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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
geht er grade herunter und seine aus einander stehenden Seiten
sind durch Schnürsenkel gehalten. Doch ist die Brust nicht ent-
blößt wie früher, sondern mit einem besondern Einsatz oder Brust-
stück
bedeckt, welches hier an die Stelle des Brusthemdes tritt.
Letzteres erscheint zuweilen gar nicht oder oben mit krausem, ge-
sticktem Saum. Das Bruststück hat immer andere Farbe als das
Kleid und sucht namentlich durch den Gegensatz mit ihm zu wir-
ken; ist letzteres z. B. roth, so ist jenes schwarz und umgekehrt.
Da man zu den Kleidern noch die hellen Farben liebt, nament-
lich Roth und Gelb in den verschiedensten Arten, so findet sich
das Bruststück gewöhnlich von schwarzem oder sonst dunkelfar-
bigem Sammet, welcher tiefer wirkte als anderer Stoff. Außer-
dem erhält es reiche Verzierung und Besatz am Rand und in senk-
rechten Streifen von Gold- und Silberbrokat oder gleicher
Stickerei mit Blumen, Namenszügen, Sinnsprüchen u. dergl.,
oder von Seide und Atlas, worüber Geschmack, Vermögen und
auch hier und da die Luxusgesetze bestimmten. Die prächtigsten
Muster dieser Art können wir namentlich auf cranachschen Bil-
dern sehen, dessen reichgeschmückte Frauengestalten, insbesondere
aber seine vielgesehenen Ehebrecherinnen, für uns die Bedeutung
von Modebildern haben.

Nach dem Jahr 1520 gewinnt das Brusthemd wieder
größere Bedeutung. In einzelnen, dann immer zahlreicheren
Fällen dringt es aus dem Saum des Kleides und des Brustein-
satzes heraus und strebt in derselben Weise, wie das schon früher
bei den Männern geschah, nur in reicherer Entwicklung, zum
Halse. Wie es einerseits vielfach aus klarem, durchsichtigem
Stoffe besteht, so muß es andrerseits noch längere Zeit sich mit
der vollen Decolletirung in die Herrschaft theilen, und das noch
in den dreißiger Jahren. Am Halse hat es einen reichen gelben,
in Gold oder Seide gestickten Saum, und auch sonst ist es häufig
über und über reich bestickt, mit goldenen Borten besetzt und in
eine Unzahl kleiner Falten gelegt. Später wächst dann das
Leibchen gleich dem Wamms des Mannes ebenfalls in die Höhe,
bedeckt auch den stehenden Saum am Halse bis zum Kinn und

III. Die Neuzeit.
geht er grade herunter und ſeine aus einander ſtehenden Seiten
ſind durch Schnürſenkel gehalten. Doch iſt die Bruſt nicht ent-
blößt wie früher, ſondern mit einem beſondern Einſatz oder Bruſt-
ſtück
bedeckt, welches hier an die Stelle des Bruſthemdes tritt.
Letzteres erſcheint zuweilen gar nicht oder oben mit krauſem, ge-
ſticktem Saum. Das Bruſtſtück hat immer andere Farbe als das
Kleid und ſucht namentlich durch den Gegenſatz mit ihm zu wir-
ken; iſt letzteres z. B. roth, ſo iſt jenes ſchwarz und umgekehrt.
Da man zu den Kleidern noch die hellen Farben liebt, nament-
lich Roth und Gelb in den verſchiedenſten Arten, ſo findet ſich
das Bruſtſtück gewöhnlich von ſchwarzem oder ſonſt dunkelfar-
bigem Sammet, welcher tiefer wirkte als anderer Stoff. Außer-
dem erhält es reiche Verzierung und Beſatz am Rand und in ſenk-
rechten Streifen von Gold- und Silberbrokat oder gleicher
Stickerei mit Blumen, Namenszügen, Sinnſprüchen u. dergl.,
oder von Seide und Atlas, worüber Geſchmack, Vermögen und
auch hier und da die Luxusgeſetze beſtimmten. Die prächtigſten
Muſter dieſer Art können wir namentlich auf cranachſchen Bil-
dern ſehen, deſſen reichgeſchmückte Frauengeſtalten, insbeſondere
aber ſeine vielgeſehenen Ehebrecherinnen, für uns die Bedeutung
von Modebildern haben.

