Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
Jahr bei einem einzigen Parfümeur die Rechnung einer Kleinig-
keit von 50,000 Thaler gemacht.

In besonders allgemeinem Brauch werden die Schminken
angegeben, und zwar färbten vornehme Damen sich weiß im Ge-
sicht oder aßen, um den Teint zu bleichen, Kohlen, Kreide und
anderes, während die Frauen und Jungfrauen des Bürgerstan-
des Roth auflegten. Es war nicht das einzige Falsche an ihnen:
die Augenbrauen wurden schwarz gefärbt, das Haar aber damals
zuerst mit Puder bestreut. Die Erwähnung desselben und der
"weißen krausen Locken" ist nicht selten, indessen war die Sitte
noch nicht allgemein wie im achtzehnten Jahrhundert, sondern
galt immer als besonderes Zeichen tadelnswerther Eitelkeit.
Ebenso kam die Mode der Schönpflästerchen auf, hielt sich
aber noch innerhalb derselben Grenzen, obwohl sie gegen das
Jahr 1650 im Detail schon sehr ausgebildet ist. Damals machte
Philander die folgende Beschreibung: "Und ich sahe deren einen
Haufen, die im Gesichte waren, als ob sie geschröpft hätten oder
sich picken und hacken lassen: dann an allen Orten, die sie gern
wollten beschauet haben, waren sie mit schwarzen kleinen Pflä-
sterlein behänget und mit runden, langen, breiten, schmalen,
spitzen Mücklein, Flöhen und anderen fitzirlichen, zum Anblick
dringenden, zum Zugriff zwingenden, Mannsfallen Gestalten
bekleidet." Auch der falschen hölzernen oder ausgestopften Brüste
gedenket er, und daß der falschen Locken eine häufige Erwähnung
geschieht, auch in der männlichen Stutzerwelt, darf uns um so
weniger Wunder nehmen, als die eigentliche Perrücke schon ein
paar Jahrzehnte zu Paris in Blüthe stand. Wir werden im Zu-
sammenhang darauf zurückkommen.

Es ist natürlich, daß das ganze in so renommistischer und
herausfordernder Weise auftretende Stutzerthum auch die Op-
position
gegen sich wach rief, indessen ließ die Schwere der
Zeit, die ganz andere Sorgen von sich zu wälzen hatte, sie nicht
zur Wirkung kommen. Zunächst opponirte das Alter der thörich-
ten Jugend, indem es mit der Beständigkeit die Ehrenhaftigkeit
der "guten alten Zeit" dem leichten Wechsel entgegenstellt.

3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
Jahr bei einem einzigen Parfümeur die Rechnung einer Kleinig-
keit von 50,000 Thaler gemacht.

In beſonders allgemeinem Brauch werden die Schminken
angegeben, und zwar färbten vornehme Damen ſich weiß im Ge-
ſicht oder aßen, um den Teint zu bleichen, Kohlen, Kreide und
anderes, während die Frauen und Jungfrauen des Bürgerſtan-
des Roth auflegten. Es war nicht das einzige Falſche an ihnen:
die Augenbrauen wurden ſchwarz gefärbt, das Haar aber damals
zuerſt mit Puder beſtreut. Die Erwähnung deſſelben und der
„weißen krauſen Locken“ iſt nicht ſelten, indeſſen war die Sitte
noch nicht allgemein wie im achtzehnten Jahrhundert, ſondern
galt immer als beſonderes Zeichen tadelnswerther Eitelkeit.
Ebenſo kam die Mode der Schönpfläſterchen auf, hielt ſich
aber noch innerhalb derſelben Grenzen, obwohl ſie gegen das
Jahr 1650 im Detail ſchon ſehr ausgebildet iſt. Damals machte
Philander die folgende Beſchreibung: „Und ich ſahe deren einen
Haufen, die im Geſichte waren, als ob ſie geſchröpft hätten oder
ſich picken und hacken laſſen: dann an allen Orten, die ſie gern
wollten beſchauet haben, waren ſie mit ſchwarzen kleinen Pflä-
ſterlein behänget und mit runden, langen, breiten, ſchmalen,
ſpitzen Mücklein, Flöhen und anderen fitzirlichen, zum Anblick
dringenden, zum Zugriff zwingenden, Mannsfallen Geſtalten
bekleidet.“ Auch der falſchen hölzernen oder ausgeſtopften Brüſte
gedenket er, und daß der falſchen Locken eine häufige Erwähnung
geſchieht, auch in der männlichen Stutzerwelt, darf uns um ſo
weniger Wunder nehmen, als die eigentliche Perrücke ſchon ein
paar Jahrzehnte zu Paris in Blüthe ſtand. Wir werden im Zu-
ſammenhang darauf zurückkommen.

