Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. vierzehn -- behandelt die alamodische Kleidung insbesondereunter dem Titel: "A la mode Kehrauß." Es ist Philander, ein guter Deutscher, wie sie damals waren, aber alamodisch in Klei- dung und Sprache, den der Zufall auf das Schloß Geroldseck führt, wo die Sage die alten Helden Ariovist, Armin, Witte- kind, Siegfried und andere hausen läßt. Unter diese Leute ge- räth das moderne Weltkind, die nun allerdings seinem ganzen äußern Wesen vom Kopf zu Fuß und der Sprache obendrein den Kehraus machen. Immer ist es der patriotische Standpunkt, den Moscherosch in den Tadelsworten der Bewohner von Geroldseck einnimmt. Da heißt es z. B.: "Kum hieher! sprach Herr Teutsch Meyr; und als ich nahe zu ihm kam, Solstu ein Teutscher sein? sprach er; deine ganze Gestalt giebt uns viel ein anders zu er- kennen. Und glaub ich gewiß, daß du darum deinen Hut unter- wegs von dir geworfen, nur daß man die närrische Form nicht sehen sollte. Denn sobald kann nicht ein wälsche närrische Gat- tung aufkommen, daß ihr, ungerathne Nachkömmlinge, nicht sobald dieselbe müßt nachäffen und fast alle viertel Jahr ändern, auch dafür haltet, wo ein ehrlicher gewissenhafter Mann bei sei- ner alten ehrlichen Tracht bleibe, daß er ein Hudler, ein Halunk, ein Alber, ein Esel, ein Tölpel sein müsse." Ein anderer faßt Philander bei den Haaren und sagt: "Ist dann das ein Teut- sches Haar? Bist du ein Teutscher, warum mußt du ein wälsches Haar tragen? warum muß es dir also über die Stirn herunter hangen, als einem Dieb? Man soll ja einen ehrlichen Mann aus der Stirne erkennen, welche guten Theils seines Gemüths Zeug- nuß ist; und wer seine Stirne also verhüllet, das Ansehen hat, als müsse er sich vor etwas schämen, daß er ein Schelmenstück begangen habe. Warum muß dir das Haar also lang über die Schulter herab hangen, als einem Weibe? warum läßt du es nicht, so du es länger tragen wolltest, auf teutsche Weise überm Kopf einschlupfen, als bei uns her Brauch ist?" Dem Moscherosch verwandt an Geist und Bestreben war III. Die Neuzeit. vierzehn — behandelt die alamodiſche Kleidung insbeſondereunter dem Titel: „A la mode Kehrauß.“ Es iſt Philander, ein guter Deutſcher, wie ſie damals waren, aber alamodiſch in Klei- dung und Sprache, den der Zufall auf das Schloß Geroldseck führt, wo die Sage die alten Helden Arioviſt, Armin, Witte- kind, Siegfried und andere hauſen läßt. Unter dieſe Leute ge- räth das moderne Weltkind, die nun allerdings ſeinem ganzen äußern Weſen vom Kopf zu Fuß und der Sprache obendrein den Kehraus machen. Immer iſt es der patriotiſche Standpunkt, den Moſcheroſch in den Tadelsworten der Bewohner von Geroldseck einnimmt. Da heißt es z. B.: „Kum hieher! ſprach Herr Teutſch Meyr; und als ich nahe zu ihm kam, Solſtu ein Teutſcher ſein? ſprach er; deine ganze Geſtalt giebt uns viel ein anders zu er- kennen. Und glaub ich gewiß, daß du darum deinen Hut unter- wegs von dir geworfen, nur daß man die närriſche Form nicht ſehen ſollte. Denn ſobald kann nicht ein wälſche närriſche Gat- tung aufkommen, daß ihr, ungerathne Nachkömmlinge, nicht ſobald dieſelbe müßt nachäffen und faſt alle viertel Jahr ändern, auch dafür haltet, wo ein ehrlicher gewiſſenhafter Mann bei ſei- ner alten ehrlichen Tracht bleibe, daß er ein Hudler, ein Halunk, ein Alber, ein Eſel, ein Tölpel ſein müſſe.