Nach dem Jahr 1520 gewinnt das Bruſthemd wieder
größere Bedeutung. In einzelnen, dann immer zahlreicheren
Fällen dringt es aus dem Saum des Kleides und des Bruſtein-
ſatzes heraus und ſtrebt in derſelben Weiſe, wie das ſchon früher
bei den Männern geſchah, nur in reicherer Entwicklung, zum
Halſe. Wie es einerſeits vielfach aus klarem, durchſichtigem
Stoffe beſteht, ſo muß es andrerſeits noch längere Zeit ſich mit
der vollen Decolletirung in die Herrſchaft theilen, und das noch
in den dreißiger Jahren. Am Halſe hat es einen reichen gelben,
in Gold oder Seide geſtickten Saum, und auch ſonſt iſt es häufig
über und über reich beſtickt, mit goldenen Borten beſetzt und in
eine Unzahl kleiner Falten gelegt. Später wächſt dann das
Leibchen gleich dem Wamms des Mannes ebenfalls in die Höhe,
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[72/0084] III. Die Neuzeit. geht er grade herunter und ſeine aus einander ſtehenden Seiten ſind durch Schnürſenkel gehalten. Doch iſt die Bruſt nicht ent- blößt wie früher, ſondern mit einem beſondern Einſatz oder Bruſt- ſtück bedeckt, welches hier an die Stelle des Bruſthemdes tritt. Letzteres erſcheint zuweilen gar nicht oder oben mit krauſem, ge- ſticktem Saum. Das Bruſtſtück hat immer andere Farbe als das Kleid und ſucht namentlich durch den Gegenſatz mit ihm zu wir- ken; iſt letzteres z. B. roth, ſo iſt jenes ſchwarz und umgekehrt. Da man zu den Kleidern noch die hellen Farben liebt, nament- lich Roth und Gelb in den verſchiedenſten Arten, ſo findet ſich das Bruſtſtück gewöhnlich von ſchwarzem oder ſonſt dunkelfar- bigem Sammet, welcher tiefer wirkte als anderer Stoff. Außer- dem erhält es reiche Verzierung und Beſatz am Rand und in ſenk- rechten Streifen von Gold- und Silberbrokat oder gleicher Stickerei mit Blumen, Namenszügen, Sinnſprüchen u. dergl., oder von Seide und Atlas, worüber Geſchmack, Vermögen und auch hier und da die Luxusgeſetze beſtimmten. Die prächtigſten Muſter dieſer Art können wir namentlich auf cranachſchen Bil- dern ſehen, deſſen reichgeſchmückte Frauengeſtalten, insbeſondere aber ſeine vielgeſehenen Ehebrecherinnen, für uns die Bedeutung von Modebildern haben. Nach dem Jahr 1520 gewinnt das Bruſthemd wieder größere Bedeutung. In einzelnen, dann immer zahlreicheren Fällen dringt es aus dem Saum des Kleides und des Bruſtein- ſatzes heraus und ſtrebt in derſelben Weiſe, wie das ſchon früher bei den Männern geſchah, nur in reicherer Entwicklung, zum Halſe. Wie es einerſeits vielfach aus klarem, durchſichtigem Stoffe beſteht, ſo muß es andrerſeits noch längere Zeit ſich mit der vollen Decolletirung in die Herrſchaft theilen, und das noch in den dreißiger Jahren. Am Halſe hat es einen reichen gelben, in Gold oder Seide geſtickten Saum, und auch ſonſt iſt es häufig über und über reich beſtickt, mit goldenen Borten beſetzt und in eine Unzahl kleiner Falten gelegt. Später wächſt dann das Leibchen gleich dem Wamms des Mannes ebenfalls in die Höhe, bedeckt auch den ſtehenden Saum am Halſe bis zum Kinn und

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/84>, abgerufen am 27.04.2024.