"Wir könnten doch kein fremde Tracht, Die seltsam gnug seie gemacht, Erdenken, das nit bald nachthun Die Damen auf al modo schon.
"Sie können alle Cavallier Ja weit gar übertreffen schier Mit ihrem neuen Stolz und Stutz, Bieten uns allen weit den Trutz."
Indessen zu jenen Monstrositäten der Form, wie sie der Schlapp- hut und die Stulpstiefeln aufweisen, versteigen sich die Damen nicht. Ihr "Stutz", wie jenes Bild sagt, beschränkt sich auf den leichteren und grazioseren Schmuck, auf die Federn und die Locken, das Geschlinge von Liebesknoten, auf Schleifen, Bänder, Rosen und Nesteln mit den klirrenden Stiften, auf Stickereien, insbesondere auf die Spitzen, mit welchen Dingen sie freilich sich ganz und gar vom Scheitel bis zur Fußspitze überzogen. Dazu kommt noch eine häufig kokette Decolletirung, eine Unzahl der Schönheitsmittel und Instrumente, der häufige Gebrauch des Spiegels, die Wohlgerüche und dergl. "Sie erkühlen das Antlitz mit pfirsichblühend Wasser, bestreichen und zärteln das Fleisch mit Limonensaft, mit Eselsmilch. Sie erhalten sich mit Rosenwasser, Wein und Alaun. Sie gebrauchen sich der Tra- ganttäfelein von Quittenkernen, des gebrannten Wassers, des ungelöschten Kalks ihnen ein recht vollkommen Bleiweiß-Sälb- lein zu präpariren. Siehe, da werden gesehen ausstaffirte Spie- gel, Rosen- und Spicanardiwasser, Bisam, Zibeth, Rauchwerk, schmäkend Pulver von Aloes, Cipern, Stabwurz, Schmakküge- lein, Bisamknöpf, Muscatnüsse. Da sieht man Strähl (Kämme), Spiegel, Ohrenlöffel, Haareisen, Haarscheeren, Rupfzwänglein und Pfriemen. Da stehen Schächtelein, Büchslein, irdene Ge- schirrlein, gläserne Fläschlein, Schüsselein, Scherblein, Häfelein, Eierschalen, Muscheln, gespickt und ausgefüllet von allerhand Pflästerlein und Sälblein." Für alle solche Kleinigkeiten hatte die berühmte Marion de l'Lormes einst ihrem Geliebten in einem
III. Die Neuzeit.
„Wir könnten doch kein fremde Tracht, Die ſeltſam gnug ſeie gemacht, Erdenken, das nit bald nachthun Die Damen auf al modo ſchon.
„Sie können alle Cavallier Ja weit gar übertreffen ſchier Mit ihrem neuen Stolz und Stutz, Bieten uns allen weit den Trutz.“
Indeſſen zu jenen Monſtroſitäten der Form, wie ſie der Schlapp- hut und die Stulpſtiefeln aufweiſen, verſteigen ſich die Damen nicht. Ihr „Stutz“, wie jenes Bild ſagt, beſchränkt ſich auf den leichteren und grazioſeren Schmuck, auf die Federn und die Locken, das Geſchlinge von Liebesknoten, auf Schleifen, Bänder, Roſen und Neſteln mit den klirrenden Stiften, auf Stickereien, insbeſondere auf die Spitzen, mit welchen Dingen ſie freilich ſich ganz und gar vom Scheitel bis zur Fußſpitze überzogen. Dazu kommt noch eine häufig kokette Decolletirung, eine Unzahl der Schönheitsmittel und Inſtrumente, der häufige Gebrauch des Spiegels, die Wohlgerüche und dergl. „Sie erkühlen das Antlitz mit pfirſichblühend Waſſer, beſtreichen und zärteln das Fleiſch mit Limonenſaft, mit