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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
disciplinam academicam! Die Studenten waren es auch, welche
den ersten Widerspruch der Geistlichen hervorriefen. Im Jahre
1555 hatte eines Sonntags in der Oberkirche zu Frankfurt an
der Oder der Diaconus gegen diese Mode gepredigt, und als er
am nächsten Sonntag wieder die Kanzel betrat, fand er sich
gegenüber an einem Pfeiler ein Paar mächtige Pluderhosen,
welche die Studenten dort aufgehängt hatten. Da trat der Ge-
neralsuperintendent der Mittelmark und Professor in Frankfurt,
Dr. Andreas Musculus, selbst auf und hielt eine gewaltige
Rede, welche er sodann (1556) mit einer Widmung an den Bür-
germeister der Stadt Frankfurt in den Druck gab, unter dem
Titel: "Vom zerluderten, Zucht- und Ehrverwegenen pludrigten
Hosenteufel; Vermahnung und Warnung." Außerdem hat er
für diesen Teufel noch andere Beiwörter: er nennt ihn lumpend,
zerlumpet, unverschämt, zerflammt und flammicht. Der gelehrte
Geistliche findet folgende acht Sünden auf, welche mit der Plu-
derhose begangen werden:
1) wider die Scham, Zucht und Ehrbarkeit von Natur den
Menschen angeboren und eingepflanzet;

2) wider Gott, seine Einsatzung und Ordnung;
3) wider den Bund, Pflicht und Eid der heiligen Taufe;
4) wider das 4. Gebot und Gehorsam der Aeltern;
5) wider die Gewohnheit, Gebrauch und Recht aller Völker
auf Erden;

6) wider unsre jetzige Religion und Lehr des heiligen Evan-
gelii;

7) wider das Ebenbild Gottes, danach der Mensch geschaffen;
8) wider den gemeinen Nutz und Wohlfahrt teutscher Nation.
Diese acht Sünden bilden auch die Eintheilung seiner Predigt.
Zur Charakterisirung des Stils sei die folgende Probe aus der
6. Sünde mitgetheilt. Nachdem er nachgewiesen, daß die Plu-
derhose vorzugsweise in protestantischen Ländern sich finde, und
daß sie ein Werk des Teufels sei, welcher am liebsten da
wohne, "da die Kinder Gottes am dicksten stehen," fährt er fort:
"Deßhalb folgt hieraus unwidersprechlich (ob der Hosenteufel

III. Die Neuzeit.
disciplinam academicam! Die Studenten waren es auch, welche
den erſten Widerſpruch der Geiſtlichen hervorriefen. Im Jahre
1555 hatte eines Sonntags in der Oberkirche zu Frankfurt an
der Oder der Diaconus gegen dieſe Mode gepredigt, und als er
am nächſten Sonntag wieder die Kanzel betrat, fand er ſich
gegenüber an einem Pfeiler ein Paar mächtige Pluderhoſen,
welche die Studenten dort aufgehängt hatten. Da trat der Ge-
neralſuperintendent der Mittelmark und Profeſſor in Frankfurt,
Dr. Andreas Musculus, ſelbſt auf und hielt eine gewaltige
Rede, welche er ſodann (1556) mit einer Widmung an den Bür-
germeiſter der Stadt Frankfurt in den Druck gab, unter dem
Titel: „Vom zerluderten, Zucht- und Ehrverwegenen pludrigten
Hoſenteufel; Vermahnung und Warnung.“ Außerdem hat er
für dieſen Teufel noch andere Beiwörter: er nennt ihn lumpend,
zerlumpet, unverſchämt, zerflammt und flammicht. Der gelehrte
Geiſtliche findet folgende acht Sünden auf, welche mit der Plu-
derhoſe begangen werden:
1) wider die Scham, Zucht und Ehrbarkeit von Natur den
Menſchen angeboren und eingepflanzet;

2) wider Gott, ſeine Einſatzung und Ordnung;
3) wider den Bund, Pflicht und Eid der heiligen Taufe;
4) wider das 4. Gebot und Gehorſam der Aeltern;
5) wider die Gewohnheit, Gebrauch und Recht aller Völker
auf Erden;

6) wider unſre jetzige Religion und Lehr des heiligen Evan-
gelii;

7) wider das Ebenbild Gottes, danach der Menſch geſchaffen;
8) wider den gemeinen Nutz und Wohlfahrt teutſcher Nation.
Dieſe acht Sünden bilden auch die Eintheilung ſeiner Predigt.
Zur Charakteriſirung des Stils ſei die folgende Probe aus der
6. Sünde mitgetheilt. Nachdem er nachgewieſen, daß die Plu-
derhoſe vorzugsweiſe in proteſtantiſchen Ländern ſich finde, und
daß ſie ein Werk des Teufels ſei, welcher am liebſten da
wohne, „da die Kinder Gottes am dickſten ſtehen,“ fährt er fort:
„Deßhalb folgt hieraus unwiderſprechlich (ob der Hoſenteufel

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[48/0060] III. Die Neuzeit. disciplinam academicam! Die Studenten waren es auch, welche den erſten Widerſpruch der Geiſtlichen hervorriefen. Im Jahre 1555 hatte eines Sonntags in der Oberkirche zu Frankfurt an der Oder der Diaconus gegen dieſe Mode gepredigt, und als er am nächſten Sonntag wieder die Kanzel betrat, fand er ſich gegenüber an einem Pfeiler ein Paar mächtige Pluderhoſen, welche die Studenten dort aufgehängt hatten. Da trat der Ge- neralſuperintendent der Mittelmark und Profeſſor in Frankfurt, Dr. Andreas Musculus, ſelbſt auf und hielt eine gewaltige Rede, welche er ſodann (1556) mit einer Widmung an den Bür- germeiſter der Stadt Frankfurt in den Druck gab, unter dem Titel: „Vom zerluderten, Zucht- und Ehrverwegenen pludrigten Hoſenteufel; Vermahnung und Warnung.“ Außerdem hat er für dieſen Teufel noch andere Beiwörter: er nennt ihn lumpend, zerlumpet, unverſchämt, zerflammt und flammicht. Der gelehrte Geiſtliche findet folgende acht Sünden auf, welche mit der Plu- derhoſe begangen werden: 1) wider die Scham, Zucht und Ehrbarkeit von Natur den Menſchen angeboren und eingepflanzet; 2) wider Gott, ſeine Einſatzung und Ordnung; 3) wider den Bund, Pflicht und Eid der heiligen Taufe; 4) wider das 4. Gebot und Gehorſam der Aeltern; 5) wider die Gewohnheit, Gebrauch und Recht aller Völker auf Erden; 6) wider unſre jetzige Religion und Lehr des heiligen Evan- gelii; 7) wider das Ebenbild Gottes, danach der Menſch geſchaffen; 8) wider den gemeinen Nutz und Wohlfahrt teutſcher Nation. Dieſe acht Sünden bilden auch die Eintheilung ſeiner Predigt. Zur Charakteriſirung des Stils ſei die folgende Probe aus der 6. Sünde mitgetheilt. Nachdem er nachgewieſen, daß die Plu- derhoſe vorzugsweiſe in proteſtantiſchen Ländern ſich finde, und daß ſie ein Werk des Teufels ſei, welcher am liebſten da wohne, „da die Kinder Gottes am dickſten ſtehen,“ fährt er fort: „Deßhalb folgt hieraus unwiderſprechlich (ob der Hoſenteufel

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/60>, abgerufen am 27.04.2024.