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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
zur freien Schönheit wieder durchgedrungen war, so ermangelte
es doch in den einzelnen Coiffüren nicht einer gesuchten Zierlich-
keit, wie sie dieser Zeit gemäß war. Um das Jahr 1630 und
später noch war es eine allgemein verbreitete Weise, die nächsten
Haare des Vorderhauptes, die durch einen querlaufenden Scheitel
gesondert waren, in ganz kleinen, feinen Löckchen, zierlichst neben
einander gelegt, über die Stirn ein wenig hereinfallen zu lassen,
ohne diese zu verhüllen, die übrigen Haare aber, in der Mitte
gescheitelt, in reicher, scheinbar verwirrter Fülle kleiner Locken
um die Ohren und im Nacken anzusammeln. Hiermit, sowie
auch mit der folgenden gegen Ende des Kriegs häufigern Fri-
sur, waren auch wohl am Hinterhaupt ein von Flechten zu-
sammengelegtes Nest verbunden. Diese zweite Form bestand
in längeren Locken, welche sich von einem über der Mitte der
Stirn beginnenden Scheitel tief über Rücken und Schultern
herabsenkten. Völlig freies und in seiner vollen Länge aufge-
lösetes Haar erscheint in den höchsten Ständen nur bei der
eigentlichen Brauttracht. So trug sie frei fliegend bis auf's Knie
herab die englische Prinzessin Elisabeth bei ihrer Vermählung mit
dem Pfalzgrafen Friedrich; nach Tische aber machte sie eine an-
dere Frisur. Eben damals verschwand diese Brauttracht wieder
aus der bürgerlichen Welt.

Wenn schon das Haar, so frei wie es erscheint, nichts we-
niger als der Kunst ermangelt, vielmehr Brenneisen, Salben,
Papilloten und falsche Haare nebst dem Spiegel, der stets an der
Seite hängt, eine bedeutende Rolle spielen, so fehlte ihm auch
nicht wie dem männlichen der Schmuck der Bandrosen, Schlei-
fen, Nesteln und ähnlicher leichter Waare. Oft steckte ein
Reiherbusch im freien Haar, oft legte sich eine lange, breite
Straußfeder quer über das Haupt und wallte mit ihrer Spitze
zur Schulter herab. Eine eigentliche Kopfbedeckung zeigt die
jüngere Dame selten, und nur als der Schlapphut zur ausge-
bildeten Herrschaft gekommen, giebt es auch vielfach Damen,
welche ihn auf das umlockte Haupt setzen, freilich in eleganterer
und doch freier Zierlichkeit mit minder grotesker, aber schwung-

3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
zur freien Schönheit wieder durchgedrungen war, ſo ermangelte
es doch in den einzelnen Coiffüren nicht einer geſuchten Zierlich-
keit, wie ſie dieſer Zeit gemäß war. Um das Jahr 1630 und
ſpäter noch war es eine allgemein verbreitete Weiſe, die nächſten
Haare des Vorderhauptes, die durch einen querlaufenden Scheitel
geſondert waren, in ganz kleinen, feinen Löckchen, zierlichſt neben
einander gelegt, über die Stirn ein wenig hereinfallen zu laſſen,
ohne dieſe zu verhüllen, die übrigen Haare aber, in der Mitte
geſcheitelt, in reicher, ſcheinbar verwirrter Fülle kleiner Locken
um die Ohren und im Nacken anzuſammeln. Hiermit, ſowie
auch mit der folgenden gegen Ende des Kriegs häufigern Fri-
ſur, waren auch wohl am Hinterhaupt ein von Flechten zu-
ſammengelegtes Neſt verbunden. Dieſe zweite Form beſtand
in längeren Locken, welche ſich von einem über der Mitte der
Stirn beginnenden Scheitel tief über Rücken und Schultern
herabſenkten. Völlig freies und in ſeiner vollen Länge aufge-
löſetes Haar erſcheint in den höchſten Ständen nur bei der
eigentlichen Brauttracht. So trug ſie frei fliegend bis auf’s Knie
herab die engliſche Prinzeſſin Eliſabeth bei ihrer Vermählung mit
dem Pfalzgrafen Friedrich; nach Tiſche aber machte ſie eine an-
dere Friſur. Eben damals verſchwand dieſe Brauttracht wieder
aus der bürgerlichen Welt.

