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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
geben wollten. In diesem Aufzuge, das eine Bein fast nackt,
das andre aufs bizarrste bedeckt, im übrigen aber wohl und reich
gekleidet, zeigten sich auch die deutschen Hauptleute, welche in
französischen Diensten standen, am feinen, italienisch eleganten
Hofe der Königin Katharina von Medicis zu Paris und harrten
im Vorsaal des Louvre mitten unter den geputzten und gezierten
französischen Hofleuten. Welche Entwicklung dann weiter mit
dem Strumpfe und der Kniehose in der feinen Welt vor sich
ging, werden wir später sehen.

Die zweite Veränderung des Beinkleides, so colossal sie auch
in ihrer Ausdehnung war, und so gewaltiges Aufsehen sie er-
regte, hatte doch keine bleibenden Folgen. Nach kaum funfzig-
jähriger Lebensdauer verschwand sie wieder spurlos, ohne daß
sich eine Entwicklung an sie anknüpfte. Der Zeit nach gehört sie
zwar der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, unserm
nächsten Abschnitt, an, welche unter dem Einflusse der spanischen
Reaction stand, da sie aber nur ein entarteter Ausfluß der refor-
matorischen Bewegung ist, welcher sich spurlos verläuft, so ziehen
wir sie an dieser Stelle in die Darstellung hinein.

Schon gegen das Jahr 1550 war es bei den Deutschen
mehr und mehr Sitte geworden, den unterlegten Stoff faltig
und flatternd aus den Schlitzen heraustreten zu lassen. Diese
Mode trieben nun die Landsknechte zuerst ins Colossale und zwar
unter einer ganz bestimmten Form. Die nur bis zum Knie her-
abgehende Hose, welche von festerem Stoffe war, wurde von
oben herab in lauter senkrechte, etwa handbreite oder schmälere
Streifen rundherum zerschnitten, welche oben und am Knie zu-
sammenhingen. Um das Bein herum zog man nun durch diese
Schlitze eine solche Menge leichtern und andersfarbigen Stoffes,
daß er aus den Oeffnungen heraus in dichten faltigen Massen
bis gegen die Füße herabfiel. Das war die eigentliche Plu-
derhose
, welche nun fortwährend mit diesem Namen bezeich-
net wird, obschon auch die zerschlitzte in der ersten Hälfte des
sechszehnten Jahrhunderts bereits also genannt wurde. Die
Entstehung dieser neuen Form des Beinkleids, welche nicht ver-

1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
geben wollten. In dieſem Aufzuge, das eine Bein faſt nackt,
das andre aufs bizarrſte bedeckt, im übrigen aber wohl und reich
gekleidet, zeigten ſich auch die deutſchen Hauptleute, welche in
franzöſiſchen Dienſten ſtanden, am feinen, italieniſch eleganten
Hofe der Königin Katharina von Medicis zu Paris und harrten
im Vorſaal des Louvre mitten unter den geputzten und gezierten
franzöſiſchen Hofleuten. Welche Entwicklung dann weiter mit
dem Strumpfe und der Kniehoſe in der feinen Welt vor ſich
ging, werden wir ſpäter ſehen.

Die zweite Veränderung des Beinkleides, ſo coloſſal ſie auch
in ihrer Ausdehnung war, und ſo gewaltiges Aufſehen ſie er-
regte, hatte doch keine bleibenden Folgen. Nach kaum funfzig-
jähriger Lebensdauer verſchwand ſie wieder ſpurlos, ohne daß
ſich eine Entwicklung an ſie anknüpfte. Der Zeit nach gehört ſie
zwar der zweiten Hälfte des ſechszehnten Jahrhunderts, unſerm
nächſten Abſchnitt, an, welche unter dem Einfluſſe der ſpaniſchen
Reaction ſtand, da ſie aber nur ein entarteter Ausfluß der refor-
matoriſchen Bewegung iſt, welcher ſich ſpurlos verläuft, ſo ziehen
wir ſie an dieſer Stelle in die Darſtellung hinein.

