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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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ten als säen wollen, haben das Hertze nicht, diesen edlen Saamen auszustreuen,
weil sie vermeynen er sey verlohren.

Gleichergestalt haben diejenigen, welche Dräuungen, und Schmäh-
Worte ausgesäet, eine reiche Erndte gehabt, allermassen sie in der That, Feind-
schafft, Verletzungen und Schaden genug bekommen.

Die, so böse Wünsche gesäet, haben den Fluch eingeerndtet. Etliche ande-
re, so Disteln der Verleumdung gesäet, haben eine solche reiche Erndte von
Dornen gehabt, daß sie alle Scheuren damit angefüllet, und biß in das dritte
Glied genug daran haben.

Eine sehr nachdenckliche Relation aus dem Parnasso
ist auch diese.

EInes Menschen Sinn und Humeur recht zu erkennen ist nöthig öffters an die-
jenigen Orte zu gehen, wo ehrliche Handthierung getrieben wird: wie nicht
weniger in solche Cräme und Laden, wo lasterhaffte und böse Sachen verkauf-
fet werden. Wer sich nun darinnen finden lässet, den muß man genau mer-
cken und notiren. Also geben die Buchläden zu erkennen, welche Liebhaber
derer freyen Künste seynd. Also zeugen Spiel-Häuser, und Spiel-Plätze, mit
Fingern auf die, so Lust zu dem Spielen haben. Die Pasteten-Häuser, und
berühmten Tracteurs, verrathen die Schlecker-Mäuler; die Wirths-Häuser
die Zech-Brüder. An keinem bessern und bequemern Orte aber kan man die
eitlen leichtfertigen Leute erkennen lernen, als in denen Barbier-Stuben, in
welchen man siehet, welches die Ganimedes und Narcissi seynd, so da mit gros-
ser Gedult dem Barbierer zwo Stunden stille halten können, die so pünctlich
und eben müssen geputzet seyn, daß sie mehr Zeit zubringen, den Bart recht auf-
setzen zu lassen, als die allerzierlichste Braut ihren gantzen Kopff zu zieren und zu
schmücken. Wann ein eintziges Härlein vor dem andern hervor gucket, oder
krumm stehet, meynen sie gleich, sie seyn die allerversteltesten Leute in der gantzen
Stadt. Daher kömmet es, daß der Zeitungs-Schreiber, dem dergleichen
Stücklein wohl bekannt, sich zum öfftern in dem politischen Kauf-Haus finden
lässet, und solches allein darum, auf daß er aus denen Waaren, so andere kauf-
fen, in Erfahrung bringen möge, wie ihrer viele an dem Hofe des Appollinis ge-

sinner

ten als ſaͤen wollen, haben das Hertze nicht, dieſen edlen Saamen auszuſtreuen,
weil ſie vermeynen er ſey verlohren.

Gleichergeſtalt haben diejenigen, welche Draͤuungen, und Schmaͤh-
Worte ausgeſaͤet, eine reiche Erndte gehabt, allermaſſen ſie in der That, Feind-
ſchafft, Verletzungen und Schaden genug bekommen.

Die, ſo boͤſe Wuͤnſche geſaͤet, haben den Fluch eingeerndtet. Etliche ande-
re, ſo Diſteln der Verleumdung geſaͤet, haben eine ſolche reiche Erndte von
Dornen gehabt, daß ſie alle Scheuren damit angefuͤllet, und biß in das dritte
Glied genug daran haben.

Eine ſehr nachdenckliche Relation aus dem Parnaſſo
iſt auch dieſe.

