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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
sagte der Landsknecht meistens aller weiten und verhüllenden
Oberkleidung; wir sehen ihn daher gewöhnlich ohne Mantel oder
Oberrock abgebildet. Später hing er sich freilich das kleine spa-
nische Mäntelchen um die Schulter. Um es aber doch etwas
wärmer zu haben und einigermaßen gegen den Wechsel der Wit-
terung gesichert zu sein, unterfütterte er das Wamms mit dicker
Baumwolle, worin er wahrscheinlich dem Beispiel des Spaniers
folgte. Das gesteppte Wamms blieb lange und mußte sich später
noch weitere Einflüsse der spanischen Mode gefallen lassen.

Man sollte glauben, daß die Pracht der landsknechtischen
Hose mit der oben geschilderten Willkür der Zerschlitzung und
bunten Farbenvertheilung ihren Höhepunkt erreicht hätte, allein
dem war nicht so; sie sollte noch eine neue Entwicklungsphase
beginnen und in derselben es in kürzester Frist bis zu dem gren-
zenlosesten Uebermaß der Entartung bringen. Denn in der That
war es nun die volle Entartung in einen widerspruchsvollen Un-
sinn, sowie die Landsknechte selbst zu einem zucht- und ehrlosen
Kriegsgesindel wurden, während man die frühere Lappen- und
Farbenlust noch der naiven Renommisterei eines flotten Solda-
tenhandwerks zu gute gerechnet hatte.

Zweierlei Veränderungen erlitt das Beinkleid in der
Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, beide durch die Lands-
knechte. Die eine und weit unscheinbarere sollte die folgenreichste
werden; sie schuf gradezu das Beinkleid der Neuzeit, obwohl es
bis dahin noch der Entwicklung einer ganzen Reihe von Formen
bedurfte. Das war die Trennung in die Kniehose und den
Strumpf, welche wir schon früher in der übergezogenen Schlitz-
hose und dem kamaschenartigen Strumpf des Landsknechts an-
gedeutet finden. Es wiederholt sich nun gewissermaßen, was
schon da gewesen war. Ein Franzose versichert uns, daß die deut-
schen Kriegsleute die Sitte gehabt hätten, beim Sturm die Ho-
sen am Knie aufzuschneiden; nun hatten sie es leichter, sie löse-
ten die Bänder und ließen die Strümpfe fallen. Das gefiel ihnen
und sie pflegten nun auch anderswo mit nacktem Knie zu erschei-
nen, wo sie sich ein trotzig wildes, herausforderndes Ansehn

III. Die Neuzeit.
ſagte der Landsknecht meiſtens aller weiten und verhüllenden
Oberkleidung; wir ſehen ihn daher gewöhnlich ohne Mantel oder
Oberrock abgebildet. Später hing er ſich freilich das kleine ſpa-
niſche Mäntelchen um die Schulter. Um es aber doch etwas
wärmer zu haben und einigermaßen gegen den Wechſel der Wit-
terung geſichert zu ſein, unterfütterte er das Wamms mit dicker
Baumwolle, worin er wahrſcheinlich dem Beiſpiel des Spaniers
folgte. Das geſteppte Wamms blieb lange und mußte ſich ſpäter
noch weitere Einflüſſe der ſpaniſchen Mode gefallen laſſen.

Man ſollte glauben, daß die Pracht der landsknechtiſchen
Hoſe mit der oben geſchilderten Willkür der Zerſchlitzung und
bunten Farbenvertheilung ihren Höhepunkt erreicht hätte, allein
dem war nicht ſo; ſie ſollte noch eine neue Entwicklungsphaſe
beginnen und in derſelben es in kürzeſter Friſt bis zu dem gren-
zenloſeſten Uebermaß der Entartung bringen. Denn in der That
war es nun die volle Entartung in einen widerſpruchsvollen Un-
ſinn, ſowie die Landsknechte ſelbſt zu einem zucht- und ehrloſen
Kriegsgeſindel wurden, während man die frühere Lappen- und
Farbenluſt noch der naiven Renommiſterei eines flotten Solda-
tenhandwerks zu gute gerechnet hatte.