Es iſt natürlich, daß das ganze in ſo renommiſtiſcher und
herausfordernder Weiſe auftretende Stutzerthum auch die Op-
poſition
gegen ſich wach rief, indeſſen ließ die Schwere der
Zeit, die ganz andere Sorgen von ſich zu wälzen hatte, ſie nicht
zur Wirkung kommen. Zunächſt opponirte das Alter der thörich-
ten Jugend, indem es mit der Beſtändigkeit die Ehrenhaftigkeit
der „guten alten Zeit“ dem leichten Wechſel entgegenſtellt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="205"/><fw place="top" type="header">3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.</fw><lb/>
Jahr bei einem einzigen Parfümeur die Rechnung einer Kleinig-<lb/>
keit von 50,000 Thaler gemacht.</p><lb/>
          <p>In be&#x017F;onders allgemeinem Brauch werden die <hi rendition="#g">Schminken</hi><lb/>
angegeben, und zwar färbten vornehme Damen &#x017F;ich weiß im Ge-<lb/>
&#x017F;icht oder aßen, um den Teint zu bleichen, Kohlen, Kreide und<lb/>
anderes, während die Frauen und Jungfrauen des Bürger&#x017F;tan-<lb/>
des Roth auflegten. Es war nicht das einzige Fal&#x017F;che an ihnen:<lb/>
die Augenbrauen wurden &#x017F;chwarz gefärbt, das Haar aber damals<lb/>
zuer&#x017F;t mit <hi rendition="#g">Puder</hi> be&#x017F;treut. Die Erwähnung de&#x017F;&#x017F;elben und der<lb/>
&#x201E;weißen krau&#x017F;en Locken&#x201C; i&#x017F;t nicht &#x017F;elten, inde&#x017F;&#x017F;en war die Sitte<lb/>
noch nicht allgemein wie im achtzehnten Jahrhundert, &#x017F;ondern<lb/>
galt immer als be&#x017F;onderes Zeichen tadelnswerther Eitelkeit.<lb/>
Eben&#x017F;o kam die Mode der <hi rendition="#g">Schönpflä&#x017F;terchen</hi> auf, hielt &#x017F;ich<lb/>
aber noch innerhalb der&#x017F;elben Grenzen, obwohl &#x017F;ie gegen das<lb/>
Jahr 1650 im Detail &#x017F;chon &#x017F;ehr ausgebildet i&#x017F;t. Damals machte<lb/>
Philander die folgende Be&#x017F;chreibung: &#x201E;Und ich &#x017F;ahe deren einen<lb/>
Haufen, die im Ge&#x017F;ichte waren, als ob &#x017F;ie ge&#x017F;chröpft hätten oder<lb/>
&#x017F;ich picken und hacken la&#x017F;&#x017F;en: dann an allen Orten, die &#x017F;ie gern<lb/>
wollten be&#x017F;chauet haben, waren &#x017F;ie mit &#x017F;chwarzen kleinen Pflä-<lb/>
&#x017F;terlein behänget und mit runden, langen, breiten, &#x017F;chmalen,<lb/>
&#x017F;pitzen Mücklein, Flöhen und anderen fitzirlichen, zum Anblick<lb/>
dringenden, zum Zugriff zwingenden, Mannsfallen Ge&#x017F;talten<lb/>
bekleidet.&#x201C; Auch der fal&#x017F;chen hölzernen oder ausge&#x017F;topften Brü&#x017F;te<lb/>
gedenket er, und daß der fal&#x017F;chen Locken eine häufige Erwähnung<lb/>
ge&#x017F;chieht, auch in der männlichen Stutzerwelt, darf uns um &#x017F;o<lb/>
weniger Wunder nehmen, als die eigentliche Perrücke &#x017F;chon ein<lb/>
paar Jahrzehnte zu Paris in Blüthe &#x017F;tand. Wir werden im Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang darauf zurückkommen.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t natürlich, daß das ganze in &#x017F;o renommi&#x017F;ti&#x017F;cher und<lb/>
