Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.ihrem bösen Leben fortfahren wollen, als wie sie vor 10. und 20. Jahren ange- Die Moralisten nun nennen mit Recht eine solche pravam consuetudinem Es ist dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man sa- las A a 2
ihrem boͤſen Leben fortfahren wollen, als wie ſie vor 10. und 20. Jahren ange- Die Moraliſten nun nennen mit Recht eine ſolche pravam conſuetudinem Es iſt dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man ſa- las A a 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0231" n="187"/> ihrem boͤſen Leben fortfahren wollen, als wie ſie vor 10. und 20. Jahren ange-<lb/> fangen haben. Wann man z. E. fragt: <hi rendition="#fr">Wie kommt es doch, daß dieſer<lb/> und jener Studente, dieſer und jener Kauff- und Handwercksmann,<lb/> den gantzen Tag nichts thut, als daß er die Steine auf der Gaſſen<lb/> zehlet, die Leute in</hi> F<hi rendition="#fr">enſtern beſiehet und richtet, ſich auf denen Doͤrf-<lb/> fern vom Morgen biß in die Nacht, oder auch wohl acht und vier-<lb/> zehen Tage hinter einander, ohne nach</hi> H<hi rendition="#fr">auſe zu kommen, im Luder<lb/> herum weltzet, mit dem</hi> F<hi rendition="#fr">rauenzimmer in Gaͤrten</hi> <hi rendition="#aq">converſi</hi><hi rendition="#fr">ret, mit ih-<lb/> nen ein</hi> <hi rendition="#aq">Lombergen</hi> <hi rendition="#fr">ſpielet, alsdann ein Koͤppgen</hi> <hi rendition="#aq">Caffée</hi> <hi rendition="#fr">oben drauf ſetzet,<lb/> und wann alles dieſes geendiget, zwar ſehr vertraute, aber zu gleicher<lb/> Zeit recht tolle und liederliche</hi> <hi rendition="#aq">Diſcurſe</hi> <hi rendition="#fr">fuͤhret?</hi> ſo wird man gleich von<lb/> denen meiſten Leuten die Antwort bekommen; <hi rendition="#fr">Ach der liederliche Vogel iſt<lb/> vor 6. und <supplied>7</supplied>. Jahren nicht anders geweſen, wird auch ein Bruder Sauff-<lb/> aus und</hi> H<hi rendition="#fr">uren-Teuffel bleiben, ſo lange er es</hi> <hi rendition="#aq">præſti</hi><hi rendition="#fr">ren kan. Ja,</hi> fah-<lb/> ren die Leute ferner fort, <hi rendition="#fr">er wird das liederliche Leben nicht eher laſſen,<lb/> biß er das bißgen Guth ſeiner Eltern wird voͤllig durch die Gurgel ge-<lb/> jaget haben. Alsdann wird er, wie es alle andere Schelme zu ma-<lb/> chen pflegen, zur Stadt und zum Lande hinaus lauffen, und zu guter<lb/> letzt noch einmal Juchhe! ſchreyen.</hi></p><lb/> <p>Die <hi rendition="#aq">Moraliſt</hi>en nun nennen mit Recht eine ſolche <hi rendition="#aq">pravam conſuetudinem<lb/> alterum diabolum,</hi> weil dadurch die leichtfertigen Menſchen in ihrem Vorur-<lb/> theil der Hartnaͤckigkeit verſtaͤrcket, und endlich faſt auf keinerley Art und<lb/> Weiſe gebeſſert werden koͤnnen. Denn weil ein ſolches Vorurtheil der boͤſen<lb/> Gewohnheit <hi rendition="#aq">habitum peccandi induciret, deteſtandam vivendi licentiam</hi><lb/> mit ſich fuͤhret, ſo iſt auch nachgehends bey einem ſolchem elenden, und biß in<lb/> den aͤuſſerſten Grad verdorbenen Menſchen, wie die Teutſchen ſonſt im Sprich-<lb/> wort zu reden pflegen, H<hi rendition="#fr">opffen und Maltz verlohren.