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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

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ehrlichen Namen eines Menschen oder Bruders
ankommt, vor einer frechen Stimme alle guten
und schwachen verstummen, oder nur leise ansprechen?
daß Dankbarkeit und Anerkennung der Verdienste
ein höchstlästiges Gefühl ist, und daß jeder kleine
Mensch nur dahin arbeitet, jede Größe an seinen
Boden herunter zu ziehen, und sich zu assimili-
ren? -- Wo hat man doch den Br. Knigge
angeklagt, überwiesen, verurtheilt? Wo ist denn
irgend etwas von seiner Schuld gegen den Illumi-
naten O. verlautet, da hingegen seine Verdienste
um denselben weltkundig sind? -- Oder ist es so
etwas ungewöhnliches in der Welt, daß Unklug-
heit
eben so hart und noch härter gezüchtiget wird,
als Verbrechen und Laster, und war es nicht die
größeste Unklugheit, daß Knigge alle Direktion
niederlegte? -- Ja, hier finden wir den unglück-
lichen Schlüssel zu seinem Schicksal. Hätte er ge-
than, was er wollte, wie andere es thaten, aber
mit Frechheit; hätte er jedem Herschsüchtigen im-
ponirt, und diese immer feige Menschen durch seine
Autorität in Schranken gehalten, -- er würde wie
ein Gott verehrt worden seyn, und gutmüthige
Leute hätten den Traum von Dankbarkeit und
Anerkennung des Guten in der Welt austräumen
können. Aber er entäußerte sich mit edlem Enthu-
siasmus seiner Gewalt; und nun mußte er ent-
weder seinen Mund nicht mehr aufthun, und
schweigend sein Werk verlassen, oder er mußte dul-
den, was nicht zu vermeiden war. Er kam in
Mißhelligkeit mit einer höheren Autorität und er

ehrlichen Namen eines Menſchen oder Bruders
ankommt, vor einer frechen Stimme alle guten
und ſchwachen verſtummen, oder nur leiſe anſprechen?
daß Dankbarkeit und Anerkennung der Verdienſte
ein hoͤchſtlaͤſtiges Gefuͤhl iſt, und daß jeder kleine
Menſch nur dahin arbeitet, jede Groͤße an ſeinen
Boden herunter zu ziehen, und ſich zu aſſimili-
ren? — Wo hat man doch den Br. Knigge
angeklagt, uͤberwieſen, verurtheilt? Wo iſt denn
irgend etwas von ſeiner Schuld gegen den Illumi-
naten O. verlautet, da hingegen ſeine Verdienſte
um denſelben weltkundig ſind? — Oder iſt es ſo
etwas ungewoͤhnliches in der Welt, daß Unklug-
heit
eben ſo hart und noch haͤrter gezuͤchtiget wird,
als Verbrechen und Laſter, und war es nicht die
groͤßeſte Unklugheit, daß Knigge alle Direktion
niederlegte? — Ja, hier finden wir den ungluͤck-
lichen Schluͤſſel zu ſeinem Schickſal. Haͤtte er ge-
than, was er wollte, wie andere es thaten, aber
mit Frechheit; haͤtte er jedem Herſchſuͤchtigen im-
ponirt, und dieſe immer feige Menſchen durch ſeine
Autoritaͤt in Schranken gehalten, — er wuͤrde wie
ein Gott verehrt worden ſeyn, und gutmuͤthige
Leute haͤtten den Traum von Dankbarkeit und
Anerkennung des Guten in der Welt austraͤumen
koͤnnen. Aber er entaͤußerte ſich mit edlem Enthu-
ſiasmus ſeiner Gewalt; und nun mußte er ent-
weder ſeinen Mund nicht mehr aufthun, und
ſchweigend ſein Werk verlaſſen, oder er mußte dul-
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[283/0305] ehrlichen Namen eines Menſchen oder Bruders ankommt, vor einer frechen Stimme alle guten und ſchwachen verſtummen, oder nur leiſe anſprechen? daß Dankbarkeit und Anerkennung der Verdienſte ein hoͤchſtlaͤſtiges Gefuͤhl iſt, und daß jeder kleine Menſch nur dahin arbeitet, jede Groͤße an ſeinen Boden herunter zu ziehen, und ſich zu aſſimili- ren? — Wo hat man doch den Br. Knigge angeklagt, uͤberwieſen, verurtheilt? Wo iſt denn irgend etwas von ſeiner Schuld gegen den Illumi- naten O. verlautet, da hingegen ſeine Verdienſte um denſelben weltkundig ſind? — Oder iſt es ſo etwas ungewoͤhnliches in der Welt, daß Unklug- heit eben ſo hart und noch haͤrter gezuͤchtiget wird, als Verbrechen und Laſter, und war es nicht die groͤßeſte Unklugheit, daß Knigge alle Direktion niederlegte? — Ja, hier finden wir den ungluͤck- lichen Schluͤſſel zu ſeinem Schickſal. Haͤtte er ge- than, was er wollte, wie andere es thaten, aber mit Frechheit; haͤtte er jedem Herſchſuͤchtigen im- ponirt, und dieſe immer feige Menſchen durch ſeine Autoritaͤt in Schranken gehalten, — er wuͤrde wie ein Gott verehrt worden ſeyn, und gutmuͤthige Leute haͤtten den Traum von Dankbarkeit und Anerkennung des Guten in der Welt austraͤumen koͤnnen. Aber er entaͤußerte ſich mit edlem Enthu- ſiasmus ſeiner Gewalt; und nun mußte er ent- weder ſeinen Mund nicht mehr aufthun, und ſchweigend ſein Werk verlaſſen, oder er mußte dul- den, was nicht zu vermeiden war. Er kam in Mißhelligkeit mit einer hoͤheren Autoritaͤt und er

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/305>, abgerufen am 23.11.2024.