Schon gegen das Jahr 1550 war es bei den Deutſchen
mehr und mehr Sitte geworden, den unterlegten Stoff faltig
und flatternd aus den Schlitzen heraustreten zu laſſen. Dieſe
Mode trieben nun die Landsknechte zuerſt ins Coloſſale und zwar
unter einer ganz beſtimmten Form. Die nur bis zum Knie her-
abgehende Hoſe, welche von feſterem Stoffe war, wurde von
oben herab in lauter ſenkrechte, etwa handbreite oder ſchmälere
Streifen rundherum zerſchnitten, welche oben und am Knie zu-
ſammenhingen. Um das Bein herum zog man nun durch dieſe
Schlitze eine ſolche Menge leichtern und andersfarbigen Stoffes,
daß er aus den Oeffnungen heraus in dichten faltigen Maſſen
bis gegen die Füße herabfiel. Das war die eigentliche Plu-
derhoſe
, welche nun fortwährend mit dieſem Namen bezeich-
net wird, obſchon auch die zerſchlitzte in der erſten Hälfte des
ſechszehnten Jahrhunderts bereits alſo genannt wurde. Die
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[45/0057] 1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. geben wollten. In dieſem Aufzuge, das eine Bein faſt nackt, das andre aufs bizarrſte bedeckt, im übrigen aber wohl und reich gekleidet, zeigten ſich auch die deutſchen Hauptleute, welche in franzöſiſchen Dienſten ſtanden, am feinen, italieniſch eleganten Hofe der Königin Katharina von Medicis zu Paris und harrten im Vorſaal des Louvre mitten unter den geputzten und gezierten franzöſiſchen Hofleuten. Welche Entwicklung dann weiter mit dem Strumpfe und der Kniehoſe in der feinen Welt vor ſich ging, werden wir ſpäter ſehen. Die zweite Veränderung des Beinkleides, ſo coloſſal ſie auch in ihrer Ausdehnung war, und ſo gewaltiges Aufſehen ſie er- regte, hatte doch keine bleibenden Folgen. Nach kaum funfzig- jähriger Lebensdauer verſchwand ſie wieder ſpurlos, ohne daß ſich eine Entwicklung an ſie anknüpfte. Der Zeit nach gehört ſie zwar der zweiten Hälfte des ſechszehnten Jahrhunderts, unſerm nächſten Abſchnitt, an, welche unter dem Einfluſſe der ſpaniſchen Reaction ſtand, da ſie aber nur ein entarteter Ausfluß der refor- matoriſchen Bewegung iſt, welcher ſich ſpurlos verläuft, ſo ziehen wir ſie an dieſer Stelle in die Darſtellung hinein. Schon gegen das Jahr 1550 war es bei den Deutſchen mehr und mehr Sitte geworden, den unterlegten Stoff faltig und flatternd aus den Schlitzen heraustreten zu laſſen. Dieſe Mode trieben nun die Landsknechte zuerſt ins Coloſſale und zwar unter einer ganz beſtimmten Form. Die nur bis zum Knie her- abgehende Hoſe, welche von feſterem Stoffe war, wurde von oben herab in lauter ſenkrechte, etwa handbreite oder ſchmälere Streifen rundherum zerſchnitten, welche oben und am Knie zu- ſammenhingen. Um das Bein herum zog man nun durch dieſe Schlitze eine ſolche Menge leichtern und andersfarbigen Stoffes, daß er aus den Oeffnungen heraus in dichten faltigen Maſſen bis gegen die Füße herabfiel. Das war die eigentliche Plu- derhoſe, welche nun fortwährend mit dieſem Namen bezeich- net wird, obſchon auch die zerſchlitzte in der erſten Hälfte des ſechszehnten Jahrhunderts bereits alſo genannt wurde. Die Entſtehung dieſer neuen Form des Beinkleids, welche nicht ver-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/57>, abgerufen am 24.11.2024.