Obschon er ist ein Weil ohn das von ihrem Haus, Hat sie doch den Geruch und guckt zum Fenster aus, Das macht sein krauses Haar, das da gar dick besprengt Mit Puder de cypro als wär es ganz versengt, Da macht er Baselmans *), bis an die Erd sich neiget, Nach Alamodo Art die Knie und Beine beuget, Zehn Schritte weit vom Haus macht er das Haupt schon bloß, Mit Fingern wirft die Küß" ....
Obwohl wir öfter versichert finden, daß die Frauen dieser Periode der männlichen Eitelkeit den Vorrang streitig machen, blei- ben sie doch, wie das auch bei so kriegerisch bewegten Zeitverhält- nissen naturgemäß ist, hinter derselben zurück. Dennoch halten sie sich in der Entwicklung der neuen Trachtenform, die auch diesmal den genausten Parallelismus befolgt, zeitlich immer auf der gleichen Stufe. Ja fast früher schon scheinen die aufgerichteten Frisuren zu Fall gebracht zu sein und das gelockte Haar sich wieder ein- gestellt zu haben, und namentlich darf man annehmen, daß die Schwankungen zwischen den verschiedenen Kragenformen sich in der weiblichen Welt zuerst ausgeglichen. In England heißt es schon in den letzten Jahren der Königin Elisabeth von den Damen, daß ihnen die Liebeslocken über die Schultern flatterten, "den Winden rückwärts stumme Küsse zuwerfend."
Es ist interessant zu verfolgen, wie unter dem wachsenden Einflusse des Naturalismus allmählig die Stuarthaube und der steife spanische Hut und das Federhütchen abgeworfen werden oder dem Alter überlassen bleiben, das allen Ansprüchen an die Welt entsagt hat; wie die Haarhörner und ähnliche Gebäude sinken und das Haar sich in kleinerem Lockengekräusel um den Kopf sammelt, bis es die Massen nach unten sendet und endlich mit vollen Locken sich über Schultern und Rücken ergießt. Funf- zig Jahre später werden wir wieder genau den umgekehrten Pro- zeß zu verfolgen haben. Wenn aber das Haar der Frauen somit
*)baise-main Handkuß.
III. Die Neuzeit.
Obſchon er iſt ein Weil ohn das von ihrem Haus, Hat ſie doch den Geruch und guckt zum Fenſter aus, Das macht ſein krauſes Haar, das da gar dick beſprengt Mit Puder de cypro als wär es ganz verſengt, Da macht er Baſelmans *), bis an die Erd ſich neiget, Nach Alamodo Art die Knie und Beine beuget, Zehn Schritte weit vom Haus macht er das Haupt ſchon bloß, Mit Fingern wirft die Küß“ ....
Obwohl wir öfter verſichert finden, daß die Frauen dieſer Periode der männlichen Eitelkeit den Vorrang ſtreitig machen, blei- ben ſie doch, wie das auch bei ſo kriegeriſch bewegten Zeitverhält- niſſen naturgemäß iſt, hinter derſelben zurück. Dennoch halten ſie ſich in der Entwicklung der neuen Trachtenform, die auch diesmal den genauſten Parallelismus befolgt, zeitlich immer auf der gleichen Stufe. Ja faſt früher ſchon ſcheinen die aufgerichteten Friſuren zu Fall gebracht zu ſein und das gelockte Haar ſich wieder ein- geſtellt zu haben, und namentlich darf man annehmen, daß die Schwankungen zwiſchen den verſchiedenen Kragenformen ſich in der weiblichen Welt zuerſt ausgeglichen. In England heißt es ſchon in den letzten Jahren der Königin Eliſabeth von den Damen, daß ihnen die Liebeslocken über die Schultern flatterten, „den Winden rückwärts ſtumme Küſſe zuwerfend.“
Es iſt intereſſant zu verfolgen, wie unter dem wachſenden Einfluſſe des Naturalismus allmählig die Stuarthaube und der ſteife ſpaniſche Hut und das Federhütchen abgeworfen werden oder dem Alter überlaſſen bleiben, das allen Anſprüchen an die Welt entſagt hat; wie die Haarhörner und ähnliche Gebäude ſinken und das Haar ſich in kleinerem Lockengekräuſel um den Kopf ſammelt, bis es die Maſſen nach unten ſendet und endlich mit vollen Locken ſich über Schultern und Rücken ergießt. Funf- zig Jahre ſpäter werden wir wieder genau den umgekehrten Pro- zeß zu verfolgen haben. Wenn aber das Haar der Frauen ſomit
*)baise-main Handkuß.
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III. Die Neuzeit.
Obſchon er iſt ein Weil ohn das von ihrem Haus,
Hat ſie doch den Geruch und guckt zum Fenſter aus,
Das macht ſein krauſes Haar, das da gar dick beſprengt
Mit Puder de cypro als wär es ganz verſengt,
Da macht er Baſelmans *), bis an die Erd ſich neiget,
Nach Alamodo Art die Knie und Beine beuget,
Zehn Schritte weit vom Haus macht er das Haupt ſchon bloß,
Mit Fingern wirft die Küß“ ....
Obwohl wir öfter verſichert finden, daß die Frauen dieſer
Periode der männlichen Eitelkeit den Vorrang ſtreitig machen, blei-
ben ſie doch, wie das auch bei ſo kriegeriſch bewegten Zeitverhält-
niſſen naturgemäß iſt, hinter derſelben zurück. Dennoch halten ſie
ſich in der Entwicklung der neuen Trachtenform, die auch diesmal
den genauſten Parallelismus befolgt, zeitlich immer auf der gleichen
Stufe. Ja faſt früher ſchon ſcheinen die aufgerichteten Friſuren
zu Fall gebracht zu ſein und das gelockte Haar ſich wieder ein-
geſtellt zu haben, und namentlich darf man annehmen, daß die
Schwankungen zwiſchen den verſchiedenen Kragenformen ſich in
der weiblichen Welt zuerſt ausgeglichen. In England heißt es
ſchon in den letzten Jahren der Königin Eliſabeth von den
Damen, daß ihnen die Liebeslocken über die Schultern flatterten,
„den Winden rückwärts ſtumme Küſſe zuwerfend.“
Es iſt intereſſant zu verfolgen, wie unter dem wachſenden
Einfluſſe des Naturalismus allmählig die Stuarthaube und der
ſteife ſpaniſche Hut und das Federhütchen abgeworfen werden
oder dem Alter überlaſſen bleiben, das allen Anſprüchen an die
Welt entſagt hat; wie die Haarhörner und ähnliche Gebäude
ſinken und das Haar ſich in kleinerem Lockengekräuſel um den
Kopf ſammelt, bis es die Maſſen nach unten ſendet und endlich
mit vollen Locken ſich über Schultern und Rücken ergießt. Funf-
zig Jahre ſpäter werden wir wieder genau den umgekehrten Pro-
zeß zu verfolgen haben. Wenn aber das Haar der Frauen ſomit
*) baise-main Handkuß.
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/210>, abgerufen am 08.07.2024.
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