</hi> Hieher gehoͤret<lb/> abſonderlich die unverantwortlichen <hi rendition="#aq">Expreſſiones</hi> derer <hi rendition="#aq">Philoſophorum Ari-<lb/> ſtotelicorum,</hi> wann ſie aus einer vorgefaſten Meynung der Hartnaͤckigkeit,<lb/> und alter boͤſen Gewohnheit ſagen, <hi rendition="#fr">ſie koͤnten doch nicht von der Mey-<lb/> nung ihres</hi> G<hi rendition="#fr">roß Vaters des</hi> <hi rendition="#aq">Ariſtotelis</hi> <hi rendition="#fr">laſſen, wann gleich andere toll<lb/> und thoͤricht daruͤber werden ſolten.</hi></p><lb/> <p>Es iſt dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man ſa-<lb/> get; <hi rendition="#aq">Conſuetudo eſt altera natura,</hi> oder, wie der <hi rendition="#aq">Poët</hi> ſinget: <hi rendition="#aq">Naturam expel-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">A a 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">las</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0231]
ihrem boͤſen Leben fortfahren wollen, als wie ſie vor 10. und 20. Jahren ange-
fangen haben. Wann man z. E. fragt: Wie kommt es doch, daß dieſer
und jener Studente, dieſer und jener Kauff- und Handwercksmann,
den gantzen Tag nichts thut, als daß er die Steine auf der Gaſſen
zehlet, die Leute in Fenſtern beſiehet und richtet, ſich auf denen Doͤrf-
fern vom Morgen biß in die Nacht, oder auch wohl acht und vier-
zehen Tage hinter einander, ohne nach Hauſe zu kommen, im Luder
herum weltzet, mit dem Frauenzimmer in Gaͤrten converſiret, mit ih-
nen ein Lombergen ſpielet, alsdann ein Koͤppgen Caffée oben drauf ſetzet,
und wann alles dieſes geendiget, zwar ſehr vertraute, aber zu gleicher
Zeit recht tolle und liederliche Diſcurſe fuͤhret? ſo wird man gleich von
denen meiſten Leuten die Antwort bekommen; Ach der liederliche Vogel iſt
vor 6. und 7. Jahren nicht anders geweſen, wird auch ein Bruder Sauff-
aus und Huren-Teuffel bleiben, ſo lange er es præſtiren kan. Ja, fah-
ren die Leute ferner fort, er wird das liederliche Leben nicht eher laſſen,
biß er das bißgen Guth ſeiner Eltern wird voͤllig durch die Gurgel ge-
jaget haben. Alsdann wird er, wie es alle andere Schelme zu ma-
chen pflegen, zur Stadt und zum Lande hinaus lauffen, und zu guter
letzt noch einmal Juchhe! ſchreyen.
Die Moraliſten nun nennen mit Recht eine ſolche pravam conſuetudinem
alterum diabolum, weil dadurch die leichtfertigen Menſchen in ihrem Vorur-
theil der Hartnaͤckigkeit verſtaͤrcket, und endlich faſt auf keinerley Art und
Weiſe gebeſſert werden koͤnnen. Denn weil ein ſolches Vorurtheil der boͤſen
Gewohnheit habitum peccandi induciret, deteſtandam vivendi licentiam
mit ſich fuͤhret, ſo iſt auch nachgehends bey einem ſolchem elenden, und biß in
den aͤuſſerſten Grad verdorbenen Menſchen, wie die Teutſchen ſonſt im Sprich-
wort zu reden pflegen, Hopffen und Maltz verlohren. Hieher gehoͤret
abſonderlich die unverantwortlichen Expreſſiones derer Philoſophorum Ari-
ſtotelicorum, wann ſie aus einer vorgefaſten Meynung der Hartnaͤckigkeit,
und alter boͤſen Gewohnheit ſagen, ſie koͤnten doch nicht von der Mey-
nung ihres Groß Vaters des Ariſtotelis laſſen, wann gleich andere toll
und thoͤricht daruͤber werden ſolten.
Es iſt dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man ſa-
get; Conſuetudo eſt altera natura, oder, wie der Poët ſinget: Naturam expel-
las
A a 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |