haffte nicht so grosse Kurtzweile, als bey dem vorigen Rennen empfanden, die- weil die Unbilligkeit, so dabey vorlieffe, allzugroß und nicht zu erdulden war, indem man diesen armen Schluckern und Gelehrten, das Ziel zu weit gestecket hatte; dahingegen den grossen reichen Hannsen dasselbige so nahe gesetzet wur- de, daß sie es ohne eintzige Mühe, und sonder Lauffen, wann sie nur eine Hand ausstrecken und darnach griffen, erreichen mochten. Dannenhero waren ih- rer viele, wegen dieser grossen Ungleichheit der Meinung, es seye vielmehr dem blossen Glücke, als dem sauren Schweiß und denen Meriten zuzuschreiben, wann ein armer Gelehrter bey Hoffe zu denen höchsten Ehren-Aemtern erha- ben würde. Nichts destoweniger ist bey diesem letzten Lauffen observiret wor- den, daß viele vom Adel, und andere Neiche bey Hofe sehr zurücke blieben, und dargegen andere arme, unansehnliche Tropffen ihnen weit vorgelauffen, an- bey das Ehren-Cräntzlein davon getragen haben. Und obzwar etliche sich ge- funden, so vorgeben dörffen, daß sie solches durch Gunst von dem Fürsten er- langet hätten; so haben doch andere Verständigere davor gehalten, es hätten sich diejenigen billig zu rühmen, und vor glück selig zu schätzen, welche sich bey grossen Herren, denen sie dienen, so beliebt zu machen wüsten, daß sie zu hohen Ehren befördert würden; ja sie möchten wohl sagen, daß sie in ihrem ausge- standenen Lauff gute Füße gehabt hätten. Unterdessen trug sich ein anderer Fall zu welcher bey dem Volck grosses Lachen verursachte, von wegen zweyer vornehmen Personen bey Hoffe, welche wie offtermalen zu geschehen pfleget, indem einer den andern zurücke zu halten, und in seinem Lauff zu verhindern sich unterstunde, wider einander lieffen; worüber sie dergestalt gegen einander verbittert wurden, daß sie des Hauptwercks ihres Lauffens, den Preiß da- von zu bringen vergassen, und einander, schändlicher Weise, mitten auf der Gassen, mit Fäusten zu schlagen anfiengen. Nachdem sie sich nun eine gute Weile in dem Koth mit allerhand Beschuldigungen und Injurien, so sie gegen einander ausstiessen, wacker herum geweltzet, und ihre Reputation ziemlicher- massen besudelt hatten, wurden sie endlich von jederman verhöhnet und verla- chet, dergestalt, daß sie mit Spott und Schimpff nach Hause ziehen musten. Ob nun zwar dieses dem gemeinen Pöbel lächerlich vorkam; so haben dennoch Ihro Parnassische Majestät solches vor ein so hochwichtiges Werck gehal- ten, daß sie dem weitberühmten Bildhauer Praxiteli auferlegen und anbefeh- ken lassen, solches in eine marmorsteinerne Tafel einzuhauen, damit sich in künfftigen Zeiten die Hof-Courtisanen, so über einander eyffern, daran zu spie- geln hätten.
In
haffte nicht ſo groſſe Kurtzweile, als bey dem vorigen Rennen empfanden, die- weil die Unbilligkeit, ſo dabey vorlieffe, allzugroß und nicht zu erdulden war, indem man dieſen armen Schluckern und Gelehrten, das Ziel zu weit geſtecket hatte; dahingegen den groſſen reichen Hannſen daſſelbige ſo nahe geſetzet wur- de, daß ſie es ohne eintzige Muͤhe, und ſonder Lauffen, wann ſie nur eine Hand ausſtrecken und darnach griffen, erreichen mochten. Dannenhero waren ih- rer viele, wegen dieſer groſſen Ungleichheit der Meinung, es ſeye vielmehr dem bloſſen Gluͤcke, als dem ſauren Schweiß und denen Meriten zuzuſchreiben, wann ein armer Gelehrter bey Hoffe zu denen hoͤchſten Ehren-Aemtern erha- ben wuͤrde. Nichts deſtoweniger iſt bey dieſem letzten Lauffen obſerviret wor- den, daß viele vom Adel, und andere Neiche bey Hofe ſehr zuruͤcke blieben, und dargegen andere arme, unanſehnliche Tropffen ihnen weit vorgelauffen, an- bey das Ehren-Craͤntzlein davon getragen haben. Und obzwar etliche ſich ge- funden, ſo vorgeben doͤrffen, daß ſie ſolches durch Gunſt von dem Fuͤrſten er- langet haͤtten; ſo haben doch andere Verſtaͤndigere davor gehalten, es haͤtten ſich diejenigen billig zu ruͤhmen, und vor gluͤck ſelig zu ſchaͤtzen, welche ſich bey groſſen Herren, denen ſie dienen, ſo beliebt zu machen wuͤſten, daß ſie zu hohen Ehren befoͤrdert wuͤrden; ja ſie moͤchten wohl ſagen, daß ſie in ihrem ausge- ſtandenen Lauff gute Fuͤße gehabt haͤtten. Unterdeſſen trug ſich ein anderer Fall zu welcher bey dem Volck groſſes Lachen verurſachte, von wegen zweyer vornehmen Perſonen bey Hoffe, welche wie offtermalen zu geſchehen pfleget, indem einer den andern zuruͤcke zu halten, und in ſeinem Lauff zu verhindern ſich unterſtunde, wider einander lieffen; woruͤber ſie dergeſtalt gegen einander verbittert wurden, daß ſie des Hauptwercks ihres Lauffens, den Preiß da- von zu bringen vergaſſen, und einander, ſchaͤndlicher Weiſe, mitten auf der Gaſſen, mit Faͤuſten zu ſchlagen anfiengen. Nachdem ſie ſich nun eine gute Weile in dem Koth mit allerhand Beſchuldigungen und Injurien, ſo ſie gegen einander ausſtieſſen, wacker herum geweltzet, und ihre Reputation ziemlicher- maſſen beſudelt hatten, wurden ſie endlich von jederman verhoͤhnet und verla- chet, dergeſtalt, daß ſie mit Spott und Schimpff nach Hauſe ziehen muſten. Ob nun zwar dieſes dem gemeinen Poͤbel laͤcherlich vorkam; ſo haben dennoch Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt ſolches vor ein ſo hochwichtiges Werck gehal- ten, daß ſie dem weitberuͤhmten Bildhauer Praxiteli auferlegen und anbefeh- ken laſſen, ſolches in eine marmorſteinerne Tafel einzuhauen, damit ſich in kuͤnfftigen Zeiten die Hof-Courtiſanen, ſo uͤber einander eyffern, daran zu ſpie- geln haͤtten.
