erziehung und kann keine
geben; und es iſt ohne Zweifel einer der verderb-
lichſten Zuͤge an unſerm Zeitalter, daß man dies
noch glaubt, indem man dadurch offenbar zeigt,
daß man die wahre Sittlichkeit noch gar nicht
kenne und mit derſelben Artigkeit, Geſetzmaͤßigkeit
und dergl. verwechſele, fuͤr welche es allerdings
eine Erziehung giebt.

Sittlichkeit (man ſpricht oft von reiner Sitt-
lichkeit, wo man Sittlichkeit ſchlechthin ſagen ſollte,
denn es giebt keine unreine Sittlichkeit und was
unrein iſt, iſt eben darum nicht ſittlich) Sittlich-
keit
alſo iſts, daß man mit abſoluter innrer Frei-
heit, ohne allen aͤußeren Antrieb, ſeine wohlerkannte
Schuldigkeit thue, ſchlechthin darum, weil es Schul-
digkeit iſt. Dieſen Entſchluß kann der Menſch
nur aus ſich ſelbſt nehmen, er kann nicht gelehrt
und andemonſtrirt, noch weniger erfleht, erweint
oder erzwungen werden.

Dieſe im Innern wohnende Sittlichkeit, iſt
uͤberall nur Eins, der eben angegebne gute Wille,
ein Poſitives, das keiner Vermehrung oder Ver-
minderung, keines Wechſels und keiner Veraͤnde-
rung durch die Umſtaͤnde faͤhig iſt; es kann alſo,
wie man zuweilen meint, keine beſondre maure-
riſche Sittlichkeit
geben. — Die einzige
wahre Sittlichkeit iſt es, die ich meinte, als ich in
einem der vorigen Briefe ſchrieb, daß es Gegen-
ſtaͤnde gaͤbe, die, da ſie uͤberall kein Gegenſtand
der geſellſchaftlichen Bildung waͤren, auch kein Ge-
genſtand der maureriſchen Bildung ſeyn koͤnnten;

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[26/0048] nirgends eine ſolche Erziehung und kann keine geben; und es iſt ohne Zweifel einer der verderb- lichſten Zuͤge an unſerm Zeitalter, daß man dies noch glaubt, indem man dadurch offenbar zeigt, daß man die wahre Sittlichkeit noch gar nicht kenne und mit derſelben Artigkeit, Geſetzmaͤßigkeit und dergl. verwechſele, fuͤr welche es allerdings eine Erziehung giebt. Sittlichkeit (man ſpricht oft von reiner Sitt- lichkeit, wo man Sittlichkeit ſchlechthin ſagen ſollte, denn es giebt keine unreine Sittlichkeit und was unrein iſt, iſt eben darum nicht ſittlich) Sittlich- keit alſo iſts, daß man mit abſoluter innrer Frei- heit, ohne allen aͤußeren Antrieb, ſeine wohlerkannte Schuldigkeit thue, ſchlechthin darum, weil es Schul- digkeit iſt. Dieſen Entſchluß kann der Menſch nur aus ſich ſelbſt nehmen, er kann nicht gelehrt und andemonſtrirt, noch weniger erfleht, erweint oder erzwungen werden. Dieſe im Innern wohnende Sittlichkeit, iſt uͤberall nur Eins, der eben angegebne gute Wille, ein Poſitives, das keiner Vermehrung oder Ver- minderung, keines Wechſels und keiner Veraͤnde- rung durch die Umſtaͤnde faͤhig iſt; es kann alſo, wie man zuweilen meint, keine beſondre maure- riſche Sittlichkeit geben. — Die einzige wahre Sittlichkeit iſt es, die ich meinte, als ich in einem der vorigen Briefe ſchrieb, daß es Gegen- ſtaͤnde gaͤbe, die, da ſie uͤberall kein Gegenſtand der geſellſchaftlichen Bildung waͤren, auch kein Ge- genſtand der maureriſchen Bildung ſeyn koͤnnten;

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/48>, abgerufen am 24.04.2024.