Eſelsmilch. Sie erhalten ſich mit Roſenwaſſer, Wein und Alaun. Sie gebrauchen ſich der Tra- ganttäfelein von Quittenkernen, des gebrannten Waſſers, des ungelöſchten Kalks ihnen ein recht vollkommen Bleiweiß-Sälb- lein zu präpariren. Siehe, da werden geſehen ausſtaffirte Spie- gel, Roſen- und Spicanardiwaſſer, Biſam, Zibeth, Rauchwerk, ſchmäkend Pulver von Aloes, Cipern, Stabwurz, Schmakküge- lein, Biſamknöpf, Muscatnüſſe. Da ſieht man Strähl (Kämme), Spiegel, Ohrenlöffel, Haareiſen, Haarſcheeren, Rupfzwänglein und Pfriemen. Da ſtehen Schächtelein, Büchslein, irdene Ge- ſchirrlein, gläſerne Fläſchlein, Schüſſelein, Scherblein, Häfelein, Eierſchalen, Muſcheln, geſpickt und ausgefüllet von allerhand Pfläſterlein und Sälblein.“ Für alle ſolche Kleinigkeiten hatte die berühmte Marion de l’Lormes einſt ihrem Geliebten in einem
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III. Die Neuzeit.
„Wir könnten doch kein fremde Tracht,
Die ſeltſam gnug ſeie gemacht,
Erdenken, das nit bald nachthun
Die Damen auf al modo ſchon.
„Sie können alle Cavallier
Ja weit gar übertreffen ſchier
Mit ihrem neuen Stolz und Stutz,
Bieten uns allen weit den Trutz.“
Indeſſen zu jenen Monſtroſitäten der Form, wie ſie der Schlapp-
hut und die Stulpſtiefeln aufweiſen, verſteigen ſich die Damen
nicht. Ihr „Stutz“, wie jenes Bild ſagt, beſchränkt ſich auf den
leichteren und grazioſeren Schmuck, auf die Federn und die
Locken, das Geſchlinge von Liebesknoten, auf Schleifen, Bänder,
Roſen und Neſteln mit den klirrenden Stiften, auf Stickereien,
insbeſondere auf die Spitzen, mit welchen Dingen ſie freilich ſich
ganz und gar vom Scheitel bis zur Fußſpitze überzogen. Dazu
kommt noch eine häufig kokette Decolletirung, eine Unzahl der
Schönheitsmittel und Inſtrumente, der häufige Gebrauch
des Spiegels, die Wohlgerüche und dergl. „Sie erkühlen das
Antlitz mit pfirſichblühend Waſſer, beſtreichen und zärteln das
Fleiſch mit Limonenſaft, mit Eſelsmilch. Sie erhalten ſich mit
Roſenwaſſer, Wein und Alaun. Sie gebrauchen ſich der Tra-
ganttäfelein von Quittenkernen, des gebrannten Waſſers, des
ungelöſchten Kalks ihnen ein recht vollkommen Bleiweiß-Sälb-
lein zu präpariren. Siehe, da werden geſehen ausſtaffirte Spie-
gel, Roſen- und Spicanardiwaſſer, Biſam, Zibeth, Rauchwerk,
ſchmäkend Pulver von Aloes, Cipern, Stabwurz, Schmakküge-
lein, Biſamknöpf, Muscatnüſſe. Da ſieht man Strähl (Kämme),
Spiegel, Ohrenlöffel, Haareiſen, Haarſcheeren, Rupfzwänglein
und Pfriemen. Da ſtehen Schächtelein, Büchslein, irdene Ge-
ſchirrlein, gläſerne Fläſchlein, Schüſſelein, Scherblein, Häfelein,
Eierſchalen, Muſcheln, geſpickt und ausgefüllet von allerhand
Pfläſterlein und Sälblein.“ Für alle ſolche Kleinigkeiten hatte
die berühmte Marion de l’Lormes einſt ihrem Geliebten in einem
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/216>, abgerufen am 08.07.2024.
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