Stutzerthums trat das phantastisch-lockre Unwesen, die Putzsucht, das Behängen mit leichter flatternder Waare an allen Ecken und Enden hervor. Vom Kopf bis zum Fuß, von den höchsten Spitzen der Gesellschaft herab nahm die Tracht diesen Charakter an, den Monsieur Alamode freilich zur Carricatur übertrieb.
Was mit dem Haupthaar geschah, als es einmal lang geworden war und sich zu locken begann, giebt die Vorbemerkung in einer Verordnung des Straßburger Magistrats an, welche schon vom Jahr 1628 datirt: "Item, wann die Mannspersonen die Haupthaar gleich den Weibern zieren, seidene Bändel, Ring- lein und anders an Zöpfen einflechten und andre weibliche Phantasien damit vornehmen." In der That begnügen sich die Männer nicht damit, das Lockenhaar einfach um die Schultern wallen zu lassen, wie es noch die ersten Helden der Zeit, z. B. ein Bernhard von Weimar, thaten. Zangen, heiße Eisen und Salben zu benutzen, um den gewünschten Fluß und Fall herzu- stellen, war etwas ganz Gewöhnliches. Eben darum aber, weil alle Welt das wellige oder gelockte Haar trug, verschmähte der Stutzer diese geregelte Zierlichkeit und suchte vielmehr mit be- sonderer Kunst sich den Schein genialliederlicher Nachlässigkeit zu geben. Darum sehen wir auf Bildern sein Haar langzottig, struppig und wüst am Gesicht herunter fallen. Schwarz mußte es sein, wenn er den Damen gefallen wollte, denn diese liebten damals keine andere Farbe des Haares. Hatte die Natur ihm diesen Vorzug versagt, so half er durch Farbe und Bleikämme nach und streute Pulver in's Haar. Auch die Augbrauen und den Bart färbte er schwarz. Auch hierin also, sehen wir, hat sich der Geschmack gegen die vorige Periode, welche sich um der blonden Farbe willen einer unangenehmen Mühe unterzog, völ- lig geändert. Der Zopf, dessen bei dieser eitlen Männerwelt öfter Erwähnung geschieht, hing nicht hinten im Nacken, wie sein berühmterer Nachfolger des achtzehnten Jahrhunderts: beide haben nichts mit einander zu thun. Der Zopf in dieser Periode war rein stutzerische Tracht, wenn auch die höchsten Häupter nicht verschmähten sich damit zu zieren: es waren ein paar zusammen-
III. Die Neuzeit.
Stutzerthums trat das phantaſtiſch-lockre Unweſen, die Putzſucht, das Behängen mit leichter flatternder Waare an allen Ecken und Enden hervor. Vom Kopf bis zum Fuß, von den höchſten Spitzen der Geſellſchaft herab nahm die Tracht dieſen Charakter an, den Monſieur Alamode freilich zur Carricatur übertrieb.