Wenn ſchon das Haar, ſo frei wie es erſcheint, nichts we-
niger als der Kunſt ermangelt, vielmehr Brenneiſen, Salben,
Papilloten und falſche Haare nebſt dem Spiegel, der ſtets an der
Seite hängt, eine bedeutende Rolle ſpielen, ſo fehlte ihm auch
nicht wie dem männlichen der Schmuck der Bandroſen, Schlei-
fen, Neſteln und ähnlicher leichter Waare. Oft ſteckte ein
Reiherbuſch im freien Haar, oft legte ſich eine lange, breite
Straußfeder quer über das Haupt und wallte mit ihrer Spitze
zur Schulter herab. Eine eigentliche Kopfbedeckung zeigt die
jüngere Dame ſelten, und nur als der Schlapphut zur ausge-
bildeten Herrſchaft gekommen, giebt es auch vielfach Damen,
welche ihn auf das umlockte Haupt ſetzen, freilich in eleganterer
und doch freier Zierlichkeit mit minder grotesker, aber ſchwung-

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[199/0211] 3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. zur freien Schönheit wieder durchgedrungen war, ſo ermangelte es doch in den einzelnen Coiffüren nicht einer geſuchten Zierlich- keit, wie ſie dieſer Zeit gemäß war. Um das Jahr 1630 und ſpäter noch war es eine allgemein verbreitete Weiſe, die nächſten Haare des Vorderhauptes, die durch einen querlaufenden Scheitel geſondert waren, in ganz kleinen, feinen Löckchen, zierlichſt neben einander gelegt, über die Stirn ein wenig hereinfallen zu laſſen, ohne dieſe zu verhüllen, die übrigen Haare aber, in der Mitte geſcheitelt, in reicher, ſcheinbar verwirrter Fülle kleiner Locken um die Ohren und im Nacken anzuſammeln. Hiermit, ſowie auch mit der folgenden gegen Ende des Kriegs häufigern Fri- ſur, waren auch wohl am Hinterhaupt ein von Flechten zu- ſammengelegtes Neſt verbunden. Dieſe zweite Form beſtand in längeren Locken, welche ſich von einem über der Mitte der Stirn beginnenden Scheitel tief über Rücken und Schultern herabſenkten. Völlig freies und in ſeiner vollen Länge aufge- löſetes Haar erſcheint in den höchſten Ständen nur bei der eigentlichen Brauttracht. So trug ſie frei fliegend bis auf’s Knie herab die engliſche Prinzeſſin Eliſabeth bei ihrer Vermählung mit dem Pfalzgrafen Friedrich; nach Tiſche aber machte ſie eine an- dere Friſur. Eben damals verſchwand dieſe Brauttracht wieder aus der bürgerlichen Welt. Wenn ſchon das Haar, ſo frei wie es erſcheint, nichts we- niger als der Kunſt ermangelt, vielmehr Brenneiſen, Salben, Papilloten und falſche Haare nebſt dem Spiegel, der ſtets an der Seite hängt, eine bedeutende Rolle ſpielen, ſo fehlte ihm auch nicht wie dem männlichen der Schmuck der Bandroſen, Schlei- fen, Neſteln und ähnlicher leichter Waare. Oft ſteckte ein Reiherbuſch im freien Haar, oft legte ſich eine lange, breite Straußfeder quer über das Haupt und wallte mit ihrer Spitze zur Schulter herab. Eine eigentliche Kopfbedeckung zeigt die jüngere Dame ſelten, und nur als der Schlapphut zur ausge- bildeten Herrſchaft gekommen, giebt es auch vielfach Damen, welche ihn auf das umlockte Haupt ſetzen, freilich in eleganterer und doch freier Zierlichkeit mit minder grotesker, aber ſchwung-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/211>, abgerufen am 24.11.2024.