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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
Landen in die "zerluderte" Tracht gekleidet. Aehnliches berichtet
Fischart in seiner drastischen Weise: "Gleichwie auch zu unserer
Zeit ein namhafter Fürst den Lumpenhöslern und Zotten Junck-
herrn ihr Zottengelümp zu erleiden, eins Tags einen Hencker in
der neuen Kleidungsweiß, die damal Braunschweigisch hieß, an-
thun ließ, und den auf die Schloßbrück, da alle Hofleut fürzo-
gen, stellen, damit er ihnen durch diß schön Schindermuster das
Gesäß gefräß versauerte, und hat dannoch damit so viel geschafft,
daß die Lumpen sind abkommen."

Local und momentan mag das der Fall gewesen sein, was
Fischart hier vom Ende der Pluderhosen erzählt, aber weder die
Predigten der Geistlichen, noch die Strafen der Fürsten konnten
erreichen, was die veränderte Zeit- und Geschmacksrichtung von
selber herbeiführte. Ohnehin war die Pluderhose schon der letzte
directe Ausläufer der reformatorischen Bewegung gewesen, den
nur die Landsknechte so lange fortgeführt hatten. Genau zu der-
selben Zeit, als der freie Landsknecht zum gedrillten Soldaten
wurde, um das Jahr 1590, verschwand auch die Pluderhose
wieder; sie verlor mit ihm ihren Halt. Zur Soldatenschule, zum
militärischen Exercitium paßte sie nicht mehr. Wer sie am läng-
sten behielt, noch bis ins 17. Jahrhundert hinein, war der freie
Schweizer, bei welchem sie sogar, zur leblosen Form erstarrend,
nationale Tracht wurde, sodaß sie nun den Namen Schweizer-
tracht erhielt. Was die Entstehung anbetrifft, so hatte, wie wir
gesehen haben, der Schweizer kein größeres Recht darauf, sie als
eine nationale in Anspruch zu nehmen, wie etwa der Schwabe
mit aufgekrämptem Hut, Kniehosen, Strümpfen und Schnallen-
schuhen auf die französische Hoftracht. Uebrigens muß derselbe
die Pluderhose schon mit großer Lebhaftigkeit angenommen ha-
ben, wie früher das aufgeschlitzte Beinkleid, denn in Hans
Weigels Trachtenbuch vom Jahre 1579 findet er sich mit
mächtiger Pluderhose abgebildet, deren heraushängender
Stoff hintennach fliegt. (Fischart redet darum auch von
"Schweizer Hemdfähnlein.") Unter dem Bilde stehen die folgen-
den Verse:

4*

1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
Landen in die „zerluderte“ Tracht gekleidet. Aehnliches berichtet
Fiſchart in ſeiner draſtiſchen Weiſe: „Gleichwie auch zu unſerer
Zeit ein namhafter Fürſt den Lumpenhöslern und Zotten Junck-
herrn ihr Zottengelümp zu erleiden, eins Tags einen Hencker in
der neuen Kleidungsweiß, die damal Braunſchweigiſch hieß, an-
thun ließ, und den auf die Schloßbrück, da alle Hofleut fürzo-
gen, ſtellen, damit er ihnen durch diß ſchön Schindermuſter das
Geſäß gefräß verſauerte, und hat dannoch damit ſo viel geſchafft,
daß die Lumpen ſind abkommen.“