herausfordernder Wei&#x017F;e auftretende Stutzerthum auch die <hi rendition="#g">Op-<lb/>
po&#x017F;ition</hi> gegen &#x017F;ich wach rief, inde&#x017F;&#x017F;en ließ die Schwere der<lb/>
Zeit, die ganz andere Sorgen von &#x017F;ich zu wälzen hatte, &#x017F;ie nicht<lb/>
zur Wirkung kommen. Zunäch&#x017F;t opponirte das Alter der thörich-<lb/>
ten Jugend, indem es mit der Be&#x017F;tändigkeit die Ehrenhaftigkeit<lb/>
der &#x201E;guten alten Zeit&#x201C; dem leichten Wech&#x017F;el entgegen&#x017F;tellt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0217] 3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. Jahr bei einem einzigen Parfümeur die Rechnung einer Kleinig- keit von 50,000 Thaler gemacht. In beſonders allgemeinem Brauch werden die Schminken angegeben, und zwar färbten vornehme Damen ſich weiß im Ge- ſicht oder aßen, um den Teint zu bleichen, Kohlen, Kreide und anderes, während die Frauen und Jungfrauen des Bürgerſtan- des Roth auflegten. Es war nicht das einzige Falſche an ihnen: die Augenbrauen wurden ſchwarz gefärbt, das Haar aber damals zuerſt mit Puder beſtreut. Die Erwähnung deſſelben und der „weißen krauſen Locken“ iſt nicht ſelten, indeſſen war die Sitte noch nicht allgemein wie im achtzehnten Jahrhundert, ſondern galt immer als beſonderes Zeichen tadelnswerther Eitelkeit. Ebenſo kam die Mode der Schönpfläſterchen auf, hielt ſich aber noch innerhalb derſelben Grenzen, obwohl ſie gegen das Jahr 1650 im Detail ſchon ſehr ausgebildet iſt. Damals machte Philander die folgende Beſchreibung: „Und ich ſahe deren einen Haufen, die im Geſichte waren, als ob ſie geſchröpft hätten oder ſich picken und hacken laſſen: dann an allen Orten, die ſie gern wollten beſchauet haben, waren ſie mit ſchwarzen kleinen Pflä- ſterlein behänget und mit runden, langen, breiten, ſchmalen, ſpitzen Mücklein, Flöhen und anderen fitzirlichen, zum Anblick dringenden, zum Zugriff zwingenden, Mannsfallen Geſtalten bekleidet.“ Auch der falſchen hölzernen oder ausgeſtopften Brüſte gedenket er, und daß der falſchen Locken eine häufige Erwähnung geſchieht, auch in der männlichen Stutzerwelt, darf uns um ſo weniger Wunder nehmen, als die eigentliche Perrücke ſchon ein paar Jahrzehnte zu Paris in Blüthe ſtand. Wir werden im Zu- ſammenhang darauf zurückkommen. Es iſt natürlich, daß das ganze in ſo renommiſtiſcher und herausfordernder Weiſe auftretende Stutzerthum auch die Op- poſition gegen ſich wach rief, indeſſen ließ die Schwere der Zeit, die ganz andere Sorgen von ſich zu wälzen hatte, ſie nicht zur Wirkung kommen. Zunächſt opponirte das Alter der thörich- ten Jugend, indem es mit der Beſtändigkeit die Ehrenhaftigkeit der „guten alten Zeit“ dem leichten Wechſel entgegenſtellt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/217
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/217>, abgerufen am 09.05.2024.