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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

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über welche jeder nur mit sich selbst und Gott,
keinesweges aber mit irgend einem andern ins
Gericht gehen könne, und in Rücksicht welcher
sogar die Maurerei eine Profanation seyn würde. --
Besondre Pflichten giebt es allerdings, die die
Maurerei ihren Mitgliedern auflegt, und die sie
nicht haben würden, ohne Mitglieder dieser Ge-
sellschaft zu seyn; ob man aber selbst diese Pflich-
ten aus reiner Liebe zur Pflicht, oder aus andern
Gründen beobachte, das macht der Mensch mit
sich aus, und nicht der Maurer.

Ob es also gleich keine besondre maurerische
Sittlichkeit giebt, so giebt es doch eine besondre
maurerische Religion, oder -- um alle Mißver-
ständnisse aufzuheben, -- eine besondre maureri-
sche Ansicht der Religion und eben deswegen auch
eine maurerische Bildung zur Religion; es
versteht sich zur moralischen, nicht zur kirchlichen
Religion, mit welcher es die Maurerei überall nicht
zu thun hat. Wir wollen dieses näher betrachten.

Die Maurerei hat, ihrer von uns angegebnen
Bestimmung nach, von jedem einzelnen Zweige
der menschlichen Bildung das Zufällige, welches
Zeit- und Ort-Bedingungen demselben angehängt
haben, ferner das Einseitige und Uebertriebne,
welches durch die Trennung dieses Einen Zweiges
vom ganzen Stamme der Bildung entstehen mußte,
abzusondern, und alles Menschliche in seiner Rein-
heit und nach seinem Zusammenhange im Ganzen
hinzustellen. Dieß ist uns ihr Charakter, den sie
auch in dem gegebenen Falle bewähren muß.


uͤber welche jeder nur mit ſich ſelbſt und Gott,
keinesweges aber mit irgend einem andern ins
Gericht gehen koͤnne, und in Ruͤckſicht welcher
ſogar die Maurerei eine Profanation ſeyn wuͤrde. —
Beſondre Pflichten giebt es allerdings, die die
Maurerei ihren Mitgliedern auflegt, und die ſie
nicht haben wuͤrden, ohne Mitglieder dieſer Ge-
ſellſchaft zu ſeyn; ob man aber ſelbſt dieſe Pflich-
ten aus reiner Liebe zur Pflicht, oder aus andern
Gruͤnden beobachte, das macht der Menſch mit
ſich aus, und nicht der Maurer.

Ob es alſo gleich keine beſondre maureriſche
Sittlichkeit giebt, ſo giebt es doch eine beſondre
maureriſche Religion, oder — um alle Mißver-
ſtaͤndniſſe aufzuheben, — eine beſondre maureri-
ſche Anſicht der Religion und eben deswegen auch
eine maureriſche Bildung zur Religion; es
verſteht ſich zur moraliſchen, nicht zur kirchlichen
Religion, mit welcher es die Maurerei uͤberall nicht
zu thun hat. Wir wollen dieſes naͤher betrachten.

Die Maurerei hat, ihrer von uns angegebnen
Beſtimmung nach, von jedem einzelnen Zweige
der menſchlichen Bildung das Zufaͤllige, welches
Zeit- und Ort-Bedingungen demſelben angehaͤngt
haben, ferner das Einſeitige und Uebertriebne,
welches durch die Trennung dieſes Einen Zweiges
vom ganzen Stamme der Bildung entſtehen mußte,
abzuſondern, und alles Menſchliche in ſeiner Rein-
heit und nach ſeinem Zuſammenhange im Ganzen
hinzuſtellen. Dieß iſt uns ihr Charakter, den ſie
auch in dem gegebenen Falle bewaͤhren muß.


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[27/0049] uͤber welche jeder nur mit ſich ſelbſt und Gott, keinesweges aber mit irgend einem andern ins Gericht gehen koͤnne, und in Ruͤckſicht welcher ſogar die Maurerei eine Profanation ſeyn wuͤrde. — Beſondre Pflichten giebt es allerdings, die die Maurerei ihren Mitgliedern auflegt, und die ſie nicht haben wuͤrden, ohne Mitglieder dieſer Ge- ſellſchaft zu ſeyn; ob man aber ſelbſt dieſe Pflich- ten aus reiner Liebe zur Pflicht, oder aus andern Gruͤnden beobachte, das macht der Menſch mit ſich aus, und nicht der Maurer. Ob es alſo gleich keine beſondre maureriſche Sittlichkeit giebt, ſo giebt es doch eine beſondre maureriſche Religion, oder — um alle Mißver- ſtaͤndniſſe aufzuheben, — eine beſondre maureri- ſche Anſicht der Religion und eben deswegen auch eine maureriſche Bildung zur Religion; es verſteht ſich zur moraliſchen, nicht zur kirchlichen Religion, mit welcher es die Maurerei uͤberall nicht zu thun hat. Wir wollen dieſes naͤher betrachten. Die Maurerei hat, ihrer von uns angegebnen Beſtimmung nach, von jedem einzelnen Zweige der menſchlichen Bildung das Zufaͤllige, welches Zeit- und Ort-Bedingungen demſelben angehaͤngt haben, ferner das Einſeitige und Uebertriebne, welches durch die Trennung dieſes Einen Zweiges vom ganzen Stamme der Bildung entſtehen mußte, abzuſondern, und alles Menſchliche in ſeiner Rein- heit und nach ſeinem Zuſammenhange im Ganzen hinzuſtellen. Dieß iſt uns ihr Charakter, den ſie auch in dem gegebenen Falle bewaͤhren muß.

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/49>, abgerufen am 19.04.2024.