Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. dung ist nur die Schifferhose, die an den nördlichen Küsten dieSeeleute tragen; weit und lang bis zu den Füßen und unten offen, gleicht sie genau der heutigen Turnerhose: die Art der Schiffsarbeit bedingt ihre Gestalt, und sie ist darum unwandel- bar geblieben. Die gewöhnliche Fußbekleidung ist der Schuh, welcher den ganzen Fuß in ziemlich plumper Gestalt bedeckt, aber die Marschgegenden und der schwere leimige Boden lassen den Stiefel dort in größerem Gebrauch erscheinen. So kann eigentlich im sechszehnten Jahrhundert von einer III. Die Neuzeit. dung iſt nur die Schifferhoſe, die an den nördlichen Küſten dieSeeleute tragen; weit und lang bis zu den Füßen und unten offen, gleicht ſie genau der heutigen Turnerhoſe: die Art der Schiffsarbeit bedingt ihre Geſtalt, und ſie iſt darum unwandel- bar geblieben. Die gewöhnliche Fußbekleidung iſt der Schuh, welcher den ganzen Fuß in ziemlich plumper Geſtalt bedeckt, aber die Marſchgegenden und der ſchwere leimige Boden laſſen den Stiefel dort in größerem Gebrauch erſcheinen. So kann eigentlich im ſechszehnten Jahrhundert von einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0178" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> dung iſt nur die Schifferhoſe, die an den nördlichen Küſten die<lb/> Seeleute tragen; weit und lang bis zu den Füßen und unten<lb/> offen, gleicht ſie genau der heutigen Turnerhoſe: die Art der<lb/> Schiffsarbeit bedingt ihre Geſtalt, und ſie iſt darum unwandel-<lb/> bar geblieben. Die gewöhnliche Fußbekleidung iſt der Schuh,<lb/> welcher den ganzen Fuß in ziemlich plumper Geſtalt bedeckt, aber<lb/> die Marſchgegenden und der ſchwere leimige Boden laſſen den<lb/> Stiefel dort in größerem Gebrauch erſcheinen.</p><lb/> <p>So kann eigentlich im ſechszehnten Jahrhundert von einer<lb/> Volkstracht im heutigen Sinne des Worts weder in Städten<lb/> noch auf dem Lande die Rede ſein; es ſind nur die Anfänge<lb/> des Werdens ſichtbar, die überall unter denſelben Geſetzen vor<lb/> ſich gehen. Es dürfte kein deutſcher Stamm, keine noch ſo ent-<lb/> legene Gegend davon auszunehmen ſein. Gehen wir z. B. zu<lb/> den Dithmarſen, einem Völkchen, das, freiheitsliebend und ab-<lb/> geſchloſſen im ganzen Mittelalter, noch am Schluſſe deſſelben die<lb/> blutigſten und glücklichſten Kämpfe für ſeine Unabhängigkeit ge-<lb/> führt hat. In ſeiner Tracht findet ſich in der zweiten Hälfte oder<lb/> gegen den Schluß des ſechszehnten Jahrhunderts keine Spur von<lb/> Originalität. Da iſt z. B. ein Mann aus dem Städtlein Eider-<lb/> ſtadt — unſre Quelle iſt Braun’s Städtebuch —, der erſcheint<lb/> völlig modern in der Weiſe um 1570: ein runder ſpaniſcher Hut<lb/> mit mäßiger Krämpe und Feder, ein geſtutzter, gegen das Kinn<lb/> ſpitz zulaufender Vollbart, mäßige Pluderhoſe mit Pluderlatz,<lb/> aber bis über die Kniee hohe umgekrämpte Stiefel, kurzes<lb/> Wamms und an der Seite einen kurzen, bäuriſchen Säbel. Ein<lb/> anderer trägt die Pluderhoſe in landsknechtiſcher Weiſe, den rau-<lb/> hen Landsknechtshut mit ſchmalem Rand und Feder, langen Voll-<lb/> bart und das kurze ſpaniſche Mäntelchen. Ein dritter iſt mit der<lb/> Schifferhoſe bekleidet, einem gewöhnlichen Wamms mit Schul-<lb/> terwülſten und dem geſchlitzten ſpitzigen Schuh. Einer trägt die<lb/> ſpaniſche Hoſe, andre abgerundete Schuhe: nirgends erblickt<lb/> man etwas Feſtes oder Originelles. Die Frauen tragen theil-<lb/> weiſe noch wulſtige Hauben, die ſtark ans funfzehnte Jahrhundert<lb/> erinnern, theils dick geflochtene Zöpfe, die Bruſt bedeckt und auch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0178]
III. Die Neuzeit.
dung iſt nur die Schifferhoſe, die an den nördlichen Küſten die
Seeleute tragen; weit und lang bis zu den Füßen und unten
offen, gleicht ſie genau der heutigen Turnerhoſe: die Art der
Schiffsarbeit bedingt ihre Geſtalt, und ſie iſt darum unwandel-
bar geblieben. Die gewöhnliche Fußbekleidung iſt der Schuh,
welcher den ganzen Fuß in ziemlich plumper Geſtalt bedeckt, aber
die Marſchgegenden und der ſchwere leimige Boden laſſen den
Stiefel dort in größerem Gebrauch erſcheinen.
So kann eigentlich im ſechszehnten Jahrhundert von einer
Volkstracht im heutigen Sinne des Worts weder in Städten
noch auf dem Lande die Rede ſein; es ſind nur die Anfänge
des Werdens ſichtbar, die überall unter denſelben Geſetzen vor
ſich gehen. Es dürfte kein deutſcher Stamm, keine noch ſo ent-
legene Gegend davon auszunehmen ſein. Gehen wir z. B. zu
den Dithmarſen, einem Völkchen, das, freiheitsliebend und ab-
geſchloſſen im ganzen Mittelalter, noch am Schluſſe deſſelben die
blutigſten und glücklichſten Kämpfe für ſeine Unabhängigkeit ge-
führt hat. In ſeiner Tracht findet ſich in der zweiten Hälfte oder
gegen den Schluß des ſechszehnten Jahrhunderts keine Spur von
Originalität. Da iſt z. B. ein Mann aus dem Städtlein Eider-
ſtadt — unſre Quelle iſt Braun’s Städtebuch —, der erſcheint
völlig modern in der Weiſe um 1570: ein runder ſpaniſcher Hut
mit mäßiger Krämpe und Feder, ein geſtutzter, gegen das Kinn
ſpitz zulaufender Vollbart, mäßige Pluderhoſe mit Pluderlatz,
aber bis über die Kniee hohe umgekrämpte Stiefel, kurzes
Wamms und an der Seite einen kurzen, bäuriſchen Säbel. Ein
anderer trägt die Pluderhoſe in landsknechtiſcher Weiſe, den rau-
hen Landsknechtshut mit ſchmalem Rand und Feder, langen Voll-
bart und das kurze ſpaniſche Mäntelchen. Ein dritter iſt mit der
Schifferhoſe bekleidet, einem gewöhnlichen Wamms mit Schul-
terwülſten und dem geſchlitzten ſpitzigen Schuh. Einer trägt die
ſpaniſche Hoſe, andre abgerundete Schuhe: nirgends erblickt
man etwas Feſtes oder Originelles. Die Frauen tragen theil-
weiſe noch wulſtige Hauben, die ſtark ans funfzehnte Jahrhundert
erinnern, theils dick geflochtene Zöpfe, die Bruſt bedeckt und auch
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