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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
an ihre Vorgänger anschließen, halten sich noch eine Zeitlang frei
von dieser Richtung, wie in Deutschland der treffliche Jost Amman
mit seinen unzähligen populären Holzschnitten. In Italien be-
wahrten sich vor dem allgemeinen Manierismus nur die großen
Venetianer durch eine edle Sinnlichkeit, die uns aus der Frische
und der Lust des Lebens, aus dem warmblühenden Colorit, aus
den hohen, in üppiger Leibesfülle sich wiegenden Gestalten ent-
gegentritt. Einen Abglanz davon können wir auch in den gleich-
zeitigen venetianischen Trachten erkennen. Endlich erscheint alles
unter dem ertödtenden Hauch dieser Richtung erstarren zu wollen,
bis der Rückschlag eintritt.

Wir haben schon oben am Schluß des vorigen Capitels im
Allgemeinen angedeutet, wie sich die Kleidung dieser neuen Zeit-
strömung gemäß umwandelt. Vor der Angst des Gewissens und
den Ermahnungen der Geistlichen schwindet der letzte Rest der
Entblößung, und es scheint fast, als wolle man die Glieder ver-
stecken unter der bergenden Hülle. Das helle, lustige oder tief
kräftige Farbenspiel, welches den Körper überzog, weicht, wenig-
stens im ganzen bürgerlichen Stande, einer dunkeln, oft trauri-
gen Einfarbigkeit, die sich in den republikanischen und calvinisti-
schen Niederlanden noch länger als die viel bekannte schwarze
Tracht erhalten hat. Indem nun auch die Freiheit und Bequem-
lichkeit erliegt und steife Formen aufs Neue den Körper einengen,
die nur zu bald zu Mißgestalten und Unnatürlichkeiten werden,
ja selbst ins Ungeheure ausarten, und andrerseits an die Stelle
der alten stattlichen und stolzen Breite und Würde gespreizte Zier-
lichkeit tritt, so läßt sich die ganze äußere Erscheinung der dama-
ligen Menschenwelt grade wie die Kunst als dem Affectirten und
Manierirten verfallen bezeichnen. Da aber dieses unter dem
Eindringen undeutscher Elemente, vor allen der spanischen
geschah, so haben wir uns vorher nach diesen und ihrer Entste-
hung ein wenig näher umzusehen, da wir wissen, wie um das
Jahr 1500 die Kleidung in der ganzen abendländischen Welt so
ziemlich den gleichen Charakter trug.

Man kann sagen, der eine Schlachtentag bei Villalar (1522),

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
an ihre Vorgänger anſchließen, halten ſich noch eine Zeitlang frei
von dieſer Richtung, wie in Deutſchland der treffliche Joſt Amman
mit ſeinen unzähligen populären Holzſchnitten. In Italien be-
wahrten ſich vor dem allgemeinen Manierismus nur die großen
Venetianer durch eine edle Sinnlichkeit, die uns aus der Friſche
und der Luſt des Lebens, aus dem warmblühenden Colorit, aus
den hohen, in üppiger Leibesfülle ſich wiegenden Geſtalten ent-
gegentritt. Einen Abglanz davon können wir auch in den gleich-
zeitigen venetianiſchen Trachten erkennen. Endlich erſcheint alles
unter dem ertödtenden Hauch dieſer Richtung erſtarren zu wollen,
bis der Rückſchlag eintritt.

