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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
"Der Schweizer, wenn er prangt und pracht,
Geht er in seiner alten Tracht,
Und ist an in ein löblicher Sitt,
Daß sie ihre Kleidung verändern nit."

Dieses Rufes ungeachtet, dessen sich der Schweizer in Bezug
auf Beständigkeit in der Kleidung zu erfreuen scheint, hatte er,
wie zahlreiche Bilder zu erkennen geben, die ganze Umwandlung
der Trachten im sechszehnten Jahrhundert mit durchgemacht und
sich von keinem Extrem ferngehalten. Aber in der zweiten Hälfte
begann allerdings der Bildungstrieb bei ihm in dieser Hinsicht
zu erstarren, und vielleicht schlugen sich hier nationale Formen
früher als anderswo in fester Gestalt nieder.

Obwohl das Uebermaß landsknechtischer Kleiderpracht fast
von allen Seiten her angegriffen wurde, obwohl es die einen
mit spöttischen Augen ansahen, andere mit Achselzucken betrach-
teten, andre, denen die Gewalt gegeben war, verbietend und
strafend entgegentraten, so blieb es doch nicht aus, daß sie alle
mehr oder weniger von der Mode der Aufschlitzung überwuchert
wurden. Wie die reformatorische Bewegung alle mit einander,
freundlich oder feindlich, willig oder leidend, in ihre Strömung
hineinzog, so verschonte auch diese Mode kein Alter und keinen
Stand; nur die Geistlichkeit wußte sich ihr zu entziehen, wozu
auch die protestantische mitgerechnet werden muß. Aber das
ganze Heer der Philister, für das ohnehin eine solche Zeit der
panischen Schrecken voll ist, erlitt eine totale Niederlage: Mei-
ster und Geselle, der Krämer und der Rathsherr und was es
sonst von ehrsamen Leuten in einer guten Stadt damaliger Zeit
gab, sie zogen alle das flotte Kleid einer frischen, bewegten Zeit
an, wie viele auch sauer dazu sehen mochten.

Wir haben schon oben dargelegt, wie das leichte, renom-
mistische Federbarett und ein stattlicher Bart sich der Männer-
welt bemächtigt und allen Köpfen den gemeinsamen Typus auf-
drückt: in sturmbewegter, wechselvoller Zeit ein freies, männli-
ches Wesen. Es ist ebenso mit der übrigen Kleidung: während
am ganzen Leibe die bunten Schlitze ihr luftig loses Spiel treiben,

III. Die Neuzeit.
„Der Schweizer, wenn er prangt und pracht,
Geht er in ſeiner alten Tracht,
Und iſt an in ein löblicher Sitt,
Daß ſie ihre Kleidung verändern nit.“

Dieſes Rufes ungeachtet, deſſen ſich der Schweizer in Bezug
auf Beſtändigkeit in der Kleidung zu erfreuen ſcheint, hatte er,
wie zahlreiche Bilder zu erkennen geben, die ganze Umwandlung
der Trachten im ſechszehnten Jahrhundert mit durchgemacht und
ſich von keinem Extrem ferngehalten. Aber in der zweiten Hälfte
begann allerdings der Bildungstrieb bei ihm in dieſer Hinſicht
zu erſtarren, und vielleicht ſchlugen ſich hier nationale Formen
früher als anderswo in feſter Geſtalt nieder.