“ Ein anderer faßt Philander bei den Haaren und ſagt: „Iſt dann das ein Teut- ſches Haar? Biſt du ein Teutſcher, warum mußt du ein wälſches Haar tragen? warum muß es dir alſo über die Stirn herunter hangen, als einem Dieb? Man ſoll ja einen ehrlichen Mann aus der Stirne erkennen, welche guten Theils ſeines Gemüths Zeug- nuß iſt; und wer ſeine Stirne alſo verhüllet, das Anſehen hat, als müſſe er ſich vor etwas ſchämen, daß er ein Schelmenſtück begangen habe. Warum muß dir das Haar alſo lang über die Schulter herab hangen, als einem Weibe? warum läßt du es nicht, ſo du es länger tragen wollteſt, auf teutſche Weiſe überm Kopf einſchlupfen, als bei uns her Brauch iſt?“ Dem Moſcheroſch verwandt an Geiſt und Beſtreben war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0222" n="210"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> vierzehn — behandelt die alamodiſche Kleidung insbeſondere<lb/> unter dem Titel: „<hi rendition="#aq">A la mode</hi> Kehrauß.“ Es iſt Philander, ein<lb/> guter Deutſcher, wie ſie damals waren, aber alamodiſch in Klei-<lb/> dung und Sprache, den der Zufall auf das Schloß Geroldseck<lb/> führt, wo die Sage die alten Helden Arioviſt, Armin, Witte-<lb/> kind, Siegfried und andere hauſen läßt. Unter dieſe Leute ge-<lb/> räth das moderne Weltkind, die nun allerdings ſeinem ganzen<lb/> äußern Weſen vom Kopf zu Fuß und der Sprache obendrein den<lb/> Kehraus machen. 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III. Die Neuzeit.
vierzehn — behandelt die alamodiſche Kleidung insbeſondere
unter dem Titel: „A la mode Kehrauß.“ Es iſt Philander, ein
guter Deutſcher, wie ſie damals waren, aber alamodiſch in Klei-
dung und Sprache, den der Zufall auf das Schloß Geroldseck
führt, wo die Sage die alten Helden Arioviſt, Armin, Witte-
kind, Siegfried und andere hauſen läßt. Unter dieſe Leute ge-
räth das moderne Weltkind, die nun allerdings ſeinem ganzen
äußern Weſen vom Kopf zu Fuß und der Sprache obendrein den
Kehraus machen. Immer iſt es der patriotiſche Standpunkt, den
Moſcheroſch in den Tadelsworten der Bewohner von Geroldseck
einnimmt. Da heißt es z. B.: „Kum hieher! ſprach Herr Teutſch
Meyr; und als ich nahe zu ihm kam, Solſtu ein Teutſcher ſein?
ſprach er; deine ganze Geſtalt giebt uns viel ein anders zu er-
kennen. Und glaub ich gewiß, daß du darum deinen Hut unter-
wegs von dir geworfen, nur daß man die närriſche Form nicht
ſehen ſollte. Denn ſobald kann nicht ein wälſche närriſche Gat-
tung aufkommen, daß ihr, ungerathne Nachkömmlinge, nicht
ſobald dieſelbe müßt nachäffen und faſt alle viertel Jahr ändern,
auch dafür haltet, wo ein ehrlicher gewiſſenhafter Mann bei ſei-
ner alten ehrlichen Tracht bleibe, daß er ein Hudler, ein Halunk,
ein Alber, ein Eſel, ein Tölpel ſein müſſe.“ Ein anderer faßt
Philander bei den Haaren und ſagt: „Iſt dann das ein Teut-
ſches Haar? Biſt du ein Teutſcher, warum mußt du ein wälſches
Haar tragen? warum muß es dir alſo über die Stirn herunter
hangen, als einem Dieb? Man ſoll ja einen ehrlichen Mann aus
der Stirne erkennen, welche guten Theils ſeines Gemüths Zeug-
nuß iſt; und wer ſeine Stirne alſo verhüllet, das Anſehen hat,
als müſſe er ſich vor etwas ſchämen, daß er ein Schelmenſtück
begangen habe. Warum muß dir das Haar alſo lang über die
Schulter herab hangen, als einem Weibe? warum läßt du es
nicht, ſo du es länger tragen wollteſt, auf teutſche Weiſe überm
Kopf einſchlupfen, als bei uns her Brauch iſt?“
Dem Moſcheroſch verwandt an Geiſt und Beſtreben war
der Schleſier Friedrich von Logau (geb. 1604, geſt. 1655).
Auch ihn erfüllte die Empörung über die ſittliche und politiſche
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