In
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haffte nicht ſo groſſe Kurtzweile, als bey dem vorigen Rennen empfanden, die-
weil die Unbilligkeit, ſo dabey vorlieffe, allzugroß und nicht zu erdulden war,
indem man dieſen armen Schluckern und Gelehrten, das Ziel zu weit geſtecket
hatte; dahingegen den groſſen reichen Hannſen daſſelbige ſo nahe geſetzet wur-
de, daß ſie es ohne eintzige Muͤhe, und ſonder Lauffen, wann ſie nur eine Hand
ausſtrecken und darnach griffen, erreichen mochten. Dannenhero waren ih-
rer viele, wegen dieſer groſſen Ungleichheit der Meinung, es ſeye vielmehr dem
bloſſen Gluͤcke, als dem ſauren Schweiß und denen Meriten zuzuſchreiben,
wann ein armer Gelehrter bey Hoffe zu denen hoͤchſten Ehren-Aemtern erha-
ben wuͤrde. Nichts deſtoweniger iſt bey dieſem letzten Lauffen obſerviret wor-
den, daß viele vom Adel, und andere Neiche bey Hofe ſehr zuruͤcke blieben,
und dargegen andere arme, unanſehnliche Tropffen ihnen weit vorgelauffen, an-
bey das Ehren-Craͤntzlein davon getragen haben. Und obzwar etliche ſich ge-
funden, ſo vorgeben doͤrffen, daß ſie ſolches durch Gunſt von dem Fuͤrſten er-
langet haͤtten; ſo haben doch andere Verſtaͤndigere davor gehalten, es haͤtten
ſich diejenigen billig zu ruͤhmen, und vor gluͤck ſelig zu ſchaͤtzen, welche ſich bey
groſſen Herren, denen ſie dienen, ſo beliebt zu machen wuͤſten, daß ſie zu hohen
Ehren befoͤrdert wuͤrden; ja ſie moͤchten wohl ſagen, daß ſie in ihrem ausge-
ſtandenen Lauff gute Fuͤße gehabt haͤtten. Unterdeſſen trug ſich ein anderer
Fall zu welcher bey dem Volck groſſes Lachen verurſachte, von wegen zweyer
vornehmen Perſonen bey Hoffe, welche wie offtermalen zu geſchehen pfleget,
indem einer den andern zuruͤcke zu halten, und in ſeinem Lauff zu verhindern
ſich unterſtunde, wider einander lieffen; woruͤber ſie dergeſtalt gegen einander
verbittert wurden, daß ſie des Hauptwercks ihres Lauffens, den Preiß da-
von zu bringen vergaſſen, und einander, ſchaͤndlicher Weiſe, mitten auf der
Gaſſen, mit Faͤuſten zu ſchlagen anfiengen. Nachdem ſie ſich nun eine gute
Weile in dem Koth mit allerhand Beſchuldigungen und Injurien, ſo ſie gegen
einander ausſtieſſen, wacker herum geweltzet, und ihre Reputation ziemlicher-
maſſen beſudelt hatten, wurden ſie endlich von jederman verhoͤhnet und verla-
chet, dergeſtalt, daß ſie mit Spott und Schimpff nach Hauſe ziehen muſten.
Ob nun zwar dieſes dem gemeinen Poͤbel laͤcherlich vorkam; ſo haben dennoch
Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt ſolches vor ein ſo hochwichtiges Werck gehal-
ten, daß ſie dem weitberuͤhmten Bildhauer Praxiteli auferlegen und anbefeh-
ken laſſen, ſolches in eine marmorſteinerne Tafel einzuhauen, damit ſich in
kuͤnfftigen Zeiten die Hof-Courtiſanen, ſo uͤber einander eyffern, daran zu ſpie-
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/184>, abgerufen am 19.07.2024.
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