Local und momentan mag das der Fall geweſen ſein, was
Fiſchart hier vom Ende der Pluderhoſen erzählt, aber weder die
Predigten der Geiſtlichen, noch die Strafen der Fürſten konnten
erreichen, was die veränderte Zeit- und Geſchmacksrichtung von
ſelber herbeiführte. Ohnehin war die Pluderhoſe ſchon der letzte
directe Ausläufer der reformatoriſchen Bewegung geweſen, den
nur die Landsknechte ſo lange fortgeführt hatten. Genau zu der-
ſelben Zeit, als der freie Landsknecht zum gedrillten Soldaten
wurde, um das Jahr 1590, verſchwand auch die Pluderhoſe
wieder; ſie verlor mit ihm ihren Halt. Zur Soldatenſchule, zum
militäriſchen Exercitium paßte ſie nicht mehr. Wer ſie am läng-
ſten behielt, noch bis ins 17. Jahrhundert hinein, war der freie
Schweizer, bei welchem ſie ſogar, zur lebloſen Form erſtarrend,
nationale Tracht wurde, ſodaß ſie nun den Namen Schweizer-
tracht erhielt. Was die Entſtehung anbetrifft, ſo hatte, wie wir
geſehen haben, der Schweizer kein größeres Recht darauf, ſie als
eine nationale in Anſpruch zu nehmen, wie etwa der Schwabe
mit aufgekrämptem Hut, Kniehoſen, Strümpfen und Schnallen-
ſchuhen auf die franzöſiſche Hoftracht. Uebrigens muß derſelbe
die Pluderhoſe ſchon mit großer Lebhaftigkeit angenommen ha-
ben, wie früher das aufgeſchlitzte Beinkleid, denn in Hans
Weigels Trachtenbuch vom Jahre 1579 findet er ſich mit
mächtiger Pluderhoſe abgebildet, deren heraushängender
Stoff hintennach fliegt. (Fiſchart redet darum auch von
„Schweizer Hemdfähnlein.“) Unter dem Bilde ſtehen die folgen-
den Verſe:

4*
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[51/0063] 1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. Landen in die „zerluderte“ Tracht gekleidet. Aehnliches berichtet Fiſchart in ſeiner draſtiſchen Weiſe: „Gleichwie auch zu unſerer Zeit ein namhafter Fürſt den Lumpenhöslern und Zotten Junck- herrn ihr Zottengelümp zu erleiden, eins Tags einen Hencker in der neuen Kleidungsweiß, die damal Braunſchweigiſch hieß, an- thun ließ, und den auf die Schloßbrück, da alle Hofleut fürzo- gen, ſtellen, damit er ihnen durch diß ſchön Schindermuſter das Geſäß gefräß verſauerte, und hat dannoch damit ſo viel geſchafft, daß die Lumpen ſind abkommen.“ Local und momentan mag das der Fall geweſen ſein, was Fiſchart hier vom Ende der Pluderhoſen erzählt, aber weder die Predigten der Geiſtlichen, noch die Strafen der Fürſten konnten erreichen, was die veränderte Zeit- und Geſchmacksrichtung von ſelber herbeiführte. Ohnehin war die Pluderhoſe ſchon der letzte directe Ausläufer der reformatoriſchen Bewegung geweſen, den nur die Landsknechte ſo lange fortgeführt hatten. Genau zu der- ſelben Zeit, als der freie Landsknecht zum gedrillten Soldaten wurde, um das Jahr 1590, verſchwand auch die Pluderhoſe wieder; ſie verlor mit ihm ihren Halt. Zur Soldatenſchule, zum militäriſchen Exercitium paßte ſie nicht mehr. Wer ſie am läng- ſten behielt, noch bis ins 17. Jahrhundert hinein, war der freie Schweizer, bei welchem ſie ſogar, zur lebloſen Form erſtarrend, nationale Tracht wurde, ſodaß ſie nun den Namen Schweizer- tracht erhielt. Was die Entſtehung anbetrifft, ſo hatte, wie wir geſehen haben, der Schweizer kein größeres Recht darauf, ſie als eine nationale in Anſpruch zu nehmen, wie etwa der Schwabe mit aufgekrämptem Hut, Kniehoſen, Strümpfen und Schnallen- ſchuhen auf die franzöſiſche Hoftracht. Uebrigens muß derſelbe die Pluderhoſe ſchon mit großer Lebhaftigkeit angenommen ha- ben, wie früher das aufgeſchlitzte Beinkleid, denn in Hans Weigels Trachtenbuch vom Jahre 1579 findet er ſich mit mächtiger Pluderhoſe abgebildet, deren heraushängender Stoff hintennach fliegt. (Fiſchart redet darum auch von „Schweizer Hemdfähnlein.“) Unter dem Bilde ſtehen die folgen- den Verſe: 4*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/63>, abgerufen am 24.11.2024.