Obwohl das Uebermaß landsknechtiſcher Kleiderpracht faſt
von allen Seiten her angegriffen wurde, obwohl es die einen
mit ſpöttiſchen Augen anſahen, andere mit Achſelzucken betrach-
teten, andre, denen die Gewalt gegeben war, verbietend und
ſtrafend entgegentraten, ſo blieb es doch nicht aus, daß ſie alle
mehr oder weniger von der Mode der Aufſchlitzung überwuchert
wurden. Wie die reformatoriſche Bewegung alle mit einander,
freundlich oder feindlich, willig oder leidend, in ihre Strömung
hineinzog, ſo verſchonte auch dieſe Mode kein Alter und keinen
Stand; nur die Geiſtlichkeit wußte ſich ihr zu entziehen, wozu
auch die proteſtantiſche mitgerechnet werden muß. Aber das
ganze Heer der Philiſter, für das ohnehin eine ſolche Zeit der
paniſchen Schrecken voll iſt, erlitt eine totale Niederlage: Mei-
ſter und Geſelle, der Krämer und der Rathsherr und was es
ſonſt von ehrſamen Leuten in einer guten Stadt damaliger Zeit
gab, ſie zogen alle das flotte Kleid einer friſchen, bewegten Zeit
an, wie viele auch ſauer dazu ſehen mochten.

Wir haben ſchon oben dargelegt, wie das leichte, renom-
miſtiſche Federbarett und ein ſtattlicher Bart ſich der Männer-
welt bemächtigt und allen Köpfen den gemeinſamen Typus auf-
drückt: in ſturmbewegter, wechſelvoller Zeit ein freies, männli-
ches Weſen. Es iſt ebenſo mit der übrigen Kleidung: während
am ganzen Leibe die bunten Schlitze ihr luftig loſes Spiel treiben,

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[52/0064] III. Die Neuzeit. „Der Schweizer, wenn er prangt und pracht, Geht er in ſeiner alten Tracht, Und iſt an in ein löblicher Sitt, Daß ſie ihre Kleidung verändern nit.“ Dieſes Rufes ungeachtet, deſſen ſich der Schweizer in Bezug auf Beſtändigkeit in der Kleidung zu erfreuen ſcheint, hatte er, wie zahlreiche Bilder zu erkennen geben, die ganze Umwandlung der Trachten im ſechszehnten Jahrhundert mit durchgemacht und ſich von keinem Extrem ferngehalten. Aber in der zweiten Hälfte begann allerdings der Bildungstrieb bei ihm in dieſer Hinſicht zu erſtarren, und vielleicht ſchlugen ſich hier nationale Formen früher als anderswo in feſter Geſtalt nieder. Obwohl das Uebermaß landsknechtiſcher Kleiderpracht faſt von allen Seiten her angegriffen wurde, obwohl es die einen mit ſpöttiſchen Augen anſahen, andere mit Achſelzucken betrach- teten, andre, denen die Gewalt gegeben war, verbietend und ſtrafend entgegentraten, ſo blieb es doch nicht aus, daß ſie alle mehr oder weniger von der Mode der Aufſchlitzung überwuchert wurden. Wie die reformatoriſche Bewegung alle mit einander, freundlich oder feindlich, willig oder leidend, in ihre Strömung hineinzog, ſo verſchonte auch dieſe Mode kein Alter und keinen Stand; nur die Geiſtlichkeit wußte ſich ihr zu entziehen, wozu auch die proteſtantiſche mitgerechnet werden muß. Aber das ganze Heer der Philiſter, für das ohnehin eine ſolche Zeit der paniſchen Schrecken voll iſt, erlitt eine totale Niederlage: Mei- ſter und Geſelle, der Krämer und der Rathsherr und was es ſonſt von ehrſamen Leuten in einer guten Stadt damaliger Zeit gab, ſie zogen alle das flotte Kleid einer friſchen, bewegten Zeit an, wie viele auch ſauer dazu ſehen mochten. Wir haben ſchon oben dargelegt, wie das leichte, renom- miſtiſche Federbarett und ein ſtattlicher Bart ſich der Männer- welt bemächtigt und allen Köpfen den gemeinſamen Typus auf- drückt: in ſturmbewegter, wechſelvoller Zeit ein freies, männli- ches Weſen. Es iſt ebenſo mit der übrigen Kleidung: während am ganzen Leibe die bunten Schlitze ihr luftig loſes Spiel treiben,

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/64>, abgerufen am 25.11.2024.