EInes Menſchen Sinn und Humeur recht zu erkennen iſt noͤthig oͤffters an die-
jenigen Orte zu gehen, wo ehrliche Handthierung getrieben wird: wie nicht
weniger in ſolche Craͤme und Laden, wo laſterhaffte und boͤſe Sachen verkauf-
fet werden. Wer ſich nun darinnen finden laͤſſet, den muß man genau mer-
cken und notiren. Alſo geben die Buchlaͤden zu erkennen, welche Liebhaber
derer freyen Kuͤnſte ſeynd. Alſo zeugen Spiel-Haͤuſer, und Spiel-Plaͤtze, mit
Fingern auf die, ſo Luſt zu dem Spielen haben. Die Paſteten-Haͤuſer, und
beruͤhmten Tracteurs, verrathen die Schlecker-Maͤuler; die Wirths-Haͤuſer
die Zech-Bruͤder. An keinem beſſern und bequemern Orte aber kan man die
eitlen leichtfertigen Leute erkennen lernen, als in denen Barbier-Stuben, in
welchen man ſiehet, welches die Ganimedes und Narciſſi ſeynd, ſo da mit groſ-
ſer Gedult dem Barbierer zwo Stunden ſtille halten koͤnnen, die ſo puͤnctlich
und eben muͤſſen geputzet ſeyn, daß ſie mehr Zeit zubringen, den Bart recht auf-
ſetzen zu laſſen, als die allerzierlichſte Braut ihren gantzen Kopff zu zieren und zu
ſchmuͤcken. Wann ein eintziges Haͤrlein vor dem andern hervor gucket, oder
krumm ſtehet, meynen ſie gleich, ſie ſeyn die allerverſtelteſten Leute in der gantzen
Stadt. Daher koͤmmet es, daß der Zeitungs-Schreiber, dem dergleichen
Stuͤcklein wohl bekannt, ſich zum oͤfftern in dem politiſchen Kauf-Haus finden
laͤſſet, und ſolches allein darum, auf daß er aus denen Waaren, ſo andere kauf-
fen, in Erfahrung bringen moͤge, wie ihrer viele an dem Hofe des Appollinis ge-

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[103/0147] ten als ſaͤen wollen, haben das Hertze nicht, dieſen edlen Saamen auszuſtreuen, weil ſie vermeynen er ſey verlohren. Gleichergeſtalt haben diejenigen, welche Draͤuungen, und Schmaͤh- Worte ausgeſaͤet, eine reiche Erndte gehabt, allermaſſen ſie in der That, Feind- ſchafft, Verletzungen und Schaden genug bekommen. Die, ſo boͤſe Wuͤnſche geſaͤet, haben den Fluch eingeerndtet. Etliche ande- re, ſo Diſteln der Verleumdung geſaͤet, haben eine ſolche reiche Erndte von Dornen gehabt, daß ſie alle Scheuren damit angefuͤllet, und biß in das dritte Glied genug daran haben. Eine ſehr nachdenckliche Relation aus dem Parnaſſo iſt auch dieſe. EInes Menſchen Sinn und Humeur recht zu erkennen iſt noͤthig oͤffters an die- jenigen Orte zu gehen, wo ehrliche Handthierung getrieben wird: wie nicht weniger in ſolche Craͤme und Laden, wo laſterhaffte und boͤſe Sachen verkauf- fet werden. Wer ſich nun darinnen finden laͤſſet, den muß man genau mer- cken und notiren. Alſo geben die Buchlaͤden zu erkennen, welche Liebhaber derer freyen Kuͤnſte ſeynd. Alſo zeugen Spiel-Haͤuſer, und Spiel-Plaͤtze, mit Fingern auf die, ſo Luſt zu dem Spielen haben. Die Paſteten-Haͤuſer, und beruͤhmten Tracteurs, verrathen die Schlecker-Maͤuler; die Wirths-Haͤuſer die Zech-Bruͤder. An keinem beſſern und bequemern Orte aber kan man die eitlen leichtfertigen Leute erkennen lernen, als in denen Barbier-Stuben, in welchen man ſiehet, welches die Ganimedes und Narciſſi ſeynd, ſo da mit groſ- ſer Gedult dem Barbierer zwo Stunden ſtille halten koͤnnen, die ſo puͤnctlich und eben muͤſſen geputzet ſeyn, daß ſie mehr Zeit zubringen, den Bart recht auf- ſetzen zu laſſen, als die allerzierlichſte Braut ihren gantzen Kopff zu zieren und zu ſchmuͤcken. Wann ein eintziges Haͤrlein vor dem andern hervor gucket, oder krumm ſtehet, meynen ſie gleich, ſie ſeyn die allerverſtelteſten Leute in der gantzen Stadt. Daher koͤmmet es, daß der Zeitungs-Schreiber, dem dergleichen Stuͤcklein wohl bekannt, ſich zum oͤfftern in dem politiſchen Kauf-Haus finden laͤſſet, und ſolches allein darum, auf daß er aus denen Waaren, ſo andere kauf- fen, in Erfahrung bringen moͤge, wie ihrer viele an dem Hofe des Appollinis ge- ſinner

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/147>, abgerufen am 21.11.2024.