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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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sten nach Maaßgabe seiner Einsichten, seiner
Eigenthümlichkeiten und seiner Bedürfnisse bil-
det. Zuverläßig war die Welt, die sich K. in sei-
nem Innersten gebaut hatte, ein Reich der Ruhe,
der Anmuth, der Wonne, der Freude und des
Frohsinnes. Gefiel uns der schöne Abglanz die-
ser Welt, wenn K. die Thräne der Dürftigkeit
trocknete, wenn er dem unschuldig Leidenden Trost
einflößte, den Verkannten oder Gekränkten, mit
männlicher Festigkeit vertheidigte und der Freund-
schaft Opfer brachte; warum wollten wir schel-
süchtig die Augen abwenden, wenn sie uns in sei-
nem Bestreben, die Freuden des Lebens zu ge-
nießen, entgegenstrahlte. Ob aber seine Welt,
oder die, welche der ernstere, kältere Mann in
seinem Herzen herumträgt, die bessere sey, dar-
über gebührt nur dem ewigen Weltenrichter das
Urtheil; und kein Sterblicher darf es wagen, ihm
die Wagschale zu entreißen. K. hat vor ihm ge-
standen, und er wird einen gelinden Richterspruch
erhalten haben. Denn seine Welt hat ihn für
das Reich der Wahrheit nie gleichgültig, und für
das Reich des Guten nie kalt und stumpf ge-
macht.



Recht thun und Niemanden fürchten,
war die herrschende Lebensmaxime unseres heimge-
gangenen Bruders S. Die äußere Form, in die er
sein Rechtthun einkleidete, war die eben so zufällige,
als nothwendige Wirkung der äußern Umstände
und Verhältnisse, unter welchen er zum Manne

ſten nach Maaßgabe ſeiner Einſichten, ſeiner
Eigenthuͤmlichkeiten und ſeiner Beduͤrfniſſe bil-
det. Zuverlaͤßig war die Welt, die ſich K. in ſei-
nem Innerſten gebaut hatte, ein Reich der Ruhe,
der Anmuth, der Wonne, der Freude und des
Frohſinnes. Gefiel uns der ſchoͤne Abglanz die-
ſer Welt, wenn K. die Thraͤne der Duͤrftigkeit
trocknete, wenn er dem unſchuldig Leidenden Troſt
einfloͤßte, den Verkannten oder Gekraͤnkten, mit
maͤnnlicher Feſtigkeit vertheidigte und der Freund-
ſchaft Opfer brachte; warum wollten wir ſchel-
ſuͤchtig die Augen abwenden, wenn ſie uns in ſei-
nem Beſtreben, die Freuden des Lebens zu ge-
nießen, entgegenſtrahlte. Ob aber ſeine Welt,
oder die, welche der ernſtere, kaͤltere Mann in
ſeinem Herzen herumtraͤgt, die beſſere ſey, dar-
uͤber gebuͤhrt nur dem ewigen Weltenrichter das
Urtheil; und kein Sterblicher darf es wagen, ihm
die Wagſchale zu entreißen. K. hat vor ihm ge-
ſtanden, und er wird einen gelinden Richterſpruch
erhalten haben. Denn ſeine Welt hat ihn fuͤr
das Reich der Wahrheit nie gleichguͤltig, und fuͤr
das Reich des Guten nie kalt und ſtumpf ge-
macht.



Recht thun und Niemanden fuͤrchten,
war die herrſchende Lebensmaxime unſeres heimge-
gangenen Bruders S. Die aͤußere Form, in die er
ſein Rechtthun einkleidete, war die eben ſo zufaͤllige,
als nothwendige Wirkung der aͤußern Umſtaͤnde
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[187/0205] ſten nach Maaßgabe ſeiner Einſichten, ſeiner Eigenthuͤmlichkeiten und ſeiner Beduͤrfniſſe bil- det. Zuverlaͤßig war die Welt, die ſich K. in ſei- nem Innerſten gebaut hatte, ein Reich der Ruhe, der Anmuth, der Wonne, der Freude und des Frohſinnes. Gefiel uns der ſchoͤne Abglanz die- ſer Welt, wenn K. die Thraͤne der Duͤrftigkeit trocknete, wenn er dem unſchuldig Leidenden Troſt einfloͤßte, den Verkannten oder Gekraͤnkten, mit maͤnnlicher Feſtigkeit vertheidigte und der Freund- ſchaft Opfer brachte; warum wollten wir ſchel- ſuͤchtig die Augen abwenden, wenn ſie uns in ſei- nem Beſtreben, die Freuden des Lebens zu ge- nießen, entgegenſtrahlte. Ob aber ſeine Welt, oder die, welche der ernſtere, kaͤltere Mann in ſeinem Herzen herumtraͤgt, die beſſere ſey, dar- uͤber gebuͤhrt nur dem ewigen Weltenrichter das Urtheil; und kein Sterblicher darf es wagen, ihm die Wagſchale zu entreißen. K. hat vor ihm ge- ſtanden, und er wird einen gelinden Richterſpruch erhalten haben. Denn ſeine Welt hat ihn fuͤr das Reich der Wahrheit nie gleichguͤltig, und fuͤr das Reich des Guten nie kalt und ſtumpf ge- macht. Recht thun und Niemanden fuͤrchten, war die herrſchende Lebensmaxime unſeres heimge- gangenen Bruders S. Die aͤußere Form, in die er ſein Rechtthun einkleidete, war die eben ſo zufaͤllige, als nothwendige Wirkung der aͤußern Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe, unter welchen er zum Manne

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/205>, abgerufen am 01.05.2024.