Was mit dem Haupthaar geſchah, als es einmal lang geworden war und ſich zu locken begann, giebt die Vorbemerkung in einer Verordnung des Straßburger Magiſtrats an, welche ſchon vom Jahr 1628 datirt: „Item, wann die Mannsperſonen die Haupthaar gleich den Weibern zieren, ſeidene Bändel, Ring- lein und anders an Zöpfen einflechten und andre weibliche Phantaſien damit vornehmen.“ In der That begnügen ſich die Männer nicht damit, das Lockenhaar einfach um die Schultern wallen zu laſſen, wie es noch die erſten Helden der Zeit, z. B. ein Bernhard von Weimar, thaten. Zangen, heiße Eiſen und Salben zu benutzen, um den gewünſchten Fluß und Fall herzu- ſtellen, war etwas ganz Gewöhnliches. Eben darum aber, weil alle Welt das wellige oder gelockte Haar trug, verſchmähte der Stutzer dieſe geregelte Zierlichkeit und ſuchte vielmehr mit be- ſonderer Kunſt ſich den Schein genialliederlicher Nachläſſigkeit zu geben. Darum ſehen wir auf Bildern ſein Haar langzottig, ſtruppig und wüſt am Geſicht herunter fallen. Schwarz mußte es ſein, wenn er den Damen gefallen wollte, denn dieſe liebten damals keine andere Farbe des Haares. Hatte die Natur ihm dieſen Vorzug verſagt, ſo half er durch Farbe und Bleikämme nach und ſtreute Pulver in’s Haar. Auch die Augbrauen und den Bart färbte er ſchwarz. Auch hierin alſo, ſehen wir, hat ſich der Geſchmack gegen die vorige Periode, welche ſich um der blonden Farbe willen einer unangenehmen Mühe unterzog, völ- lig geändert. Der Zopf, deſſen bei dieſer eitlen Männerwelt öfter Erwähnung geſchieht, hing nicht hinten im Nacken, wie ſein berühmterer Nachfolger des achtzehnten Jahrhunderts: beide haben nichts mit einander zu thun. Der Zopf in dieſer Periode war rein ſtutzeriſche Tracht, wenn auch die höchſten Häupter nicht verſchmähten ſich damit zu zieren: es waren ein paar zuſammen-
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III. Die Neuzeit.
Stutzerthums trat das phantaſtiſch-lockre Unweſen, die Putzſucht,
das Behängen mit leichter flatternder Waare an allen Ecken und
Enden hervor. Vom Kopf bis zum Fuß, von den höchſten
Spitzen der Geſellſchaft herab nahm die Tracht dieſen Charakter
an, den Monſieur Alamode freilich zur Carricatur übertrieb.
Was mit dem Haupthaar geſchah, als es einmal lang
geworden war und ſich zu locken begann, giebt die Vorbemerkung
in einer Verordnung des Straßburger Magiſtrats an, welche
ſchon vom Jahr 1628 datirt: „Item, wann die Mannsperſonen
die Haupthaar gleich den Weibern zieren, ſeidene Bändel, Ring-
lein und anders an Zöpfen einflechten und andre weibliche
Phantaſien damit vornehmen.“ In der That begnügen ſich die
Männer nicht damit, das Lockenhaar einfach um die Schultern
wallen zu laſſen, wie es noch die erſten Helden der Zeit, z. B.
ein Bernhard von Weimar, thaten. Zangen, heiße Eiſen und
Salben zu benutzen, um den gewünſchten Fluß und Fall herzu-
ſtellen, war etwas ganz Gewöhnliches. Eben darum aber, weil
alle Welt das wellige oder gelockte Haar trug, verſchmähte der
Stutzer dieſe geregelte Zierlichkeit und ſuchte vielmehr mit be-
ſonderer Kunſt ſich den Schein genialliederlicher Nachläſſigkeit zu
geben. Darum ſehen wir auf Bildern ſein Haar langzottig,
ſtruppig und wüſt am Geſicht herunter fallen. Schwarz mußte
es ſein, wenn er den Damen gefallen wollte, denn dieſe liebten
damals keine andere Farbe des Haares. Hatte die Natur ihm
dieſen Vorzug verſagt, ſo half er durch Farbe und Bleikämme
nach und ſtreute Pulver in’s Haar. Auch die Augbrauen und
den Bart färbte er ſchwarz. Auch hierin alſo, ſehen wir, hat ſich
der Geſchmack gegen die vorige Periode, welche ſich um der
blonden Farbe willen einer unangenehmen Mühe unterzog, völ-
lig geändert. Der Zopf, deſſen bei dieſer eitlen Männerwelt
öfter Erwähnung geſchieht, hing nicht hinten im Nacken, wie ſein
berühmterer Nachfolger des achtzehnten Jahrhunderts: beide
haben nichts mit einander zu thun. Der Zopf in dieſer Periode
war rein ſtutzeriſche Tracht, wenn auch die höchſten Häupter nicht
verſchmähten ſich damit zu zieren: es waren ein paar zuſammen-
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/200>, abgerufen am 08.07.2024.
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