Zweierlei Veränderungen erlitt das Beinkleid in der
Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts, beide durch die Lands-
knechte. Die eine und weit unſcheinbarere ſollte die folgenreichſte
werden; ſie ſchuf gradezu das Beinkleid der Neuzeit, obwohl es
bis dahin noch der Entwicklung einer ganzen Reihe von Formen
bedurfte. Das war die Trennung in die Kniehoſe und den
Strumpf, welche wir ſchon früher in der übergezogenen Schlitz-
hoſe und dem kamaſchenartigen Strumpf des Landsknechts an-
gedeutet finden. Es wiederholt ſich nun gewiſſermaßen, was
ſchon da geweſen war. Ein Franzoſe verſichert uns, daß die deut-
ſchen Kriegsleute die Sitte gehabt hätten, beim Sturm die Ho-
ſen am Knie aufzuſchneiden; nun hatten ſie es leichter, ſie löſe-
ten die Bänder und ließen die Strümpfe fallen. Das gefiel ihnen
und ſie pflegten nun auch anderswo mit nacktem Knie zu erſchei-
nen, wo ſie ſich ein trotzig wildes, herausforderndes Anſehn

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[44/0056] III. Die Neuzeit. ſagte der Landsknecht meiſtens aller weiten und verhüllenden Oberkleidung; wir ſehen ihn daher gewöhnlich ohne Mantel oder Oberrock abgebildet. Später hing er ſich freilich das kleine ſpa- niſche Mäntelchen um die Schulter. Um es aber doch etwas wärmer zu haben und einigermaßen gegen den Wechſel der Wit- terung geſichert zu ſein, unterfütterte er das Wamms mit dicker Baumwolle, worin er wahrſcheinlich dem Beiſpiel des Spaniers folgte. Das geſteppte Wamms blieb lange und mußte ſich ſpäter noch weitere Einflüſſe der ſpaniſchen Mode gefallen laſſen. Man ſollte glauben, daß die Pracht der landsknechtiſchen Hoſe mit der oben geſchilderten Willkür der Zerſchlitzung und bunten Farbenvertheilung ihren Höhepunkt erreicht hätte, allein dem war nicht ſo; ſie ſollte noch eine neue Entwicklungsphaſe beginnen und in derſelben es in kürzeſter Friſt bis zu dem gren- zenloſeſten Uebermaß der Entartung bringen. Denn in der That war es nun die volle Entartung in einen widerſpruchsvollen Un- ſinn, ſowie die Landsknechte ſelbſt zu einem zucht- und ehrloſen Kriegsgeſindel wurden, während man die frühere Lappen- und Farbenluſt noch der naiven Renommiſterei eines flotten Solda- tenhandwerks zu gute gerechnet hatte. Zweierlei Veränderungen erlitt das Beinkleid in der Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts, beide durch die Lands- knechte. Die eine und weit unſcheinbarere ſollte die folgenreichſte werden; ſie ſchuf gradezu das Beinkleid der Neuzeit, obwohl es bis dahin noch der Entwicklung einer ganzen Reihe von Formen bedurfte. Das war die Trennung in die Kniehoſe und den Strumpf, welche wir ſchon früher in der übergezogenen Schlitz- hoſe und dem kamaſchenartigen Strumpf des Landsknechts an- gedeutet finden. Es wiederholt ſich nun gewiſſermaßen, was ſchon da geweſen war. Ein Franzoſe verſichert uns, daß die deut- ſchen Kriegsleute die Sitte gehabt hätten, beim Sturm die Ho- ſen am Knie aufzuſchneiden; nun hatten ſie es leichter, ſie löſe- ten die Bänder und ließen die Strümpfe fallen. Das gefiel ihnen und ſie pflegten nun auch anderswo mit nacktem Knie zu erſchei- nen, wo ſie ſich ein trotzig wildes, herausforderndes Anſehn

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/56>, abgerufen am 24.11.2024.