Wir haben ſchon oben am Schluß des vorigen Capitels im
Allgemeinen angedeutet, wie ſich die Kleidung dieſer neuen Zeit-
ſtrömung gemäß umwandelt. Vor der Angſt des Gewiſſens und
den Ermahnungen der Geiſtlichen ſchwindet der letzte Reſt der
Entblößung, und es ſcheint faſt, als wolle man die Glieder ver-
ſtecken unter der bergenden Hülle. Das helle, luſtige oder tief
kräftige Farbenſpiel, welches den Körper überzog, weicht, wenig-
ſtens im ganzen bürgerlichen Stande, einer dunkeln, oft trauri-
gen Einfarbigkeit, die ſich in den republikaniſchen und calviniſti-
ſchen Niederlanden noch länger als die viel bekannte ſchwarze
Tracht erhalten hat. Indem nun auch die Freiheit und Bequem-
lichkeit erliegt und ſteife Formen aufs Neue den Körper einengen,
die nur zu bald zu Mißgeſtalten und Unnatürlichkeiten werden,
ja ſelbſt ins Ungeheure ausarten, und andrerſeits an die Stelle
der alten ſtattlichen und ſtolzen Breite und Würde geſpreizte Zier-
lichkeit tritt, ſo läßt ſich die ganze äußere Erſcheinung der dama-
ligen Menſchenwelt grade wie die Kunſt als dem Affectirten und
Manierirten verfallen bezeichnen. Da aber dieſes unter dem
Eindringen undeutſcher Elemente, vor allen der ſpaniſchen
geſchah, ſo haben wir uns vorher nach dieſen und ihrer Entſte-
hung ein wenig näher umzuſehen, da wir wiſſen, wie um das
Jahr 1500 die Kleidung in der ganzen abendländiſchen Welt ſo
ziemlich den gleichen Charakter trug.

Man kann ſagen, der eine Schlachtentag bei Villalar (1522),

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[85/0097] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. an ihre Vorgänger anſchließen, halten ſich noch eine Zeitlang frei von dieſer Richtung, wie in Deutſchland der treffliche Joſt Amman mit ſeinen unzähligen populären Holzſchnitten. In Italien be- wahrten ſich vor dem allgemeinen Manierismus nur die großen Venetianer durch eine edle Sinnlichkeit, die uns aus der Friſche und der Luſt des Lebens, aus dem warmblühenden Colorit, aus den hohen, in üppiger Leibesfülle ſich wiegenden Geſtalten ent- gegentritt. Einen Abglanz davon können wir auch in den gleich- zeitigen venetianiſchen Trachten erkennen. Endlich erſcheint alles unter dem ertödtenden Hauch dieſer Richtung erſtarren zu wollen, bis der Rückſchlag eintritt. Wir haben ſchon oben am Schluß des vorigen Capitels im Allgemeinen angedeutet, wie ſich die Kleidung dieſer neuen Zeit- ſtrömung gemäß umwandelt. Vor der Angſt des Gewiſſens und den Ermahnungen der Geiſtlichen ſchwindet der letzte Reſt der Entblößung, und es ſcheint faſt, als wolle man die Glieder ver- ſtecken unter der bergenden Hülle. Das helle, luſtige oder tief kräftige Farbenſpiel, welches den Körper überzog, weicht, wenig- ſtens im ganzen bürgerlichen Stande, einer dunkeln, oft trauri- gen Einfarbigkeit, die ſich in den republikaniſchen und calviniſti- ſchen Niederlanden noch länger als die viel bekannte ſchwarze Tracht erhalten hat. Indem nun auch die Freiheit und Bequem- lichkeit erliegt und ſteife Formen aufs Neue den Körper einengen, die nur zu bald zu Mißgeſtalten und Unnatürlichkeiten werden, ja ſelbſt ins Ungeheure ausarten, und andrerſeits an die Stelle der alten ſtattlichen und ſtolzen Breite und Würde geſpreizte Zier- lichkeit tritt, ſo läßt ſich die ganze äußere Erſcheinung der dama- ligen Menſchenwelt grade wie die Kunſt als dem Affectirten und Manierirten verfallen bezeichnen. Da aber dieſes unter dem Eindringen undeutſcher Elemente, vor allen der ſpaniſchen geſchah, ſo haben wir uns vorher nach dieſen und ihrer Entſte- hung ein wenig näher umzuſehen, da wir wiſſen, wie um das Jahr 1500 die Kleidung in der ganzen abendländiſchen Welt ſo ziemlich den gleichen Charakter trug. Man kann ſagen, der eine Schlachtentag bei Villalar (1522),

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/97>, abgerufen am 24.11.2024.