vonnöthen, lassen sie ihnen den Schweif nachtragen. Da siehet man bisweilen die Madonna an dem Fenster stehen mit zur An- dacht geneigtem Haupt, mit einer güldenen Ketten am Hals, Armbanden an den Händen und Ringen an den Fingern, mit Perlen an den Ohren, mit schönen Blumen in der Hand: in Summa auf das schönste herausgeputzet und geschmücket wie eine Jesabel." -- --
Nachdem wir den Gang der allgemeinen Mode in ihren Einzelheiten durch die Länder bis zum Schlusse des sechszehnten Jahrhunderts verfolgt und insbesondere auch Deutschland ihr haben erliegen sehen, bleibt noch die andere Seite des Trachten- wesens dieser Zeit zu berühren, diejenigen Kreise der Gesellschaft nämlich, welche von dem Reich der wechselnden Mode aus- schieden und später zu ihr in Opposition traten. Freilich, da eben jene in ihrem großen Gange und ihrer organischen Ent- wicklung vorzugsweise der Gegenstand unsrer Darstellung ist, so können wir die Volkstrachten, die städtischen wie die länd- lichen, nur andeutungsweise in Betracht ziehen. Wir haben an ihnen nur die Bestandtheile der ewig sich erneuernden Mode ge- wissermaßen nach ihrem Tode zu verfolgen, wie sie dürr und abgestorben, vom jungen Laube verdrängt, weggeworfen und vom Sturm der Zeiten hierhin und dorthin geschleudert sind.
Wir haben oben in der Einleitung des ersten Capitels aus- einanderzusetzen gesucht, wie erst im sechszehnten Jahrhundert durch die politische und sociale Zersplitterung des deutschen Reichs die Bedingungen gegeben wurden, unter denen sich local eigen- thümliche und bleibende Trachten bilden konnten. Aber es ge- schah nicht viel mehr, als daß eben die Bedingungen ermöglicht wurden; nur die Anfänge zeigen sich, die uns den Weg deutlich erkennen lassen, auf welchem die Bildung vor sich geht; bleibende Resultate, Einzelheiten abgerechnet, werden nicht zu Tage ge- fördert, und wo sich wirklich das Princip des Beharrens mit größerer Entschiedenheit ausspricht, da fegt es der dreißigjährige Krieg wieder vom Boden hinweg.
Dem allgemeinen Charakter nach bequemte sich die Tracht
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
vonnöthen, laſſen ſie ihnen den Schweif nachtragen. Da ſiehet man bisweilen die Madonna an dem Fenſter ſtehen mit zur An- dacht geneigtem Haupt, mit einer güldenen Ketten am Hals, Armbanden an den Händen und Ringen an den Fingern, mit Perlen an den Ohren, mit ſchönen Blumen in der Hand: in Summa auf das ſchönſte herausgeputzet und geſchmücket wie eine Jeſabel.“ — —
Nachdem wir den Gang der allgemeinen Mode in ihren Einzelheiten durch die Länder bis zum Schluſſe des ſechszehnten Jahrhunderts verfolgt und insbeſondere auch Deutſchland ihr haben erliegen ſehen, bleibt noch die andere Seite des Trachten- weſens dieſer Zeit zu berühren, diejenigen Kreiſe der Geſellſchaft nämlich, welche von dem Reich der wechſelnden Mode aus- ſchieden und ſpäter zu ihr in Oppoſition traten. Freilich, da eben jene in ihrem großen Gange und ihrer organiſchen Ent- wicklung vorzugsweiſe der Gegenſtand unſrer Darſtellung iſt, ſo können wir die Volkstrachten, die ſtädtiſchen wie die länd- lichen, nur andeutungsweiſe in Betracht ziehen. Wir haben an ihnen nur die Beſtandtheile der ewig ſich erneuernden Mode ge- wiſſermaßen nach ihrem Tode zu verfolgen, wie ſie dürr und abgeſtorben, vom jungen Laube verdrängt, weggeworfen und vom Sturm der Zeiten hierhin und dorthin geſchleudert ſind.
Wir haben oben in der Einleitung des erſten Capitels aus- einanderzuſetzen geſucht, wie erſt im ſechszehnten Jahrhundert durch die politiſche und ſociale Zerſplitterung des deutſchen Reichs die Bedingungen gegeben wurden, unter denen ſich local eigen- thümliche und bleibende Trachten bilden konnten. Aber es ge- ſchah nicht viel mehr, als daß eben die Bedingungen ermöglicht wurden; nur die Anfänge zeigen ſich, die uns den Weg deutlich erkennen laſſen, auf welchem die Bildung vor ſich geht; bleibende Reſultate, Einzelheiten abgerechnet, werden nicht zu Tage ge- fördert, und wo ſich wirklich das Princip des Beharrens mit größerer Entſchiedenheit ausſpricht, da fegt es der dreißigjährige Krieg wieder vom Boden hinweg.
Dem allgemeinen Charakter nach bequemte ſich die Tracht
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
vonnöthen, laſſen ſie ihnen den Schweif nachtragen. Da ſiehet
man bisweilen die Madonna an dem Fenſter ſtehen mit zur An-
dacht geneigtem Haupt, mit einer güldenen Ketten am Hals,
Armbanden an den Händen und Ringen an den Fingern, mit
Perlen an den Ohren, mit ſchönen Blumen in der Hand: in
Summa auf das ſchönſte herausgeputzet und geſchmücket wie
eine Jeſabel.“ — —
Nachdem wir den Gang der allgemeinen Mode in ihren
Einzelheiten durch die Länder bis zum Schluſſe des ſechszehnten
Jahrhunderts verfolgt und insbeſondere auch Deutſchland ihr
haben erliegen ſehen, bleibt noch die andere Seite des Trachten-
weſens dieſer Zeit zu berühren, diejenigen Kreiſe der Geſellſchaft
nämlich, welche von dem Reich der wechſelnden Mode aus-
ſchieden und ſpäter zu ihr in Oppoſition traten. Freilich, da
eben jene in ihrem großen Gange und ihrer organiſchen Ent-
wicklung vorzugsweiſe der Gegenſtand unſrer Darſtellung iſt, ſo
können wir die Volkstrachten, die ſtädtiſchen wie die länd-
lichen, nur andeutungsweiſe in Betracht ziehen. Wir haben an
ihnen nur die Beſtandtheile der ewig ſich erneuernden Mode ge-
wiſſermaßen nach ihrem Tode zu verfolgen, wie ſie dürr und
abgeſtorben, vom jungen Laube verdrängt, weggeworfen und
vom Sturm der Zeiten hierhin und dorthin geſchleudert ſind.
Wir haben oben in der Einleitung des erſten Capitels aus-
einanderzuſetzen geſucht, wie erſt im ſechszehnten Jahrhundert
durch die politiſche und ſociale Zerſplitterung des deutſchen Reichs
die Bedingungen gegeben wurden, unter denen ſich local eigen-
thümliche und bleibende Trachten bilden konnten. Aber es ge-
ſchah nicht viel mehr, als daß eben die Bedingungen ermöglicht
wurden; nur die Anfänge zeigen ſich, die uns den Weg deutlich
erkennen laſſen, auf welchem die Bildung vor ſich geht; bleibende
Reſultate, Einzelheiten abgerechnet, werden nicht zu Tage ge-
fördert, und wo ſich wirklich das Princip des Beharrens mit
größerer Entſchiedenheit ausſpricht, da fegt es der dreißigjährige
Krieg wieder vom Boden hinweg.
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/171>, abgerufen am 08.07.2024.
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